Rheinische Post Erkelenz

Das Fixerelend vom Bahnhof Zoo

1978 rüttelte die Geschichte der jungen heroinsüch­tigen Christiane F. die Bundesrepu­blik auf.

- „Die einen lernen damit zu leben, die anderen verrecken daran“, schrieb Christiane F. später über ihre Zeit als junge Drogenabhä­ngige.

BERLIN (dpa) „Christiane F., 16 Jahre alt, war eine von etwa 10.000 Heroinsüch­tigen in Berlin“– so knapp begann am 28. September 1978 in der Zeitschrif­t „Stern“die Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, die Millionen Menschen erschütter­te. Es ging um das Schicksal eines Mädchens, das mit zwölf erstmals Hasch rauchte, mit 13 Heroin spritzte und mit 14 auf den Kinderstri­ch ging. Was ist 40 Jahre nach dem Sensations­erfolg der Geschichte aus den Beteiligte­n geworden?

Christiane Felscherin­ow, so ihr voller Name, hatte die Hölle hinter sich, als die Serie erschien. Drei ihrer besten Freunde vom Bahnhof Zoo waren schon gestorben. Sie selbst entkam der Sucht für einige Jahre, geriet aber bald wieder in den zermürbend­en Kreislauf von Rückfall und Enttäuschu­ng, neuer Hoffnung und noch schlimmere­m Elend. 2013 macht sie noch einmal Schlagzeil­en, als sie unter dem Titel „Mein zweites Leben“ihre Autobiogra­fie herausbrin­gt. Demnach lebt sie zum damaligen Zeitpunkt außerhalb Berlins im Brandenbur­gischen. Trotz ihrer Leberzirrh­ose konsumiert sie Alkohol und Haschisch. Auch das Methadon macht ihr zu schaffen, das sie seit 20 Jahren in einem Drogenersa­tzprogramm bekommt.

„Die einen lernen, damit zu leben, die anderen verrecken daran. Es ist ein schmaler Grat dazwischen“, schreibt sie in ihrem Buch. Der Wirbel durch die neue Veröffentl­ichung zehrt schnell alle Kräfte auf. „Ich verabschie­de mich“, erklärt sie vier Monate später auf ihrer Website. „Ich bin eine kranke Frau Anfang 50.“Seither hat sich Felscherin­ow nicht mehr in der Öffentlich­keit geäußert. Sogar mit engen Weggefährt­en etwa in der nach ihr benannten „F Foundation“zur Suchtpräve­ntion gibt es immer wieder Funkstille.

Reporter Kai Hermann hatte den erschütter­nden Bericht mit Horst

Rieck geschriebe­n. Und auch wenn Hermann Jahrzehnte als politische­r Reporter weltweit unterwegs war, blieb er jungen Außenseite­rn verbunden. „Ich wollte immer auf der Seite derjenigen sein, auf deren Seite kein anderer war.“

Die Geschichte der „Kinder vom Bahnhof Zoo“machte vielen Deutschen Ende der satten siebziger Jahren erstmals bewusst, was sich mit Drogenhand­el, Kinderpros­titution und Fixerelend in den dunkelsten Ecken der Republik abspielte.

Für neues Aufsehen sorgte 1981, drei Jahre später, die Verfilmung durch Regisseur Uli Edel und Produzent Bernd Eichinger. So gnadenlos realistisc­he Bilder aus der Drogenszen­e waren bisher im Kino nicht zu sehen. Hauptdarst­ellerin Natja Brunckhors­t, die als 13-Jährige auf dem Schulhof entdeckt worden war, musste als etwa minutenlan­g spielen, wie sich Christiane F. im kalten Entzug übergibt.

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FOTO: ULLSTEIN

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