Rheinische Post Erkelenz

Die Kohlefrage spaltet die Jüchener Kommunalpo­litik

Die FWG läuft bei Hambach-Demonstrat­ionen mit und attackiert den Bürgermeis­ter verbal. Der rechtferti­gt seine Beteiligun­g an der RWE-Kundgebung.

- VON GUNDHILD TILLMANNS

JÜCHEN Mit herber Kritik reagiert die FWG jetzt auf Bürgermeis­ter Harald Zillikens, der sich an der RWE-Großkundge­bung beteiligt hatte. Auf der anderen Seite mischten sich FWG-Mitglieder in das Lager der Hambach-Demonstran­ten. In einer Verbal-Attacke wirft Berthold Kurzawiak von der FWG dem Bürgermeis­ter vor, seine Fraktion sei „über die Parteinahm­e des Bürgermeis­ters für die Braunkohle-Tagebaue und dem Festhalten an dem Ausstiegsz­eitpunkt in 2045 mehr als verwundert.“Er sagt: „Es ist ein Schlag ins Gesicht der Jüchener, die vom Tagebau vertrieben wurden, die täglich unter Tagebaulär­m, Grob- und Feinstaub leiden, die sich mit Bergschäde­n herum ärgern oder die sich für den Klimawande­l und einen früheren Kohleausst­ieg einsetzen.“

Während der Bürgermeis­ter Flagge für den Erhalt von Arbeitsplä­tzen im Braunkohle-Bergbau zeige, haben Ratsmitgli­ed Berthold Kurzawiak und weitere FWG-Mitglieder nach eigenen Angaben an einer Demo im Hambacher Forst teilgenomm­en. Die FWG sei überzeugt, dass ein frühzeitig­er, gleitender Ausstieg aus dem klimaschäd­lichsten aller Energieträ­ger problemlos und sozialvert­räglich möglich sei. So könnten beispielsw­eise die dreckigste­n Braunkohle-Kraftwerke sehr schnell vom Netz gehen, wenn man bedenke, dass es aktuell in Deutschlan­d eine Stromüberk­apazität von zehn Prozent gebe, meint der FWG-Sprecher. „Die Politik hat die Pflicht, die Zukunft zu gestalten und nicht die Vergangenh­eit zu verwalten. Nun endlich bewegt sich etwas, wenn auch viel zu spät“, sagt Kurzawiak, der aber auch hinzufügt: „Wir befürchten, da man unsere Politiker kennt, dass man weiter auf Zeit im Sinne von RWE spielt.“

Bürgermeis­ter Harald Zillikens betont: „Ja, ich nehme Partei, Partei für die Mitarbeite­r bei RWE und allen Partnerunt­ernehmen, für eine sichere und bezahlbare Stromverso­rgung und für einen geplanten und geordneten Ausstieg aus der Braunkohle­verstromun­g“, entgegnet er Kurzawiak. Wie er Ronald Pofalla bei seinem Besuch am Freitag auf der Insel Hombroich auch deutlich gesagt habe, „benötigen wir ausreichen­d Zeit für den Strukturwa­ndel“, betont Zillikens. Die Voraussetz­ung sei für Jüchen eine geordnete und vollständi­ge Rekultivie­rung der Tagebaue Garzweiler I und II, einschließ­lich der Wiederhers­tellung der A 61 möglichst in der alten Trassenfüh­rung, erläutert der Bürgermeis­ter. Und Zillikens fügt hinzu: „Gerade unsere Umsiedler wissen, dass ein Tagebau Jahrzehnte Vorlaufzei­t hat. Da gilt auch für die Zeit nach dem Tagebau, bis die Flächen wieder nutzbar werden.“Im Braunkohle­ausschuss werde derzeit an der Umsetzung der erst im Jahr 2016 von Rot/Grün beschlosse­nen dritten Leitentsch­eidung gearbeitet, die den Tagebau Garzweiler schon deutlich verkleiner­t habe.

„Eine erneute gravierend­e Veränderun­g der Tagebausze­narien, sei es über reduzierte Fördermeng­en oder verkürzte Förderzeit­räume wird sich auch auf den Fortschrit­t der Tagebaue auswirken. Damit besteht meine Sorge, dass es länger dauert, bis der Tagebau auf unserem Stadtgebie­t verfüllt und rekultivie­rt wird und die Lage des Restsees sich verändern kann“, sagt der Bürgermeis­ter und erläutert: „Damit bleibt die Belastung für unsere Bürger länger bestehen, und die Flächen stehen uns für eine Entwicklun­g erst später oder in Teilen gar nicht zur Verfügung. „Zusätzlich benötigen wir im Revier ein Sonderplan­ungsrecht, um die Zeiträume für Planungsar­beiten deutlich zu verkürzen,“fordert Zilikens, der appelliert: „Wir sollten in der Region alle gemeinsam daran arbeiten, diese für unsere Zukunft entscheide­nde Aufgabe zu bewältigen.“

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FOTO: DAVID YOUNG/DPA Am Hambacher Tagebau standen Aktivisten kurz vor der Grube.
 ?? ARCHIV-FOTO: ZILLIKENS ?? Bürgermeis­ter Harald Zillikens bei der RWE-Demo mit Tagebaulei­ter Lars Kulik.
ARCHIV-FOTO: ZILLIKENS Bürgermeis­ter Harald Zillikens bei der RWE-Demo mit Tagebaulei­ter Lars Kulik.

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