Reiche werden noch reicher
Weltweit steigt das Vermögen auf 168 Billionen Euro. Doch davon profitieren nicht alle.
FRANKFURT Zunächst die gute Nachricht: Die Welt ist reicher geworden, und zwar deutlich. Auf rund 168,3 Billionen Euro Brutto taxiert die volkswirtschaftliche Abteilung des Versicherungskonzerns Allianz das Vermögen der Menschen. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg von 7,7 Prozent. „Das Jahr 2017 war außergewöhnlich gut. Die Vermögen sind weltweit kräftig gestiegen“, sagte Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise.
Untersucht hat die Allianz 53 Länder, gezählt wurden Bargeld, Bankeinlagen, Wertpapiere sowie Ansprüche gegenüber Pensionsfonds und Versicherungen. Immobilienbesitz ist nicht in den Bericht eingeflossen. Der größte Teil des untersuchten Vermögens findet sich in den USA (43 Prozent), wo mit 8,5 Prozent auch der stärkste Anstieg zu verzeichnen ist. In Deutschland lag das Plus bei 5,1 Prozent.
Dass die USA das stärkste Wachstum aufweisen, liegt vor allem daran, dass über die Hälfte des dortigen Vermögens in Aktien und anderen Wertpapieren angelegt ist. Die Allianz führt rund 80 Prozent der Vermögenssteigerungen auf die gute Börsenentwicklung zurück. In Westeuropa legen die Menschen dagegen rund 70 Prozent des Geldvermögens in Versicherungen und Pensionsfonds oder Bankeinlagen an, nur ein knappes Drittel an den Aktienmärkten.
Die Kehrseite: Dank der boomenden Börsen sind in den USA vor allem die Reichen noch reicher geworden. Die mittleren und unteren Vermögens- und Einkommensschichten legen ihr Geld dagegen nicht oder nur zu einem geringen Teil in Aktien an. Konsequenz: Nirgends sind die Unterschiede in der Vermögensverteilung unter den 53 untersuchten Ländern so groß wie bei den Amerikanern. Das hat sich nicht geändert, und es birgt Sprengstoff. Vieles könne man auf die ungleiche Verteilung der Vermögen zurückführen, heißt es – „das Erstarken Trumps etwa; in Europa auch den Brexit oder die Regierungsverhältnisse in Italien“, sagte Studienautor Arne Holzhausen. „Gerade in den USA haben die Unternehmen enorme Gewinne gemacht. Dabei ist nichts bei den normalen Arbeitern angekommen. Das führt zu Frustration und zu den politischen Ergebnissen, die wir in den vergangenen Jahren gesehen haben“, so Holzhausen.
Bei der ungleichen Verteilung der Vermögen sieht es nach den Daten
der Allianz in Deutschland aber nicht viel besser aus. Die Bundesrepublik liegt auf Platz sechs der 53 Länder. „Auf lange Sicht ist es tatsächlich so, dass die Schere zwischen den ärmeren und reicheren Haushalten in Deutschland auseinandergegangen ist“, sagt der Vermögensund Einkommensexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Markus Grabka. Anders sieht es bei den Einkommen aus: Dank hoher Beschäftigung und steigender Löhne sind die Einkommen in den vergangenen Jahren auf breiter Front gestiegen.
Aber beim Anlegen verschenken auch die Deutschen Geld. Hierzulande liegt viel Geld auf Tagesgeldkonten oder Sparbüchern. Wegen der Nullzinsen durch die Notenbank gibt es dafür kaum oder gar keine Zinsen mehr. Und dieses Problem wird anhalten: Die Europäische Zentralbank will die Nullzinsen bis mindestens Mitte des kommenden Jahres beibehalten. Weil gleichzeitig die Inflation wieder anzieht, schwindet für Otto Normalsparer der Wert seines Vermögens schleichend. „In Deutschland arbeitet das Geld weniger für die Sparer als in anderen Ländern“, konstatierte Michael Heise.
Immerhin hat es2017 tendenziell ein Umdenken gegeben. Die Allianz spricht von einer „vorsichtigen Wende im Anlageverhalten“: Mehr Aktien, weniger Bankeinlagen bei neu angelegten Geldern. Fraglich allerdings, ob diese Entwicklung von Dauer ist. „Wenn es zu einem Rückschlag an den Börsen käme – was ich derzeit nicht erwarte – ist diese vorsichtige Wertpapierkultur wieder dahin“, befürchtet Heise.
Nach dem guten Jahr 2017 sieht die Allianz stürmischere Zeiten voraus. Für Unsicherheit würden vor allem höhere Zinsen etwa in den USA, Handelskonflikte sowie populistische Regierungen in vielen Staaten der Welt sorgen.