Strippenzieher Schäuble
Schäuble stimmte die Öffentlichkeit seit Mitte Oktober auf einen Anfang vom Ende der Ära Merkel ein. Rund um die Bayern-Wahl ließ er in mehreren Interviews fallen, dass er Merkel auf dem absteigenden Ast sieht. „In menschlichen Systemen hat immer alles seine Zeit. Irgendwann treten dann gewisse Ermüdungseffekte ein“, sagte er der italienischen Zeitung „La Repubblica“. In einem Interview mit dem SWR bereitete er Partei und Öffentlichkeit auf eine Debatte um Merkels Position vor. In Bayern sei ein Ergebnis zu erwarten, das „in den Parteien entsprechende Diskussionen und Erschütterungen“mit sich bringe, betonte er.
Rückblickend sind diese Interviews Teil einer Strategie. Wann Schäuble den Entschluss gefasst hat, einen Plan für die Nachfolge Merkels zu entwerfen, ist noch unklar. Sicher ist: Er hat ihr zu einer vierten Amtszeit geraten, und er hat ihr auch im Juni auf dem Höhepunkt der Regierungskrise zur Flüchtlingspolitik mit einer leidenschaftlichen pro-europäischen Rede in der Bundestagsfraktion den Rücken gestärkt. Manch einer meint, er habe sie damals gar vor einem schnellen Aus ihrer Kanzlerschaft bewahrt.
Nach dem heftigen Streit zwischen CDU und CSU, bei dem die Regierung am seidenen Faden hing, muss bei Schäuble und bei Merkel das Nachdenken über eine Ausstiegsstrategie eingesetzt haben. Merkel erklärte Anfang der Woche, sie habe erstmals nach dieser Regierungskrise erwogen, den Parteivorsitz abzugeben. Sie soll sich auch mit ihrer Vertrauten, der früheren Bildungsministerin Annette Schavan, darüber beraten haben. Diese wollte ein solches Gespräch weder dementieren noch bestätigen.
In Teilen der Partei herrscht eine regelrechte Merz-Euphorie. Eine ähnliche Begeisterung vermögen Kramp-Karrenbauer und Spahn nicht auszulösen. Das berichten Bundestagsabgeordnete aus ihren Kreisverbänden. Doch jene, die auch schon zu den Zeiten dabei waren, als Friedrich Merz Unionsfraktionschef war, sorgen sich darum, dass mit Schäuble und Merz zwei Männer am Werk sind, die noch eine Rechnung mit Merkel offen haben und diese Kandidatur auch aus persönlichen Motiven betreiben. Auch die Einschätzung, dass Merkel wohl nicht mehr lange im Amt bliebe, sollte Merz Parteichef werden, ist immer wieder zu hören.
Entscheiden werden am Ende 1001 Delegierte, von denen ein großer Teil bereits bestimmt ist. Die Basis-Gruppierungen der Partei haben also kaum noch die Möglichkeit, die Delegierten nach ihren Präferenzen für den Parteivorsitz auszuwählen.
Bei einer Vorstandsklausur am Sonntag und am Montag will die CDU-Führung die Spielregeln für die fünf heißen Wochen des internen Wahlkampfs festlegen. Klar ist bereits, dass es bis zu 15 Regionalkonferenzen geben soll, bei denen sich die Kandidaten vorstellen. Hinzukommen könnten weitere Einladungen der Parteiorganisationen. Die Mittelstandsvereinigung hat bereits alle drei Kandidaten für den 19. November zur Vorstellung gebeten. Kramp-Karrenbauer ist in der heiklen Situation, dass sie als Generalsekretärin den internen Wahlkampf in der CDU steuern und ihn als Kandidatin zugleich für sich führen muss.
„Wir brauchen jetzt ein faires und transparentes Verfahren“, sagte NRW-Landesgruppenchef Günter Krings unserer Redaktion. Er betonte: „Ich halte überhaupt nichts davon, die Wahl zum CDU-Parteivorsitz als Richtungsentscheidung für einen Rechts- oder Linksruck der Partei zu werten.“Es gehe um nicht mehr und nicht weniger als um eine personelle Neuaufstellung.