Borussia kann sich selbst ein Vorbild sein
Trainer Dieter Hecking schaut nicht auf Augsburg, Hertha oder Ajax. Er weiß, was es braucht, damit sein Team in München etwas holt.
Die Fußballtrainer Manuel Baum, Pal Dardai oder Erik ten Hag haben mit ihren Mannschaften vorgemacht, wie man es hinkriegt, dem FC Bayern des neuen Trainers Nico Kovac Punkte abzunehmen. Baum mit dem FC Augsburg (1:1), Dardai, wie Baum in der Bundesliga, mit Hertha BSC (2:0) und ten Hag mit Ajax Amsterdam (1:1) in der Champions League. Doch Borussias Cheftrainer Dieter Hecking wird diese Spiele nicht als Blaupausen nehmen für das Spiel seines Teams beim Rekordmeister am Samstag. „Es ist immer schwierig, sich bei anderen Mannschaften, die es gut gegen die Bayern gemacht haben, etwas abzuschauen. Ajax hat es gut gemacht, auch Berlin und Augsburg zuvor, doch jedes dieser drei Teams hat es auf seine bestimmte Art und Weise gelöst“, sagte Hecking. Er will nichts kopieren, er will ein Original haben. „Wir müssen den Ansatz finden, der zu uns passt“, sagte Hecking.
Das heißt, sein Team wird nicht mauern, sondern versuchen, selbst aktiv zu sein. „Ich werde versuchen, meine Mannschaft so einzustellen, dass sie mutig auftritt, viel Leidenschaft zeigt und alles abrufen wird, was sie in den ersten Spielen dieser Saison gezeigt hat“, sagte Hecking. Dazu gehört ein neuer Offensivgeist, den er seiner Mannschaft verordnet hat. 46 Chancen haben die Borussen laut des Fachmagazins „Kicker“in den ersten sechs Spielen kreiert, nur der FC Bayern war in dieser Disziplin aktiver. 53 Möglichkeiten hatten die Bayern. Da beide Teams zwölf Tore erzielt haben, ist Gladbach sogar effektiver als der Meister.
Worauf es in München ankommen wird? „Wir müssen mutig sein“, hatte Mittelfeldspieler Christoph Kramer gesagt. „Mut“ist ein großes Wort und muss erst einmal mit Leben gefüllt werden. Was Spiele bei den Bayern angeht, meint es vor allem, dass man sich nicht hinten einigeln will, denn der FC Bayern ist mit seinen starken Individualisten immer
„Ich spüre, dass die Bayern nachdenken. Und das kennt man in München nicht.“
Dieter Hecking
Trainer Borussia Mönchengladbach
in der Lage, eine massive Abwehr aufzureiben. „Man muss schon die erste Welle stoppen“, rät Kramer, was bedeutet: Wer die Bayern schon in der eigenen Hälfte attackiert, der kann sie durchaus damit ärgern.
Jonas Hofmann, als Achter dazu da, dem Gegner weit vorn zuzusetzen, ist sich sicher, dass die Borussen mit ihrem 4-3-3-System die Münchener ärgern können. Hofmann, der zuletzt ein explizites Lob von Bundestrainer Joachim Löw bekam, und vielleicht dabei ist, wenn der Kader für die Spiele gegen die Niederlande (13. Oktober) und Frankreich (16. Oktober) in der Nations League am Freitag bekannt gegeben wird. „Es ist doch klar, dass mich solche Sätze puschen. Man wird dadurch noch zielstrebiger“, sagte Hofmann. Wer an einem Sieg bei den Bayern beteiligt ist, macht mithin noch mehr auf sich aufmerksam.
Hecking warnt indes davor, die dreimalige Sieglosigkeit der Bayern als Indiz dafür zu nehmen, dass es leichter wird also sonst, in München zu punkten. „Das wäre eine fatale Schlussfolgerung“, stellte der 54-Jährige klar. Und der reinen Logik folgend wird es sogar mit jedem nicht gewonnenen Bayern-Spiel wahrscheinlicher, dass die Münchener wieder gewinnen. Trotzdem definiert Hecking die Situation des kommenden Gegner als „eine neue“: „Ich spüre, dass sie nachdenken. Und das kennt man in München nicht“, sagte Hecking am Donnerstag. „Sie merken, dass etwas nicht passt und sind auf der Suche danach, was es ist. Man hört raus, dass sie nach der Leichtigkeit suchen. Damit müssen sie lernen, umzugehen.“
Es gibt allerdings auch die These jener Borussen, die sich, zu Recht, daran erinnern, dass sich Gladbach in der Vergangenheit gegen kriselnde Konkurrenten gern mal als Aufbaugegner erwiesen hat. Wie in der Saison 2016/17, als es bei Schalke ein 0:4 gab, obwohl der Gegner vorher fünfmal verloren hatte. „Man weiß, dass die Leichtigkeit in München schnell wieder da sein kann“, sagte Hecking. Er hat in seiner Laufbahn schon das eine oder andere unschöne Erlebnis gegen die Bayern gehabt, mit Wolfsburg gab es zweimal ein 1:6, ein 1:5 hat er sowohl mit Hannover, Wolfsburg und Borussia erlebt.
Letzteres passierte Mitte April. Einmal, weil zwei Drittel des Spiels der beste Anschauungsunterricht dafür waren, wie man das Spiel bei den Bayern nicht angehen darf. Doch in der ersten halben Stunde, an deren Ende die 1:0-Führung stand, belegte, wie es gehen kann. „Da haben wir all das umgesetzt, was nötig ist“, sagte Hofmann. „Vielleicht schauen wir uns die Videos nochmal an.“Sich selbst als Vorbild zu nehmen, kann nicht schaden. Schließlich hat man dann im Grundsatz das nötige Knowhow.