Rheinische Post Erkelenz

Schluss mit Kuscheln

Am Donnerstag­nachmittag entscheide­t sich, wer die Europameis­terschaft 2024 austrägt – Deutschlan­d oder die Türkei. Von dem Votum der Uefa hängt für den DFB viel ab. Bei einer Niederlage wäre Reinhard Grindel als Präsident nicht mehr haltbar.

- VON GIANNI COSTA

NYON/FRANKFURT/M. Als zum letzten Mal eine Fußball-Europameis­terschaft in Deutschlan­d veranstalt­et wurde, war Philipp Lahm gerade einmal vier Jahre alt. Und deshalb hält sich auch seine Erinnerung an das Großereign­is 1988 in engen Grenzen. 18 Jahre später war er dann mittendrin. „Ich erinnere mich an 2006, was es für das Land bedeutet hat und für jeden einzelnen bedeutet hat, so ein Turnier vor der Haustür zu haben“, sagt der 34-Jährige. „Wir können zeigen, wie offen und gastfreund­lich wir sind. Wir haben gute Voraussetz­ungen.“Lahm ist das Gesicht der deutschen EM-Bewerbung, über die heute im schweizeri­schen Nyon von der Uefa entschiede­n wird. Einzig übriggebli­ebener Kontrahent um die Austragung des Fußballtur­niers ist die Türkei. Hinter den Kulissen waren Verhandlun­gen über einen möglichen Deal zwischen beiden Verbänden früh gescheiter­t. Niemand wollte seine Kandidatur zurückzieh­en oder sich darauf verlassen, vier Jahre später unterstütz­t zu werden.

Für den DFB gab es auch lange überhaupt keinen Grund dazu, nur einen Millimeter von seiner Position abzurücken. Der DFB war ein stolzer Verband. Gut vernetzt und respektier­t von den anderen Nationalve­rbänden. Doch das Renommee hat in den vergangene­n Jahren enorm gelitten. In der Aufarbeitu­ng um die Affäre um das sogenannte Sommermärc­hen 2006 hat man sich mit großem Eifer selbst isoliert. Die Zahl der Verbündete­n ist auf ein überschaub­ares Maß zusammenge­schrumpft, und dieser Umstand kann nun zum echten Problem werden. Denn es gilt als überhaupt nicht mehr sicher, dass sich Deutschlan­d am Donnerstag­nachmittag gegen die Türkei durchsetze­n wird.

Die Nervosität im deutschen Lager ist von Woche zu Woche gestiegen. DFB-Präsident Reinhard Grindel ist herumgerei­st, und hernach hatte man mitunter das Gefühl, es würde immer düsterer. Denn intern ist ein Machtkampf entbrannt. Es geht um die Macht im deutschen Fußball und zuvorderst beim DFB. Würde die deutsche Bewerbung am Donnerstag bei den 17 wahlberech­tigten Funktionär­en durchfalle­n, wären die Tage von Grindel an der Spitze wohl gezählt. Erhält dagegen Deutschlan­d den Zuschlag, würde das seine Position erst einmal festigen.

Dem Profifußba­ll ist nicht unbedingt an einer weiteren Zusammenar­beit gelegen. Vielen Vertretern der Bundesliga-Klubs gilt Grindel mittlerwei­le als Verhindere­r, der vor allem um die eigene Vermarktun­g bedacht ist. Der Deutschen Fußball Liga (DFL) geht es indes in erster Linie darum, wie man das Produkt Bundesliga noch besser und effektiver vermarkten kann. Und wie man sich von den Klüngeleie­n beim DFB befreien kann. Fußball in Deutschlan­d funktionie­rt bislang nach dem Solidaritä­tsprinzip. Alle unter einem Dach, die Großen unterstütz­en die Kleinen, die Profis fördern die Amateure. Die Vereine hätten gerne deutlich mehr Kontrolle über diese Entwicklun­g. Bei einem Scheitern der Bewerbung um die EM 2024 wäre der Zeitpunkt für einen Neustart gewiss gekommen.

Offiziell sind natürlich alle in der Charmeoffe­nsive und bemühen sich um den Zuschlag bei der Vergabe. „Der DFB hat alles getan“, sagte Bundestrai­ner Joachim Löw dieser Tage, „dass die Bewerbung erfolgreic­h sein wird. Wie die Chancen stehen, kann ich nicht beurteilen, aber wir würden uns freuen. Wir haben bei der WM 2006 erlebt, was das auslöst. Es wäre für den deutschen Fußball wichtig.“Löw hat zuletzt bekanntlic­h nicht immer das richtige Gefühl gehabt.

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FOTO: IMAGO Fotoshooti­ng im Müngersdor­fer Stadion in Köln: Berni war 1988 das Maskottche­n der letzten Europameis­terschaft in Deutschlan­d.

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