„Wir konnten uns damals nicht durchsetzen“
Warum eskaliert die Gewalt beim Thema Hambacher Forst?
MONA NEUBAUR Der übergroße Anteil der Proteste ist friedlich, zum Teil sehr bürgerlich, Tausende beteiligen sich gewaltfrei. Wenn ein Konflikt eskaliert, gibt es selten einen Schuldigen, sondern mehrere Faktoren tragen dazu bei. Wir Grüne haben seit Monaten an alle Seiten appelliert, keine Gewalt auszuüben. Für uns galt und gilt: Wer Steine, Molotowcocktails oder Fäkalien auf Polizisten oder RWE-Mitarbeiter wirft, wer Brandstiftung begeht, der verabschiedet sich aus dem demokratischen Diskurs. Wer so etwas tut, ist kriminell. Klar ist aber auch: Die Rhetorik und Handlungen des Innenministers haben nichts zur Beruhigung der Lage beigetragen. Er kriminalisiert tausende friedliche Demonstranten, die einen Stopp der Kohle und Klimaschutz fordern.
Was stoppt die Eskalation? NEUBAUR Es muss Ruhe in die Angelegenheit kommen, deshalb fordern wir ein Rodungsmoratorium für den Hambacher Wald. Friedliche Proteste müssen ermöglicht, anerkannt und ernst genommen werden.
Warum planen Sie eine Parteiveranstaltung am Hambacher Forst? NEUBAUR Beim Landesparteirat diskutieren wir über die Zukunft der Energieversorgung. Dazu wollen wir an jenem Ort beraten, an dem der Konflikt um die Klima-Katastrophe in den vergangenen Wochen an einem Symbol überdeutlich geworden ist. Dieser Parteitag trägt diese Diskussionen geregelt aus – ohne Eskalation. Wir diskutieren den Konflikt dort, wo er hingehört: auf der politischen Bühne.
Experten sagen, der Hambacher Forst sei wegen der Sümpfungen im Umfeld und anderer Maßnahmen ohnehin nicht mehr zu retten ... NEUBAUR ... ob der Wald gerettet werden kann, ist zunächst eine Frage des politischen Willens. Wenn es jetzt kein Rodungsmoratorium gibt, beantworten die Kettensägen von RWE diese Frage. Dann ist der Wald weg. Mit einem ambitionierten Ausstiegsszenario bis 2030 bräuchte man nur noch rund 15 Prozent der verfügbaren Fördermenge. Das hätte aus unserer Sicht auch Auswirkungen auf die Kohle unter dem Wald. Darüber hinaus gibt es auch aus der Braunkohlewirtschaft Widerspruch an der technischen Darstellung RWEs, dass eine Rodung aufgrund der Böschungslage notwendig ist.
Warum haben die damals mitregierenden Grünen die Abholzung von Hambach in der jüngsten Leitentscheidung nicht verhindert? NEUBAUR Bei der politischen Grundsatzentscheidung 2014 ging es in erster Linie darum, Umsiedlungen im Abbaugebiet Garzweiler II zu verhindern. Den Grünen ist es damals gelungen, dass 1400 Menschen in ihrer Heimat bleiben konnten. Damit verbunden war das Zugeständnis, dass die Abbaugenehmigung für Hambach aus den 1970er Jahren unangetastet bleibt. Zu diesem Kompromiss stehen wir nach wie vor, denn nur so konnten erstmals und bisher einmalig in Deutschland die Abbaugrenzen eines genehmigten Braunkohlentagebaus verkleinert werden. Zur Wahrheit gehört auch, dass wir Grüne bereits zu Beginn der Verhandlungen 2014 es nicht mehr als energiepolitisch notwendig ansahen, die beschlossenen Fördermengen im Rheinischen Revier komplett abzubauen. Mit dieser Forderung konnten wir uns leider nicht gegen die SPD durchsetzen.