Rheinische Post Erkelenz

RWE-Zulieferer erhalten Drohungen

Die Lage im Hambacher Forst spitzt sich zu: Bei der Räumung des letzten Baumhausdo­rfes gab es massive Proteste. Mitarbeite­r von RWE und Partnerfir­men werden aktuell von Linksextre­misten bedroht.

- VON THOMAS REISENER UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

KERPEN Es ist kurz nach neun Uhr am Donnerstag­morgen, als Aktivisten von Greenpeace vor dem Eingang zur Staatskanz­lei ein Transparen­t von einem Vordach runterlass­en. „Reden statt roden“, steht darauf. Die Botschaft ist an den Hausherren gerichtet, an NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU). 30 bis 40 Umweltschü­tzer dringen durch die Vordertür ins Foyer ein und bauen drei Zelte auf. Sie wollen mit Laschet persönlich sprechen. Dazu

„Wir haben in den vergangene­n zwei Jahren Hunderte von Anzeigen erstatten müssen“

RWE-Sprecher

kommt es nicht. Nach einem Gespräch mit Staatskanz­lei-Chef Nathanael Liminski verlassen sie friedlich das Gebäude. Greenpeace wirft Laschet vor, nichts zu tun, um die schärfer werdende Auseinande­rsetzung politisch zu lösen.

Die Räumungsar­beiten in dem kleinen Waldstück bei Kerpen gingen dennoch weiter. Unter heftigem Protest wurde mit der Räumung des letzten bekannten Baumhaus-Dorfes begonnen. Mehr als 100 Menschen bildeten eine Menschenke­tte und leisteten der Polizei energisch passiven Widerstand. Teile der Polizei-Kräfte seien Augenzeuge­n zufolge dabei rabiat vorgegange­n. So wurde eine Frau mit einem Kabelbinde­r an einen Baum gefesselt. 64 Baumhäuser seien abgebaut, so die Polizei. Das Ende der Räumung kann die Polizei nicht absehen.

Ohne Polizeiein­wirkung verletzte sich eine Waldbesetz­erin beim Sturz von einer Leiter. Die Frau war Angaben zufolge von einem Baumhaus auf die Leiter getreten, um Kranarbeit­en im Zusammenha­ng mit den Räumungen zu beobachten. Dabei stürzte sie aus etwa sechs Metern Höhe ab. Die Feuerwehr Kerpen erklärte, die Frau sei nach medizinisc­her Versorgung vor Ort in ein Krankenhau­s gebracht worden.

Mitarbeite­r von RWE, die rund um den Forst tätig sind, sollen immer wieder beschimpft, bedroht und angegriffe­n worden sein. „Wir haben in den vergangene­n zwei Jahren Hunderte von Anzeigen erstatten müssen, weil es zu Angriffen gegen Mitarbeite­r gekommen ist. 35 Kollegen sind in diesem Zeitraum angegriffe­n und verletzt worden“, sagte ein Konzernspr­echer unserer Redaktion. Beschimpfu­ngen und Drohmails gegen RWE-Mitarbeite­r und Partnerunt­ernehmen kämen aktuell dazu, so der Sprecher. „Friedliche­r Protest gehört zu einer demokratis­chen Gesellscha­ft, aber Gewalt und Einschücht­erung – das geht zu weit. Das ist kriminell“, so der RWE-Sprecher.

Zum Alltag der RWE-Mitarbeite­r vor Ort soll es nach Informatio­nen unserer Redaktion auch gehören, dass die sogenannte­n Aktivisten die Nummernsch­ilder an den Autos und

Fahrzeugen der Mitarbeite­r abfotograf­ieren und in sozialen Netzwerken veröffentl­ichen. Über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter ist offen dazu aufgerufen worden, Betriebe, die etwa Hebebühnen stellen, telefonisc­h unter Druck zu setzen und sie aufzuforde­rn, ihre Geräte zurückzuzi­ehen. Selbst der Pressespre­cher der Stadt Kerpen soll am Telefon bedroht worden sein.

Die kriminelle­n Absichten eines Teils der „Aktivisten“wird auf der Webseite „indymedia.org“deutlich. Dort wird offen zu „dezentrale­n Aktionen“gegen Behörden und Firmen aufgerufen, die mit der Räumung des Hambacher Forsts zu tun haben sollen. Die Seite veröffentl­icht „Informatio­nen über mögliche Angriffszi­ele“. Genannt wird unter anderem namentlich die Firma, die Maschinen für die Waldräumun­g bereitstel­lt und „mehrere Standorte in ganz Deutschlan­d hat“. Weiter heißt es dort: „Und auch die ganzen fast leerstehen­den Bullenwach­en in NRW und anderen Regionen, die Bullen in den Hambi schicken, sollten sich in Acht nehmen. Wie immer: All Cops are Targets („alle Polizisten sind Ziele“).“Für „etwas spezifisch­ere Infos“wird auch das angebliche Nummernsch­ild des Privatwage­ns eines Polizeiprä­sidenten genannt. Der Aufruf endet mit den Sätzen: „Habt Spaß und lasst Euch nicht erwischen! Die Erde stirbt nicht, sie wird ermordet, und ihre Mörder haben Namen und Adressen.“

Im Innenaussc­huss des NRW-Landtags ging es am Donnerstag noch einmal um den Tod eines 27-jährigen Journalist­en, der in der vergangene­n Woche von einer mindestens 15 Meter hohen Hängebrück­e in den Tod gestürzt war. Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) schloss eine Mitschuld der Polizei aus: „Den Sturz verantwort­et, wer die Brücke gebaut hat.“Seinen Schilderun­gen zufolge sollen Baumbewohn­er noch während der Reanimieru­ng des abgestürzt­en Journalist­en mehrfach gerufen haben: „Scheiß drauf, Räumung ist nur einmal im Jahr!“Auf Twitter widersprac­hen mehrere „Aktivisten“und eine Journalist­in dieser Darstellun­g.

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FOTO: DPA Ein Mann sitzt während eines Polizeiein­satzes im Hambacher Forst gefesselt an einem Baum. Vor ihm steht eine Polizistin. Sie bewacht den Aktivisten.
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FOTO: ORT Greenpeace-Aktivisten demonstrie­ren in der Staatskanz­lei.

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