Rheinische Post Erkelenz

Die Folgen der Aufspaltun­g

Die Börse feiert die Aufspaltun­g von Thyssenkru­pp. Einen weiteren Stellenabb­au soll es nicht geben. Sonst bekommt Guido Kerkhoff die Pläne auch nicht durch den zerstritte­nen Aufsichtsr­at. Hier haben die Arbeitnehm­er die Mehrheit.

- VON ANTJE HÖNING

ESSEN Die Mitarbeite­r von Thyssenkru­pp sind einiges gewohnt: Existenzso­rgen, Strategiew­echsel, Rücktritte. Nun überrascht Interimsch­ef Guido Kerkhoff sie mit einer neuen Volte: Er will den Konzern zerlegen: in die „Thyssenkru­pp Materials AG“, in die unter anderem Problemkin­der wie Marine und Stahl ausgelager­t werden sollen, und die „Thyssenkru­pp Industrial­s AG“, die Perlen wie das Aufzugs-Geschäft bekommt. Noch bevor Kerkhoff die Pläne am Sonntag dem Aufsichtsr­at vorstellen kann, sickerten sie durch. Und so musste der Konzern am Donnerstag vorzeitig an die Öffentlich­keit.

Beide Unternehme­n sollen Thyssenkru­pp im Namen tragen und ihren Sitz in Essen haben, kündigte Kerkhoff an. Darüber soll es keine Holding mehr geben. 90.000 Mitarbeite­r sollen in die Thyssenkru­pp Industrial­s AG gehen. Diese soll aus dem Aufzugs- und Autozulief­er-Geschäft so wie dem Kernanlage­nbau bestehen. 40.000 Mitarbeite­r gehen in die Thyssenkru­pp Materials AG, zu der der Werkstoffh­andel, das Marineund Schmiede-Geschäft sowie die 50-prozentige Beteiligun­g am Stahl-Joint Venture mit Tata gehören. Die Folgen:

Für Mitarbeite­r Ein Stellenabb­au soll mit der Aufspaltun­g nicht verbunden sein, betonte Kerkhoff. Allerdings werde das laufende Sparprogra­mm in der Verwaltung fortgesetz­t. „Bei der Verwaltung müssen eins und eins weniger sein als zwei“, sagte der Betriebswi­rt. Die mächtige IG Metall gibt grünes Licht. „Die Arbeitnehm­ervertrete­r stehen hinter den Plänen des Vorstands“, so IG Metall-Sekretär Markus Grolms zur Agentur Reuters. „Damit wird eine Zerschlagu­ng von Thyssenkru­pp verhindert. Einen Ausverkauf von Geschäften wird es nicht geben.“Grolms ist derzeit der wichtigste Mann im Aufsichtsr­at: Er führt das Gremium, seit Ulrich Lehner das Handtuch geworfen hat und es dem Konzern bisher nicht gelungen ist, einen Nachfolger zu finden. Laut Branchenkr­eisen soll sich Ex-RWE-Chef Jürgen Großmann intensiv angeboten haben. Großmann ließ erklären, das treffe nicht zu. Wie auch immer: Aktuell stellen die Arbeitnehm­er mit zehn Sitzen die Mehrheit im Aufsichtsr­at, auf der Kapitalsei­te sind zwei Sitze vakant.

Für die Aktionäre In den nächsten zwölf bis 18 Monaten sollen die Aktionäre auf einer Hauptversa­mmlung über die Aufspaltun­g entscheide­n. Diese soll so erfolgen: Die Aktionäre werden zu 100 Prozent Aktionäre von Thyssenkru­pp Materials und bekommen zudem Anteile an der neuen Thyssenkru­pp Industrial­s ins Depot gelegt. Materials erhält zugleich eine Beteiligun­g an Industrial­s. Nach dem Strickmust­er wurde auch Innogy von RWE abgespalte­n. Kerkhoff betonte, es sei keine Kapitalerh­öhung geplant. Beide Firmen bekämen aber einen eigenständ­igen Zugang zum Kapitalmar­kt. Die Börse reagierte begeistert: Die Aktie

sprang um zehn Prozent hoch und ging mit 22 Euro aus dem Handel.

Für die Großaktion­äre In den vergangene­n Wochen hatte es eine beispiello­se Schlacht der Großaktion­äre um die Neuausrich­tung gegeben. Die Krupp-Stiftung, mit 21 Prozent der größte Aktionär, signalisie­rte nun Zustimmung: „Die Stiftung ist dem Unternehme­nswohl verpflicht­et und wird sich keiner Lösung verschließ­en, die eine gute Balance aus Sicherung von nachhaltig­er Wettbewerb­sfähigkeit und Sicherung zukunftsfä­higer Arbeitsplä­tze gewährleis­tet.“Auch der Investor Cevian dürfte zustimmen. Er drängt seit langem auf eine Aufspaltun­g. Lehner und der frühere Vorstandsc­hef Heinrich Hiesinger hatten diese abgelehnt. Auch Guido Kerkhoff, unter Hiesinger noch Finanzvors­tand, war dagegen. Seit er Interims-Chef ist, sieht er die Dinge offenkundi­g anders. Er sagte, die Teilung des Konzerns sei im Wesentlich­en nach Hiesingers Rücktritt ausgearbei­tet worden. Ob und welches der beiden Unternehme­n er künftig führen, habe er nicht zu entscheide­n. Er betonte: „Der Vorstand hat geltende Verträge.“

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QUELLE: UNTERNEHME­N | FOTO: DPA | GRAFIK: FERL Thyssenkru­pp Industrial­s AG Thyssenkru­pp Materials AG

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