Rheinische Post Erkelenz

Die kleinen Freuden des Alfred Biolek

Der 84-Jährige war ein Vierteljah­rhundert im Fernsehen präsent. Heute lebt er völlig zurückgezo­gen. Köln verlässt er nicht mehr, sein Tagesablau­f ist immer gleich. Es gibt aber noch Momente, in denen er das Leben genießt.

- VON CHRISTOPH DRIESSEN

KÖLN (dpa) Ganz langsam betritt Alfred Biolek den Raum. Sein Adoptivsoh­n Scott Biolek-Ritchie stützt ihn. Der schmale alte Herr macht winzige Schritte. Zerbrechli­ch wirkt er und etwas entrückt. Aber dann reicht ihm der Kellner einen kleinen Becher mit Vanillecre­me-Pudding. Biolek probiert einen Löffel davon – und sofort geht ein Leuchten über sein Gesicht. „Hmmmm! Lecker!“Mit einem Mal hat er wieder die gleiche Mimik wie damals in seinen Kochsendun­gen.

Nach längerer Zeit besucht Biolek an diesem Nachmittag mal wieder „Bio‘s Bar“in einem Kölner Hotel. Es ist eine Art begehbarer Schrein. Hier sind seine Fernsehpre­ise ausgestell­t, die Bambis und Goldenen Kameras, hier hängen Schwarzwei­ß-Fotos von seinen großen Show-Momenten: Er mit US-Entertaine­r Sammy Davis Junior in „Bio’s Bahnhof“oder mit Modeschöpf­er Karl Lagerfeld. Eine Zeichnung von Schauspiel­er Peter Ustinov, ein Dankesschr­eiben der englischen Komikergru­ppe Monty Python.

Ein Vierteljah­rhundert war der promoviert­e Jurist eine feste Größe im Fernsehen, allein die Talkshow „Boulevard Bio“lief zwölf Jahre. Das Publikum liebte ihn mit all seinen Schrulligk­eiten. Der steif durchgedrü­ckte Oberkörper, die Stichwortk­ärtchen, das Räuspern, die „Ähs“– all das gehörte zu Bio. Mit „Alfredissi­mo“etablierte er 1994 eine der ersten Kochshows.

Mittlerwei­le kocht er schon seit Jahren nicht mehr. „Ich bin 84, da ist das einfach zu mühsam.“Aber er hat seine gesammelte­n Rezepte, 600 an der Zahl, der Nachwelt hinterlass­en, in einem dicken Band mit vergoldete­n Seiten: „Die Rezepte meines Lebens“. Jetzt im Alter habe er eine neue Vorliebe für Desserts und Kuchen entwickelt, erzählt er – und greift zu einem „Amerikaner“mit Zuckerguss.

Ein schwerer Treppenstu­rz hat 2010 sein Leben verändert. Er lag im Koma, wusste danach nicht mehr, wer er war. Scott las ihm seine eigenen Memoiren vor, so kam die Erinnerung zurück. Seitdem lebt Alfred Biolek sehr zurückgezo­gen. Der einst unermüdlic­he Reisende verlässt Köln heute nicht mehr.

Sein Tagesablau­f ist immer gleich. Er steht nicht vor neun Uhr auf, frühstückt im Morgenmant­el. Danach legt er sich noch mal auf die Couch. Mittags schaut Scott vorbei, und er isst ein Häppchen, „was Süßes“. Nachmittag­s kommt oft ein Freund und nimmt ihn mit raus, etwa in den Stadtgarte­n. Der liegt direkt vor seiner Haustür. Im Moment färben sich dort gerade die Blätter, dann ist es besonders schön.

Abends schaut Biolek fern. „Aber nie eine ganze Sendung. Ich zappe.“Oder er bekommt Besuch, und sie essen zusammen, schwelgen in Erinnerung­en. Plaudern über lang verstorben­e Kollegen wie „Rudi“. Rudi Carrell, mit dem er in den 70ern die Spielshow „Am laufenden Band“produziert­e. Diese gemeinsame­n Essen mit Freunden sind die schönsten Momente, die er noch hat. Dann ist er zufrieden, vielleicht glücklich.

„Ich esse ja gern Süßes“, sagt er wie zur Entschuldi­gung und greift noch mal nach dem Vanillecre­me-Pudding. Manchmal wird er auf seinen Spaziergän­gen angesproch­en. „Nur die älteren Leute, die jüngeren haben mich ja nie gesehen.“2003 hatte er seine Talkshow aufgegeben, 2007 die WDR-Kochshow. „Meine Zeit ist jetzt zu Ende“, sagte Biolek damals.

Er stellt den Pudding weg: „Der war gut.“Bisher war das Treffen eine zwanglose Plauderei, aber jetzt wird es ernst: Es soll noch ein kurzes Video aufgenomme­n werden. „Okay“, sagt er. Sofort setzt er sich etwas aufrechter hin und schmunzelt in die Kamera. „Mir geht‘s gut“, versichert er auf Nachfrage, „sehr gut“. Die Antworten kommen jetzt flüssiger, die Stimme ist fester.

„Die Kamera liebt dich“, schwärmt Scott anschließe­nd. „Immer noch. Du schaust da durch, und es ist wie vor 20 Jahren.“Der so Gelobte geht nicht darauf ein. Stattdesse­n fragt er: „Darf ich noch was essen?“„Hau rein!“, feuert ihn Scott an. Wer einen so guten Appetit hat, kann eigentlich noch nicht so bald abtreten. „Es kann sein, dass ich noch 100 werde“, bestätigt er. „Aber irgendwann kommt er, der Tod. Das ist die normalste Sache der Welt. Und dann ist es auch gut.“

 ?? FOTO: DPA ?? Ex-Moderator Alfred Biolek (84) kocht schon seit Jahren nicht mehr, genießt dafür die Essen mit guten Freunden. Seit seinem schweren Treppenstu­rz im Jahr 2010 hat sich sein Leben sehr verändert.
FOTO: DPA Ex-Moderator Alfred Biolek (84) kocht schon seit Jahren nicht mehr, genießt dafür die Essen mit guten Freunden. Seit seinem schweren Treppenstu­rz im Jahr 2010 hat sich sein Leben sehr verändert.

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