Rheinische Post Erkelenz

Zeit für Umbauarbei­ten?

Borussias Trainer Dieter Hecking hat zuletzt oft betont, dass sein Kader viel Breite in der Tiefe hat. Möglich, dass daher das 2:4 in Berlin einige personelle Konsequenz­en hat. Es gibt alternativ­e Ideen für alle Mannschaft­steile.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Dabei war er schon mal, immerhin. Michael Lang reiste mit den anderen Borussen nach Berlin, doch am Ende war er nur die Nummer 19, der Mann, der nicht im Kader war. Es fehlte noch die Fitness nach der langen Pause, wenn man in seinem Fall überhaupt von einer Pause sprechen kann. Eher schon war es ein langer, mühsamer Anlauf in den neuen Lebensabsc­hnitt. Denn gleich am ersten Trainingst­ag als neuer Borusse verletzte sich der Schweizer, der soeben erst aus dem WM-Urlaub tatendurst­ig ins Trainingsl­ager am Tegernsee gereist war. Seither war Lang Patient, bis er vor zwei Wochen dann endlich ins Training einsteigen konnte. Noch reduziert zunächst, seit der vergangene­n Woche dann aber voll. Und nun steht am Mittwoch vielleicht der nächste Schritt an: Der Kaderplatz gegen Eintracht Frankfurt. Oder, was nicht auszuschli­eßen ist: Das Borussia-Debüt, vielleicht sogar als Startelf-Teilnehmer.

Lang hat lange genug gewartet, „es ist hart, nur von draußen zusehen zu können“, gestand er jüngst. Doch mit seinen 27 Jahren und der Erfahrung von fast 400 Profispiel­en weiß er, dass es nichts nützt, etwas zu überstürze­n. Nun ja, und eine Schweizer Tugend ist es schließlic­h auch, Dinge mit Bedacht anzugehen. Doch jetzt, das darf man dem WM-Fahrer nicht verdenken, kann er es kaum erwarten, zu spielen. „Ich freue mich besonders auf die Fans und will möglichst schnell dem Team helfen“, sagte er.

Beides kann er haben, wenn er am Mittwochab­end erstmals auf dem Aufstellun­gszettel steht. Dass Dieter Hecking die Zeit möglicherw­eise für reif hält, etwas im Team zu verändern, und Lang in den Überlegung­en des Trainers eine Rolle spielt, wäre zumindest keine Sensation. Denn die rechte Seite, für die Lang als Experte eingekauft wurde vom FC Basel, war doch extrem anfällig beim 2:4 in Berlin, so dass einer wie er hilfreich sein könnte als Stabilisat­or. Nico Elvedi könnte dann nach innen rücken neben Matthias Ginter, so wie es Hecking eigentlich angedacht hatte vor der Saison.

Es könnte weitere Umbauarbei­ten geben gegen die Eintracht. Hecking hat zuletzt stets betont, dass der Kader in der Breite eine außergewöh­nliche Tiefe habe – und da kann ein Spiel wie das in Berlin auch Konsequenz­en haben. Ganz vorn wäre Patrick Herrmann eine Option. Der Flügelstür­mer hat sich mit zwei ertragreic­hen Einwechslu­ngen gegen Schalke und Berlin für mehr empfohlen.

Auch die Mitte, aus der das Spiel entspringt, könnte dieses Mal mehr als zuvor neu gestaltet werden. Bis Berlin waren Tobias Strobl und Jonas Hofmann die Konstanten, in den ersten drei Spielen gesellte sich Florian Neuhaus dazu, in den beiden letzten Denis Zakaria. Der indes konnte bisher nicht an seine starke erste Bundesliga-Saison anknüpfen, er wirkt unfertiger, ungezügelt­er im Moment. Gegen Schalke und in Berlin hatte er gute Szenen, doch fehlte die große Zakaria-Dominanz, die er schon an den Tag gelegt hatte. Möglich, dass Hecking wieder Neuhaus bringt, der in Berlin nach der Pause kam, Zakaria rückte dann zurück auf die Sechs. Dort hatte bis dahin Strobl gespielt, der nun zum Verteidige­r wurde. Strobl war in den ersten Spielen extrem zuverlässi­g, nun aber schwächelt­e er, möglicherw­eise, weil er überspielt ist. Er spielte den tollen Pass auf Fabian Johnson vor dem Elfmeter, doch bei seinem Versuch, Salomon Kalous Konterzug zu stoppen, sah er überhaupt nicht gut aus.

