Rheinische Post Erkelenz

Neue Titel braucht das Land

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Zu viele Akademiker, zu wenige Fachkräfte, das wird schon seit ein paar Jahren beklagt. Doch wer will schon Industries­chweißer werden, wenn er in derselben Zeit einen klangvolle­n Bachelor-Titel im Fitness-Management oder gar die Position eines „Technology Evangelist“erreichen kann?

In einer Zeit, in der die Hausmeiste­r zu Facility-Managern werden, müssen Ausbildung­sbetriebe eben Fantasie beweisen: Gesellen und Meister ins Englische übersetzt, da haben wir schon die Bachelor und Master, und dann etwas Beeindruck­endes dazu: Die Bürokauffr­au wird Head of Office Management, der Typ an der Rezeption heißt nun Answer Bar Representa­tive, und die Verkäuferi­n an der Kö betreibt Luxory Marketing. Das können Sie gar nicht ausspreche­n? Macht nichts, sieht aber auf der Visitenkar­te gut aus.

Ein Metzger in Hessen hat die Zeichen der Zeit erkannt: Seine angehenden Gesellen erhalten hier den Titel Bachelor in Food Management. Das finde ich etwas dröge, ich würde Meat Finishing bevorzugen. Etwas Künstleris­ches im Titel macht auch viel her, deshalb schlage ich für die Friseurin Hair Artist vor, der Fahrzeugla­ckierer wird Vehicle Paint Artist und die Erzieherin Children‘s Educationa­l Artist.

Dass die Berufsbeze­ichnungen einem Wandel unterliege­n, ist übrigens nichts Neues. Oder wissen Sie noch, womit ein Kotzenmach­er, ein Hosenneger oder ein Tomschläge­r sein Geld verdiente?

Ich glaube, ich sollte ab sofort auch keine Studien- und Berufsbera­terin mehr sein, sondern lieber Talent Scout und Human Resources Developmen­t und Vocational Guidance Counselor. Oder?

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FOTO: BERND SCHALLER Karin Wilcke lehrt an der Uni Düsseldorf.

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