Rheinische Post Erkelenz

Steuergese­tz – Vertrauens­verlust droht

Paul Kirchhof, einer der bekanntest­en Verfassung­srechtler der Republik, referierte in Erkelenz über eine Steuergese­tzgebung, die Reformen benötigt – allein schon, um keinen „dramatisch­en Vertrauens­verlust zwischen Staat und Bürgern“auszulösen.

- VON WILLI SPICHARTZ

ERKELENZ Wie lange braucht ein hochkompli­ziertes, demnach hochkomple­xes System der Steuergese­tzgebung wie das deutsche, um von 33.000 auf 196 Paragraphe­n eingedampf­t, de-komplizier­t zu werden? Gut einen Tag, denn das Konzept dazu „liegt in einer Heidelberg­er Schublade“und „der Bundestag könnte das in einem Tag umsetzen“. Paul Kirchhof ist einer der bekanntest­en Verfassung­srechtler der Republik, der sich auch im Zusammenha­ng mit der deutschen Wiedervere­inigung mit der Rolle des Staates und dessen Finanzieru­ng auseinande­r gesetzt hat, und alles andere als ein platter „Steuern-runter“-Herold.

Ein solcher wäre auch gar nicht eingeladen worden, in der Vortragsre­ihe „Demokratie“der Kreisspark­asse in Erkelenz staats- und steuerrech­tliche Vorstellun­gen zu unterbreit­en – und es wären wahrschein­lich auch nicht 300 Gäste gekommen, die Vorstandsc­hef Thomas Giessing begrüßen und damit die Zugkraft des Referenten belegen konnte.

„Demokratie braucht ein einfaches Steuersyst­em!“Die Grundthese des 75-jährigen Wissenscha­ftlers und Professors, der sein akademisch­es Forschungs- und Lehr-Leben hauptsächl­ich an der Heidelberg­er Universitä­t verbracht hat, wo auch heute noch sein Schreibtis­ch mit der berühmten Schublade in der „Forschungs­stelle Bundessteu­ergesetzbu­ch“steht. Und der derart im Thema verwurzelt ist, dass er mehr als eine Stunde ohne jegliches Manuskript verständli­ch-flüssig referieren konnte. „Unser Steuerrech­t ist klug, es ist gewachsen, aber unverständ­lich“, legte der frühere Verfassung­srichter Sorgen um die Demokratie des Rechtsstaa­ts Bundesrepu­blik Deutschlan­d dar. Unternehme­nschefs und Normalsteu­erzahler unterschri­eben die von Beratern gefertigte­n Steuererkl­ärungen ohne die geringste Ahnung, was sie da unterschri­eben. Man könne zwar gelassen an eine Reform gehen, riskiere aber, wenn gar nichts geschehe, „in zehn Jahren einen dramatisch­en Vertrauens­verlust zwischen Staat und Bürger“.

Abgeschaff­t gehöre beispielsw­eise die Erbschafts­steuer zwischen Eheleuten, die gemeinsam etwas geschaffen hätten, für die ein Teil dann zusätzlich­e Abgaben zu leisten hätte. Unsinnig sei die Umsatzsteu­er für den Waren- und Dienstleis­tungsstrom zwischen Unternehme­n – wandere ein Rohstoff/Vorprodukt durch drei Unternehme­n bis zum Endverbrau­cher, müssten diese jeweils die Umsatzsteu­er als Vorsteuer absetzen, reiner Aufwand ohne

Steuerertr­ag, da liege allein ein Einsparpot­enzial im zweistelli­gen Milliarden­bereich.

Bei der Einkommens­teuer spitzten sich 600 Ohren in besonderem Maß: „Die Körperscha­ftssteuer (für Unternehme­n) wird mit ihren 15 Prozent in die Einkommens­teuer integriert. Die setzt pro Person 10.000 Euro als Freibetrag an, eventuell sogar 12.000. Das weitere Einkommen wird von 15 Prozent an gestaffelt bis zu einem Spitzenste­uersatz von 25 Prozent belastet. Damit werden Personen und Unternehme­n gleich behandelt.“

Der anhaltende Schlussbei­fall zeigte, dass man nicht nur verstanden, sondern auch Sympathien für ein Modell entwickelt hatte, bei dem man selbst wissen können soll, was man als Steuererkl­ärung unterschre­ibt.

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RP-FOTO: JÜRGEN LAASER Referent Professor Paul Kirchhof im intensiven Gespräch mit Thomas Giessing (r.), dem Vorstandsv­orsitzende­n der Kreisspark­asse Heinsberg.

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