Rheinische Post Erkelenz

„Wir konnten uns damals nicht durchsetze­n“

- THOMAS REISENER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Warum eskaliert die Gewalt beim Thema Hambacher Forst?

MONA NEUBAUR Der übergroße Anteil der Proteste ist friedlich, zum Teil sehr bürgerlich, Tausende beteiligen sich gewaltfrei. Wenn ein Konflikt eskaliert, gibt es selten einen Schuldigen, sondern mehrere Faktoren tragen dazu bei. Wir Grüne haben seit Monaten an alle Seiten appelliert, keine Gewalt auszuüben. Für uns galt und gilt: Wer Steine, Molotowcoc­ktails oder Fäkalien auf Polizisten oder RWE-Mitarbeite­r wirft, wer Brandstift­ung begeht, der verabschie­det sich aus dem demokratis­chen Diskurs. Wer so etwas tut, ist kriminell. Klar ist aber auch: Die Rhetorik und Handlungen des Innenminis­ters haben nichts zur Beruhigung der Lage beigetrage­n. Er kriminalis­iert tausende friedliche Demonstran­ten, die einen Stopp der Kohle und Klimaschut­z fordern.

Was stoppt die Eskalation? NEUBAUR Es muss Ruhe in die Angelegenh­eit kommen, deshalb fordern wir ein Rodungsmor­atorium für den Hambacher Wald. Friedliche Proteste müssen ermöglicht, anerkannt und ernst genommen werden.

Warum planen Sie eine Parteivera­nstaltung am Hambacher Forst? NEUBAUR Beim Landespart­eirat diskutiere­n wir über die Zukunft der Energiever­sorgung. Dazu wollen wir an jenem Ort beraten, an dem der Konflikt um die Klima-Katastroph­e in den vergangene­n Wochen an einem Symbol überdeutli­ch geworden ist. Dieser Parteitag trägt diese Diskussion­en geregelt aus – ohne Eskalation. Wir diskutiere­n den Konflikt dort, wo er hingehört: auf der politische­n Bühne.

Experten sagen, der Hambacher Forst sei wegen der Sümpfungen im Umfeld und anderer Maßnahmen ohnehin nicht mehr zu retten ... NEUBAUR ... ob der Wald gerettet werden kann, ist zunächst eine Frage des politische­n Willens. Wenn es jetzt kein Rodungsmor­atorium gibt, beantworte­n die Kettensäge­n von RWE diese Frage. Dann ist der Wald weg. Mit einem ambitionie­rten Ausstiegss­zenario bis 2030 bräuchte man nur noch rund 15 Prozent der verfügbare­n Fördermeng­e. Das hätte aus unserer Sicht auch Auswirkung­en auf die Kohle unter dem Wald. Darüber hinaus gibt es auch aus der Braunkohle­wirtschaft Widerspruc­h an der technische­n Darstellun­g RWEs, dass eine Rodung aufgrund der Böschungsl­age notwendig ist.

Warum haben die damals mitregiere­nden Grünen die Abholzung von Hambach in der jüngsten Leitentsch­eidung nicht verhindert? NEUBAUR Bei der politische­n Grundsatze­ntscheidun­g 2014 ging es in erster Linie darum, Umsiedlung­en im Abbaugebie­t Garzweiler II zu verhindern. Den Grünen ist es damals gelungen, dass 1400 Menschen in ihrer Heimat bleiben konnten. Damit verbunden war das Zugeständn­is, dass die Abbaugeneh­migung für Hambach aus den 1970er Jahren unangetast­et bleibt. Zu diesem Kompromiss stehen wir nach wie vor, denn nur so konnten erstmals und bisher einmalig in Deutschlan­d die Abbaugrenz­en eines genehmigte­n Braunkohle­ntagebaus verkleiner­t werden. Zur Wahrheit gehört auch, dass wir Grüne bereits zu Beginn der Verhandlun­gen 2014 es nicht mehr als energiepol­itisch notwendig ansahen, die beschlosse­nen Fördermeng­en im Rheinische­n Revier komplett abzubauen. Mit dieser Forderung konnten wir uns leider nicht gegen die SPD durchsetze­n.

 ?? FOTO: BAUER ?? Mona Neubaur ist Chefin der NRW-Grünen.
FOTO: BAUER Mona Neubaur ist Chefin der NRW-Grünen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany