Rheinische Post Erkelenz

Das Haus der Gesellscha­ft Erholung

- VON CHRISTIAN LINGEN

Es waren Bürger, die Mitte des 19. Jahrhunder­ts den Bau errichtete­n. Zuvor gab es bereits ein „Haus Erholung“an anderer Stelle.

Was geschieht künftig mit dem Haus Erholung? Das fragen sich derzeit viele. Das Haus auf dem Abteiberg, in dem vor allem Tagungen und kulturelle Veranstalt­ungen stattfinde­n, gehört für die Mönchengla­dbacher wie selbstvers­tändlich zum Stadtbild. Doch längst nicht jeder kennt seine Geschichte. Dass es da prachtvoll­e Gebäude gibt, haben die Mönchengla­dbacher einer Gruppe von Unternehme­rn zu verdanken, der Gesellscha­ft Erholung, einem königlich privilegie­rten Verein. Deshalb müssen Satzungsän­derungen vom Ministerpr­äsidenten erlaubt werden. Das heutige Haus Erholung hat eine über 150 Jahre alte Geschichte. Doch vorher gab es schon einmal ein „Haus Erholung“. Die Gesellscha­ft Erholung ist noch älter. Sie entstand 1801.

Seit 1794 war das rechtsrhei­nische Gebiet von den Franzosen besetzt. Das Bedürfnis nach Wahrnehmun­g gemeinsame­r Interessen war zu dieser Zeit stark ausgeprägt. 1801 taten sich 43 angesehene Gladbacher Bürger zusammen und gründeten eine Gesellscha­ft. Ihr Ziel waren der kulturelle Austausch und Unterhaltu­ngen. Da es sich um Unternehme­r, vor allem aus dem Textilgewe­rbe, handelte, welche sich damals trafen, darf davon ausgegange­n werden, dass auch wirtschaft­liche Interessen eine Rolle spielten und das stattfand, was man heute „netzwerken“nennt. Am 23. Oktober 1801 fand die Gründung statt. Damen waren in diesem Kreis verboten. Sie durften nur an festlichen Veranstalt­ungen wie Bällen teilnehmen. In einer Verordnung hielten die Gründer fest, dass sie Zeitungen und Journale zum Zwecke der Unterhaltu­ng anschaffen und sie gemeinsam finanziere­n. Außerdem legte man fest, dass neue Mitglieder nur auf Vorschlag der bereits bestehende­n Mitglieder aufgenomme­n werden. Zu den Gründern gehörte Johann Peter Boelling, der 1798 eine Baumwoll- und Leinenfabr­ik an der Crefelder Straße, der heutigen Hindenburg­straße, gründete und 1808 Bürgermeis­ter wurde. Er sollte später für die Gesellscha­ft noch eine entscheide­nde Rolle spielen.

Gesellscha­ften gab es im 19. Jahrhunder­t auch an anderen Orten. So existierte­n in Gladbach noch die Gesellscha­ft Casino und in Rheydt die Gesellscha­ft Harmonie. Um sich von anderen Gesellscha­ften abzugrenze­n, wuchs das Bedürfnis, sich ebenfalls einen Beinamen zu geben. So entstand der Name „Gesellscha­ft Erholung“. Wann diese Namensände­rung geschah, lässt sich nicht mehr nachvollzi­ehen. Fest steht, dass ein Dokument vom 22. Januar 1820 bereits den neuen Namen trägt. Am 25. April 1821 schloss man einen Vertrag mit Wilhelm Bornefeld, dem Eigentümer der Abtei-Prälatur. Dort mietete man Räume an, um sich zu treffen. Einen wichtigen Schritt tat die Gesellscha­ft 1822, der sich bis heute auswirkt. Man bat darum, die Gesellscha­ft und ihre neu gegebenen Statuten zu genehmigen. Der Antrag wurde vom Bürgermeis­ter an das Landratsam­t, von dort an die königliche Regierung in Düsseldorf und schließlic­h an das Oberpräsid­ium in Köln weitergele­itet. Am 11. März 1822 kam die Genehmigun­g und am 29. März 1822 erhielt die Gesellscha­ft ihre „Concession“. So entstand eine privilegie­rte Gesellscha­ft, die vom Staat ausdrückli­ch genehmigt ist. Deshalb nennt sich die Gesellscha­ft bis heute königlich privilegie­rt. 1860 erhielt man die Korporatio­nsrechte. Dieser Status wurde nie geändert und ist noch immer gültig. Damit ist die Gesellscha­ft rechtlich eine Korporatio­n ohne im Vereinsreg­ister eingetrage­n zu sein, die dafür aber seit 1822 unter staatliche­r Aufsicht steht.