Hecking hat Alternativ­en: Zakaria, den robusten Ballerober­er, wie in Berlin, auch Michael Cuisance, den Künstler, oder Laszlo Bénes mit seiner aggressiv-fordernden Spielweise. Und natürlich Christoph Kramer. Der ist ein Mischwesen aus Sechser und Achter, das ist vielleicht sein Problem derzeit: Beim Single-Sechser sind Ausflüge nach vorn eher nicht gefragt, zudem geht Kramers Spiel oft eher in die Breite als in die Tiefe, die im 4-3-3 ein große Rolle spielt, siehe Strobls Pass aus der Tiefe des Raumes in die offensive Tiefe im Rücken der gegnerisch­en Abwehr. Gleichwohl hat Kramer das Zeug zum Ordnungsst­ifter. Ein solcher fehlte in Berlin.

Denn wie Strobl fiel auch der gegen Schalke überragend­e Hofmann trotz der erneut starken Laufleitun­g ab. Er spielte einige gute Pässe, leistete sich aber auch beachtlich­e Ballverlus­te, die Hertha immer wieder Räume öffneten. Solche Situatione­n sind Gift im offensiv ausgericht­eten 4-3-3 der Borussen: Sind die Achter überspielt, ist da ein Mann weniger gegen den Ball ohne die doppelte Sechs, der Raum hinter den Achtern ist die Archilles-Verse des Systems.

Hecking wird sich seine Gedanken gemacht haben. Am Montag Nachmittag begann die kurze Vorbereitu­ng auf das Frankfurt-Spiel. Am Dienstag ist das Abschlusst­raining. Unter Ausschluss der Öffentlich­keit wird Hecking dann den Frankfurt-Plan einstudier­en lassen. Ob unter anderem Lang danach gute Nachrichte­n bekommt, was Kader und/oder Startelf angeht, wird sich am Mittwochab­end zeigen. Am Montag gehörte der 27-Jährige neben Elvedi und Johnson zu den Borussen, die nur eine Laufeinhei­t absolviert­en. Alassane Plea ist gekommen, um Torgefahr zu produziere­n. Das tut Borussias Franzose. Nur Bayern-Star James Rodriguez steht in dieser Wertung ligaweit vor dem neuen Gladbacher Mittelstür­mer. Der hat in Berlin zum zweiten Mal in dieser Saison getroffen, wie zuvor in Augsburg mit dem Kopf.

Sieben Torschüsse gab er im Olympiasta­dion ab, mehr als jeder andere. Mit dem Fuß indes fehlte ihm die Präzision. Weswegen Herthas Zentralang­reifer Vedad Ibisevic, der fünfmal das Borussen-Tor anvisierte, den Wettstreit der Torjäger mit 2:1 gewann, er traf erst per Kopf, dann mit dem Fuß.

Plea war trotz der Niederlage ein steter Unruheherd, erneut wurde deutlich, dass er ein Gespür hat für Gefahrenmo­mente. „Ich glaube, das Finden von Räumen zählt zu meinen Stärken“, sagte er zuletzt. Zudem kann er vorn Bälle festmachen und so das Spiel dort binden.

Vor allem aber hat er den Instinkt, den ein Torjäger braucht. „Alassane ist jemand, der Tore schießt. Wenn er den Fuß frei hat, zieht er ab“, sagte Manager Max Eberl. Die Formel ist einfach: Je mehr ein Stürmer aufs Tor schießt, desto höher ist die Wahrschein­lichkeit, dass er trifft. Effekt: Bis jetzt führt Plea die interne Torschütze­nliste der Borussen an.

In seinen 232 Bundesliga-Minuten hat er zehn Torschüsse abgegeben, zwei davon landeten im Ziel. Alle 116 Minuten traf er also. Was dem Franzosen fehlt: Das erste Tor im Borussia-Park, denn seine übrigen drei Treffer erzielte er beim BSC Hastedt im Pokal.

Gegen Schalke war er nah dran am ersten Einschuss im eigenen Stadion, doch Ralf Fährmann verhindert­e den Treffer mit seiner starken Reaktion nach Pleas Kopfball. Immerhin gab es den ersten Heim-Assist für den 25-Jährigen, seine verunglück­te Ballannahm­e verwertete Patrick Herrmann zum 2:0 gegen Schalke.

Gegen Leverkusen kein Scorerpunk­t, gegen Schalke der Assist – die logische Fortführun­g wäre ein Treffer am Mittwoch gegen Frankfurt. Plea scheint bereit für das erste Heim-Tor. Karsten Kellermann

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FOTOS (2): DPA Das könnte gegen Frankfurt die Innenverte­idigung sein: Nico Elvedi (l.), der in Berlin auf rechts arge Probleme hatte, und Matthias Ginter. Yann Sommer (r.) würde sich weit mehr Ruhe vor seinem Tor wünschen.
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FOTO: PÄFFGEN Michael Lang absolviert­e gestern nur Lauftraini­ng, könnte aber dennoch eine Option sein für das Spiel am Mittwoch.
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FOTO: PÄFFGEN Patrick Herrmann hat sich vielleicht für mehr als nur einen Bankplatz empfohlen.
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FOTO: DPA Tor für Borussia: Alassane Plea trifft in Berlin per Kopf.

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