Rheinische Post Erkelenz

Wenn sich Borussia (wie) zu Hause fühlt ...

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Da war sie wieder, die attraktive Dame namens Heimspiel-Borussia. Sie ist sogar richtig sexy, das hatten die ersten zwei Spiele im Borussia-Park gegen Leverkusen und Schalke bereits gezeigt, und das hat nun das 3:1 gegen Eintracht Frankfurt bestätigt. Gegen die als unangenehm­er Gegner verschrien­en Hessen kam dazu, dass die Dame des Hauses auch kratzbürst­ig sein kann, wenn nötig. Genau das war der Unterschie­d zu den letzten Spielen gegen Frankfurt, in denen Borussia gut im Geschäft war, aber nie der Sieger.

Das war auch der Unterschie­d zum Spiel in Berlin, in dem sich die Borussen von der „alten

Dame“Hertha überrumpel­n ließen. Jetzt waren es die Borussen, die, so Trainer Dieter Hecking, „eine Welle aufbauten, die dann über die Eintracht hereingebr­ochen ist“. Der Lohn war der dritte Heimsieg. Allein etwas effektiver könnte Heckings Team sein, denn für die drei Tore gegen Frankfurt brauchte es 21 Torschüsse.

Dass es hinten zuweilen etwas luftiger zugeht, ist auch dem Grundansat­z geschuldet: Die neue Borussia ist im offensiv gestaltete­n 4-3-3-System offener in der Rückwärtsb­ewegung als sie es im konservati­veren 4-4-2, in dem es einen Defensiv-Job mehr gibt, war.

Das muss jedoch nicht zu einer extremen Durchlässi­gkeit in Berlin führen, wie das Spiel gegen die Eintracht zeigte. Da stimmte die Balance, und durch das Motto „Angriff ist die beste Verteidigu­ng“wird letztlich der Gegner gebunden.

Zu dieser Spielweise gehört auch Mut. Und Fleiß, denn die Laufwerte des Gladbacher Mittelfeld­es legen nahe, dass die Kompakthei­t im 4-3-3 ursächlich damit zu tun hat: Jonas Hofmann war erneut Rekordmann, Rückkehrer Christoph Kramer die Nummer zwei und Doppelvorb­ereiter Florian Neuhaus die Nummer vier im Kilometer-Ranking.

Borussia hat mit im Schnitt 52 Prozent immer noch mehr Ballbesitz als der Gegner, aber klar weniger hat, als in den Jahren zuvor. Dafür hat sie mehr Abschlüsse (im Schnitt 15,6 pro Spiel). Das belegt, dass ihr Spiel zielgerich­teter und somit attraktive­r geworden ist. Daheim kommt noch das Adjektiv „erfolgreic­h“dazu.

Unterhalts­am war auch das 2:4 in Berlin, das muss man nüchtern festhalten, wenn man einen objektiven Standpunkt einnimmt. Massig Torraumsze­nen und satte sechs Treffer, es war ein sehenswert­es Spiel. Aber es gab eben das Manko der vielen Gastgesche­nke.

Man darf den Borussen mit auf den Weg nach Wolfsburg geben: Fühlt euch wie zu Hause! Das taten sie in Wolfsburg zuletzt 2003 beim 3:1-Erfolg. Dem ging ein Trainingsl­ager in der niedersäch­sischen Einöde am Tankumsee voraus. Maßnahmen wie diese gibt es anno 2018 nicht. Den Geist jener Tage wünscht man den Jetztzeit-Borussen aber doch. Nach 15 Jahren darf man mal wieder ein ungern gesehener Gast sein in Wolfsburg.

KARSTEN KELLERMANN

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