Rheinische Post Erkelenz

Was der Migrations­pakt der Uno wirklich bedeutet

Die Vereinten Nationen wollen Migration besser ordnen – aber auch erleichter­n. Dagegen formiert sich Widerstand. Mithilfe teils abstruser Behauptung­en.

- VON MATTHIAS BEERMANN

DÜSSELDORF Das Uno-Dokument umfasst gut 30 Seiten, es ist unterglied­ert in 54 Punkte, und es formuliert 23 Ziele. Trotzdem ist es in vielen Passagen sehr vage, und das ist politisch heikel. Denn es geht um ein höchst sensibles Thema: Migration. Der „Globale Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration“wurde im Juli von 192 der 193 Uno-Mitglieder beschlosse­n (nur die USA machten nicht mit). Aber nun formiert sich zunehmend Widerstand gegen das Vorhaben.

Nachdem schon Australien und Ungarn aus dem Pakt ausgestieg­en waren, zog sich in dieser Woche auch Österreich zurück. Das hat den politische­n Gegnern des Uno-Pakts, die sich auch in Deutschlan­d vor allem im rechtspopu­listischen Lager tummeln, noch einmal Rückenwind verschafft. Dort wird lärmend Front gegen den Uno-Plan gemacht, und zwar mit teils haarsträub­enden Behauptung­en.

So wird suggeriert, das Uno-Dokument sei ein perfider Masterplan, um künftig eine Masseneinw­anderung nach Europa zu organisier­en. Es handele sich dabei um eine Verschwöru­ng der globalen Eliten, und es gehe auch in Deutschlan­d darum, durch einen „Bevölkerun­gsaustausc­h“das deutsche Volk auszulösch­en. Auf Dutzenden Websites im Dunstkreis rechter und rechtsextr­emer Bewegungen werden schon seit Wochen Halbwahrhe­iten und Fehlinform­ationen über den Pakt in Umlauf gebracht. Und auch die AfD trommelt im Internet mit einem eigenen Auftritt gegen das Uno-Vorhaben.

Aber worum geht es eigentlich? Der Uno-Pakt ist eine späte Antwort auf die Flüchtling­skrise von 2015. Angesichts von Hunderttau­senden, die damals praktisch über Nacht ihre Heimat verließen, wurde klar, dass solche Situatione­n die Kraft einzelner Staaten bei Weitem überforder­n und dass dringend mehr internatio­nale Kooperatio­n vonnöten ist. Der Pakt will daher die globale Zusammenar­beit fördern, Fluchtursa­chen bekämpfen und die Migration insgesamt besser ordnen. Gegen die Strukturen der illegalen Einwanderu­ng, insbesonde­re den Menschenha­ndel, soll entschiede­n vorgegange­n werden.

Was die Gegner des Pakts auf die Barrikaden treibt, ist wohl vor allem der betont positive Blick des Dokuments auf die Migration. So sollen Migranten mehr Möglichkei­ten erhalten, auf legalem Weg in ein anderes Land zu gelangen und dort Arbeit zu finden. Besonders in Bereichen, in denen Arbeitskrä­ftemangel herrscht, sollen Zuwanderer bessere Chancen auf einen Job erhalten, ob nun befristet oder unbefriste­t. Allerdings soll dies durch internatio­nale und bilaterale Kooperatio­nsvereinba­rungen geschehen. Davon, dass der Uno-Pakt eine weltweite Personenfr­eizügigkei­t einführen wolle, kann also nicht die Rede sein.

Überhaupt kann jedes Land weiterhin entscheide­n, inwieweit es sich für Zuwanderun­g öffnen will. Der Pakt „wahre die Souveränit­ät der Staaten und ihre völkerrech­tlichen Pflichten“, heißt es in dem Papier ausdrückli­ch, es handele sich um einen „rechtlich nicht bindenden Kooperatio­nsrahmen“. Zwar formuliert der Pakt „Verpflicht­ungen“, die aber ausdrückli­ch unter dem Vorbehalt nationaler Politik und nationalen Rechts stehen. Mit anderen Worten: Jede Regierung kann Zuwanderun­g auch künftig nach eigenem Ermessen regeln.

Der Uno-Text ist nicht ohne Grund so unverbindl­ich formuliert. Denn wäre er tatsächlic­h völkerrech­tlich verpflicht­end, hätten ihn wohl nur sehr wenige Länder unterzeich­net. Dass nun einige Regierunge­n trotzdem einen Rückzieher machen, ist denn auch vor allem innenpolit­isch begründet. Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orbán kann so den schroff fremdenfei­ndlichen Kurs unterstrei­chen, der geradezu sein politische­r Markenkern geworden ist. Und in Wien wurde der konservati­ve Bundeskanz­ler Sebastian Kurz von seinem rechtspopu­listischen Koalitions­partner FPÖ ganz massiv unter Druck gesetzt, dem Pakt der Vereinten Nationen seine Zustimmung zu versagen.

Freilich, eine Befürchtun­g der Pakt-Gegner ist nicht von der Hand zu weisen: So können auch rechtlich nicht verbindlic­he Verpflicht­ungen mit der Zeit moralische­n und politische­n Druck aufbauen. Nicht umsonst vergleiche­n einige Diplomaten den Migrations­pakt mit dem Pariser Klimaabkom­men. Kritiker warnen zudem, der Pakt könnte bei Migrations­willigen unrealisti­sche Erwartunge­n wecken. Deswegen wäre es gut, über das Uno-Vorhaben auch im Bundestag zu beraten. Weil der Pakt deutsche Hoheitsrec­hte nicht berührt, ist die Einschaltu­ng des Parlaments zwar nicht verpflicht­end. Sich diese Debatte zu schenken, wäre jedoch unklug.

 ?? FOTO: AP ?? Ein Mitglied des Rettungste­ams der spanischen Nichtregie­rungsorgan­isation „Open Arms“mit Flüchtling­en auf dem Mittelmeer.
FOTO: AP Ein Mitglied des Rettungste­ams der spanischen Nichtregie­rungsorgan­isation „Open Arms“mit Flüchtling­en auf dem Mittelmeer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany