„Der Brexit bringt Frankfurt 8000 Jobs“
Der Chef der DZ Bank spricht über die wirtschaftspolitischen Probleme Europas und die Zukunft der Bank.
FRANKFURT Wolfgang Kirsch ist der dienstälteste unter den Chefs der großen deutschen Banken. Seit zwölf Jahren führt er die DZ Bank und ist damit nur ein Jahr weniger im Amt als die Kanzlerin. Kirsch hört im Dezember auf. Wir trafen ihn vor der Landtagswahl in Hessen.
Herr Kirsch, Wahlen in Deutschland wie jüngst in Bayern und davor im Bund lösen derzeit regelmäßig mittlere Erdbeben aus. Ist die Wirtschaft verunsichert?
KIRSCH Bislang war nach Wahlen stets die bürgerliche Mitte erkennbar. Daraus ist jetzt eine Zersplitterung der Parteienlandschaft erwachsen. Das macht die Koalitionsbildung sehr schwer.
Das wäre eine Aufgabe für die Politik. Was verunsichert Investoren? KIRSCH Investoren beurteilen Parteien und Regierungen nach ihren Programmen und ihrer Arbeit. Und am Ende schaut man wie der Wähler auf die handelnden Personen. Wenn Abschottung, anti-europäische Stimmungen und Schließung der Grenzen drohen, dann sind das Belastungen für den Standort.
Ist also die AfD ein Standortrisiko? KIRSCH Nein, aber eine Partei wie die AfD, die bewusst radikale Elemente in ihren Reihen duldet, ist auf Dauer zumindest irritierend für Investitionsentscheidungen an einem Standort.
Brauchen die deutschen Unternehmen niedrigere Steuern?
KIRSCH Wir sind in Deutschland bei den Industrieländern im oberen Drittel, was die Steuerbelastung für Unternehmen angeht. Hier ist eine Entlastung angesagt, zumal die Spielräume vorhanden sind.
Was schlagen Sie vor?
KIRSCH Wir brauchen keinen Steuerkrieg, aber Anreize für Investitionen.
Welche?
KIRSCH Die Regierung sollte die degressiven Abschreibungsmöglichkeiten verbessern. Man könnte zusätzlich Steueranreize für Investitionen in Forschung und Entwicklung einführen.
Wie stark belastet der Brexit das Geschäft? KIRSCH Die Austrittsentscheidung der Briten ist und bleibt eine riesige Eselei – wirtschaftlich, politisch und kulturell. Am schlimmsten wäre es, wenn es gar keinen Vertrag gäbe. Das ist nicht auszuschließen. Großbritannien würde dann nach Ansicht unserer Volkswirte in eine Rezession schlittern. Aber für uns Resteuropäer wäre die Lage auch nicht erfreulich, vor allem nicht für uns Deutsche. Die Briten sind einer unserer wichtigsten Handelspartner überhaupt, allein unser Export liegt bei mehr als 80 Milliarden Euro im Jahr. Ich rechne daher auch bei uns mit Wachstumseinbußen.
Wie stark profitiert der Standort Frankfurt?
KIRSCH Für die Bankenwelt insgesamt wird es spannend, wo das Clearing der Finanzströme und vor allem der Derivate-Geschäfte angesiedelt sein werden. Sollte die Eurex-Börse diese Funktion übernehmen, würde Frankfurt erheblich profitieren. Wir rechnen mit 8000 zusätzlichen Jobs, die zu den bestehenden 70.000 hinzukämen.
Die Verschuldung Italiens und die vielen faulen Kredite im Bankensystem bereiten große Sorgen. Steht die nächste Finanzkrise vor der Tür?
KIRSCH Das glaube ich nicht. Italien ist aber eine große Herausforderung. Das Land wird schlecht regiert, die Wirtschaft hat eine niedrige Produktivität, und der Verwaltungsapparat ist höchst ineffizient.
Das erinnert sehr an Griechenland. KIRSCH Die Kreditrisiken in Italien sind in der Tat groß. Auch die Dimension ist eine andere. Der italienische Staat muss schon jetzt für seine Kredite einen Zinssatz aufbringen, der drei Prozentpunkte über dem deutschen liegt. Da hilft bisher als Dämpfer noch die EZB mit ihren Anleihekäufen, womit im Januar aber Schluss sein soll. Dann wird der Druck weiter steigen. Es wird also Zeit, dass die italienische Regierung zur Vernunft kommt.
Die Volkswirtschaften in Südeuropa waren der stärkste Grund für die Niedrigzinspolitik der EZB. Darunter leiden die Sparer. Wann steigen die Zinsen und wie stark?
KIRSCH Wir rechnen für Ende 2019 mit einem ersten Zinsschritt der EZB, danach wird das Niveau aber erst mal niedrig bleiben.
Das heißt in Zahlen?
KIRSCH Die Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe könnte auf 1,75 Prozent steigen.
Die Niedrigzinspolitik macht Banken und Sparkassen das Leben schwerer. Aber in Deutschland krankt vor allem das private Gewerbe auch an hausgemachten Problemen. Versinken Deutschlands Großbanken in der Bedeutungslosigkeit?
KIRSCH Es stimmt, die börsennotierten Banken geben derzeit ein betrübliches Bild ab. Es wäre auch für den Standort gut, wenn sie zu alter Stärke zurückfänden. Eine Fusion der Großbanken wäre deshalb kein abwegiger Schritt. Aber das macht nur Sinn, wenn man das vom Management her hinkriegt und entsprechendes Einsparpotenzial da ist.
Wo steht die DZ Bank in fünf Jahren?
KIRSCH Wir müssen unser Ergebnispotential besser ausschöpfen. Dazu müssen auch wir uns noch weiter verschlanken und gleichzeitig in die Digitalisierung investieren. Wir wollen auf jeden Fall jährlich ein bis zwei Prozent über dem Marktdurchschnitt wachsen.
Was das Privatkundengeschäft angeht — brauchen wir in fünf Jahren noch Filialen?
KIRSCH Die Zahl wird sinken, aber natürlich brauchen wir Filialen. Wichtig ist, dass der Kunde einen technischen Zugangsweg beispielsweise über Online-Banking hat, aber er will auch persönliche Beratung – beispielsweise im Anlagegeschäft.
Aber wir brauchen kein Bargeld mehr, weil immer mehr mit Karten zahlen.
KIRSCH Bargeld brauchen wir weiter, weil damit immer noch ein großer Teil des Zahlungsverkehrs abgewickelt wird. Im Zahlungsverkehr ist aber auch Vieles im Fluss. Da muss sich erst einmal ein einheitlicher Trend entwickeln. Wichtig ist, dass die deutsche Kreditwirtschaft stärker als bisher den Schulterschluss hinbekommt.
Wer sind denn in Sachen Zahlungsverkehr Ihre Konkurrenten der Zukunft? Apple? Google? KIRSCH Stimmt, da mischen die Internet-Konzerne immer stärker mit. Ich bin aber sehr zuversichtlich, was diesen Wettbewerb geht. Deutschlands Banken und Sparkassen haben mit der Girocard ein schlagkräftiges Instrument, das Apple und Co. natürlich stört. Das ist eine Erfolgsgeschichte und unsere Festung.
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