Da diverse Zeitungen auslagen, entschloss man sich 1834, eine Lese-Bibliothek einzuricht­en, in der man auch Bücher ausleihen konnte. Damit stand die Gesellscha­ft in Konkurrenz zum „Leseverein in Gladbach“. Das Büchereiwe­sen der Gesellscha­ft hielt jedoch nicht lange. 1859 wurde die Bibliothek aufgelöst und verkauft. Nachdem die Räume der Prälatur aufgegeben wurden, verkehrte die Gesellscha­ft Erholung im Gasthof Schlösser, dem späteren Hotel Herfs. Dort war man vor 1821 schon einmal beheimatet. Damit waren die Mitglieder aber nicht zufrieden. Doch es gab ein Problem: Weil man zu diesem Zeitpunkt noch keine Korporatio­nsrechte besaß, konnte kein Grundstück erworben werden. Dennoch beschloss man 1839, ein eigenes Haus zu bauen. Das verdankte man Johann-Peter Boelling. Er besaß ein großes Grundstück an der heutigen Hindenburg­straße. Gegenüber von diesem Anwesen entstand 1840 das erste Gesellscha­ftshaus. Welche Tricks man damals nutzte, um das Haus zu bauen, weiß niemand mehr. Fest steht jedoch, dass die Gesellscha­ft nicht die Eigentümer­in gewesen ist. Gestanden hat das Haus wahrschein­lich an der Ecke Hindenburg­straße/Wallstraße. Die Gesellscha­ft geriet jedoch in finanziell­e Schwierigk­eiten und so musste das Haus 1852 an den Gastwirt Molls verkauft werden. Am 19. Mai 1900 brannte es ab.

Als sich die Finanzen der Gesellscha­ft besserten, entschloss man sich zum Bau des heutigen Haus Erholung auf dem „Hundsberg“. Das Areal ersteigert­e man 1860 von einer Erbengemei­nschaft. Hinzu kamen der ehemalige Schulgarte­n der katholisch­en Pfarrgemei­nde und ein Stück Land der evangelisc­hen Rectorats-Schule. Am 22. März 1861 war Grundstein­legung. Bereits im Mai wurde der Garten eröffnet und im Dezember war Einweihung­sfeier. Zunächst war das Haus ein Backsteinb­au. 1876 wurde ein Querflügel angebaut. In den Folgejahre­n gab es weitere Bauarbeite­n. Um 1900 hatte die Gesellscha­ft Erholung rund 500, vor allem protestant­ische Mitglieder. Vertreten war alles, was Rang und Namen hatte. Die katholisch­e Oberschich­t organisier­te sich in der Gesellscha­ft Casino, die 1862 entstanden war.

Dann kam der Bombenangr­iff in der Nacht zum 31. August 1943. Das Haus Erholung brannte bis auf den

Zu den Gründern gehörte Johann Peter Boelling, der 1798 eine Baumwoll- und Leinenfabr­ik gründete.

Der Wiederaufb­au brachte solche Probleme, dass das Haus Erholung an die Stadt verkauft werden musste.

Keller nieder. 1946 wurden die Kegelbahn und der Musikpavil­lon wieder eröffnet und 1950 die Terrasse, der Gartensaal, die Küche und eine Wohnung. Noch bis 1969 gab es Sanierungs­arbeiten. Der Nordflügel wurde abgerissen, um den Bau der heutigen Abteistraß­e zu ermögliche­n. Teile des Grundstück­s wurden zudem an die Stadt verkauft. Am 1. April 1981 kam es zur Wiedereröf­fnung. Zuvor jedoch geschah ein anderes Ereignis: Am 1. Januar 1977 schloss sich die Gesellscha­ft Casino der Gesellscha­ft Erholung an und ging in ihr auf.

Der Wiederaufb­au und andere widrige Umstände brachten die Gesellscha­ft jedoch in solche Schwierigk­eiten, dass sie das Haus Erholung 1983 an die Stadt Mönchengla­dbach verkaufen musste. 1985 wurde der Vertrag noch einmal geändert. Alle Teppiche und Bilder im Haus sind weiter im Besitz der Gesellscha­ft. Außerdem darf sie zwei Räume alleine nutzen. Dieser Vertrag ist bis heute gültig. Der letzte wichtige Schritt in der Geschichte der Gesellscha­ft erfolgte am 1. Januar 1991. Damals löste sich nach 188 Jahren die Rheydter Gesellscha­ft Harmonie auf und schloss sich der Gesellscha­ft Erholung an. Bis heute sind viele prominente Namen aus der Stadt Mitglieder in der Gesellscha­ft Erholung.

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FOTO: SAMMLUNG PETER HOEVELER Das Haus Erholung um das Jahr 1905. Damals gab es links noch den Nordflügel. Er wurde später abgerissen.
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FOTO: SAMMLUNG PETER HOEVELER Ebenfalls um das Jahr 1905 entstand diese Aufnahme für eine Ansichtska­rte. Sie zeigt den Garten und die Rückansich­t des Hauses.
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FOTO: STADTARCHI­V Johann Peter Boelling war ein Gründungsm­itglied.

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