Heilig’s Blechle
Der Kunstpalast präsentiert das Auto als Designobjekt. Gezeigt werden 29 ikonische Sportwagen, inszeniert wie klassische Skulpturen.
DÜSSELDORF Diese Ausstellung riecht – nach Gummi, Leder und Benzin. Ganz dezent liegt dieses gewisse Garagen-Odeur in der Luft, diese Mischung aus Ölwechsel, Reifenabrieb und Auspuffdünsten, das Elixier der Auto-Enthusiasten. Die werden sich in der Schau „PS: Ich liebe dich“, die ab Donnerstag bis zum 10. Februar im Düsseldorfer Museum Kunstpalast zu sehen ist, sofort zu Hause fühlen. Wobei die Räume, Geruch hin oder her, nichts mit einer Schrauber-Werkstatt zu tun haben: Gezeigt werden 29 Sportwagen der 1950er bis 1970er Jahre, seltene und wertvolle Preziosen, minimalistisch inszeniert wie klassische Skulpturen. Was sie ja auch sind. Das Automobil als Kunstwerk, als Ausdruck des Zeitgeists, als über sich selbst hinausweisendes Objekt der Begierde, hier ist es spürbar.
In Zeiten von Dieselskandal und autonomem Fahren mag die Ausstellung zunächst ein wenig anachronistisch wirken, wie ein Plädoyer für oktanhaltigen Eskapismus. Erlebt das Auto doch gerade eine grundlegende Neudefinition, weg vom Statussymbol und Spaßmobil hin zum seelenlosen, nur noch von Algorithmen gesteuerten Fortbewegungsmittel. Sauber und sicher soll es sein, aber schön? Für Felix Krämer, Generaldirektor Kunstpalast, ist die Antwort leicht. „Autos waren das wichtigste Designobjekt des 20. Jahrhunderts“, sagt er. „Da ist es doch eher komisch, dass es so lange gedauert hat, bis ein europäisches Museum das Auto würdigt.“
Tatsächlich hat bisher nur das Museum of Modern Art in New York dem Auto eine eigene, nennenswerte Schau gewidmet, im Jahr 1951. Nun gesellt sich Düsseldorf dazu – eine Stadt also, die mit der Kö schon lange einen Laufsteg für hochgerüstete PS-Boliden besitzt. Derart profan geht man im Museum Kunstpalast allerdings nicht an die Sache heran. Puristisch werden die Fahrzeuge auf Sockeln präsentiert, jeder Schwung, jede Sicke, jede Hutze perfekt ausgeleuchtet, keinerlei Schnickschnack lenkt den Blick ab. Das unterscheidet den Auftritt etwa von Automessen, die jedes Modell in einen Kontext stellen. Hier geht es allein um Ästhetik, um Formgebung, um Linienführung. „Die Autos sollen für sich sprechen“, sagt Barbara Gil, die gemeinsam mit Dieter Castenow die Schau kuratiert hat, „und jeder Besucher kann hier seine eigenen Entdeckungen machen.“
Zum Beispiel, wie Farbe auf Form wirkt. So sind im Erdgeschoss zwei Mercedes 300 SL Coupé zu sehen, der eine in Bordeauxrot, der andere in Silber. Vom ersten wurden 15 gebaut, vom zweiten 526 – beschwor dieser damals doch die Erinnerung an die legendären, im Rennsport erfolgreichen Silberpfeile herauf. Überhaupt besitzen die meisten der ausgestellten Wagen Rennsport-Gene. Vom schlicht-schönen Ferrari 166 MM Barchetta über die brachial monolithische AC Shelby Cobra 289 bis zum eleganten Ferrari 275 GTB/4. Ohne Motorsport keine Sportwagen. Und ohne Design-Visionäre keine Meisterstücke. Männer wie Battista „Pinin“Farina, Marcello Gandini oder Ercole Spade prägten den Automobilbau, schufen Werke, deren Formgebung bis heute Gültigkeit hat und sich noch in modernen Fahrzeugen widerspiegelt. Kurze Filme und Fotos an Medienstationen liefern dazu Hintergründe.
Aber auch Prototypen sind zu sehen: der Alfa Romeo Giulietta Sprint Speciale (SS) Prototipo zum Beispiel, eine futuristische Studie, halb Rakete, halb Haifisch, mit fließenden Linien, die die Formensprache beeinflusste. Oder der großartige BMW 507, ein Werksprototyp mit mächtigen Rädern, der in den 1950ern dem Mercedes 300 SL Paroli bieten sollte. Vergeblich. Der 507 floppte nicht nur, er trieb BMW auch tiefer in die Krise. Aus heutiger Sicht völlig unverständlich, ist der Bayer doch eine formvollendete Schönheit und würde selbst aktuelle Konkurrenten locker ausstechen. So exklusiv ist das ausgestellte Fahrzeug, dass sich schon BMW für den Leihgeber interessierte. Wie überhaupt ein Großteil der rollenden Skulpturen von privaten Sammlern stammt. Die aber laut Castenow schnell zu überzeugen waren. Wann schafft es schon der liebevoll gepflegte Garagenschatz ins Museum?
Nicht nur gepflegt sind sie, sondern wie gerade aus der Manufaktur gerollt, der Lack makellos, das Chrom glitzernd. Dabei aber, und das vergisst man schnell, fast durchweg fahrtüchtig. Auch Höllenmaschinen wie die Lamborghinis, der Miura und der Countach, oder der Bizzarrini GT Strada 5300, die im ersten Stock auf die Besucher warten. Dort sind die martialischeren, aggressiveren Fahrzeuge versammelt, flache Faustkeile auf überbreiten Rädern, strotzend vor Kraft, immer in Angriffshaltung.
Innen sieht etwa der Countach aus wie mit Legosteinen zusammengebaut, von hinten wirkt er wie eine Vorlage für das Batmobil. Dass dieses „Poster-Car der 70er“, so Castenow, nur schwer zu bändigen ist, sieht man ihm an. Dennoch weckt die Schau auch Begehrlichkeiten – nicht nur zu schwärmen, sondern auch zu fahren. Die Maschine zum Leben zu erwecken, ihr Fauchen zu hören, die Geschwindigkeit zu spüren, die Vibrationen, den Rausch. Die gesamte Komposition zu erleben – bei Beethovens Fünfter befriedigt ja auch nicht nur das Studium des Notenblatts.
So bleibt am Ende auch ein wenig Wehmut. Darüber, dass man nicht einfach in den Ferrari 250 GT California Spyder einsteigen und mit ihm nach Nizza donnern kann. Und darüber, dass das Automobil seine aufregendsten Zeiten schon lange hinter sich hat. Aber die waren dafür umwerfend spektakulär.