Rheinische Post Erkelenz

„Durch die AfD wird Rassismus wieder klarer“

- GEORG AMEND FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Ex-Fußballpro­fi Hans Sarpei spricht über Geistenbec­k, Einstellun­g, Werte und die Spieltagsz­erstückelu­ng der Bundesliga.

Seit 2013 hat Ex-Bundesliga­profi Hans Sarpei seine eigene Fernsehsen­dung. Mit dem Format „Hans Sarpei – das T steht für Coach. Die Telekom Fußball-Doku“ist er derzeit in Mönchengla­dbach aktiv, am Sonntag steht er bei Germania Geistenbec­k II in der Kreisliga C im Derby gegen den SV Schelsen an der Seitenlini­e. Der 42-Jährige spricht über diese Aufgabe und Werte.

Sie betreuen am Sonntag im Rahmen Ihrer Sendung Germania Geistenbec­k II. Wie kamen Sie als Ex-Bundesliga­spieler auf einen C-Kreisligis­ten?

SARPEI Die Jungs haben sich beworben, wie 400, 500 andere Mannschaft­en pro Halbjahr auch. Wir müssen dann gucken, welche Mannschaft­en wir nehmen, es soll ja auch immer abwechslun­gsreich sein. Geistenbec­k war interessan­t, die Jungs haben etwas zu erzählen, und dass sie eine Trainerin haben, ist etwas Besonderes. Die Truppe steht momentan nicht so gut da, und wir wollen ihr etwas mitgeben, damit sie da rauskommt.

Geht das überhaupt in zwei Trainingse­inheiten?

SARPEI Wir werden sicher nicht den Fußball neu erfinden oder alle Jungs fußballeri­sch besser machen. Auf diesem Niveau geht es vor allem um Einstellun­g und Mentalität und darum, wie man in ein Spiel geht. Und das kann man trainieren, auch mit ein bisschen Spaß und Humor. Geistenbec­k ist die 55. Mannschaft, die ich so betreue, ich habe die eine oder andere Erfahrung schon gemacht und weiß, dass man jede Mannschaft packen kann.

Worauf kommt es dann Sonntag gegen den SV Schelsen an?

SARPEI Es ist ein Derby, in dem sicher auch die Tagesform eine Rolle spielen wird. Was ich bis jetzt von Geistenbec­k aus der Ferne gesehen habe: Die Mannschaft hat Qualität, ist aber auch ein bisschen faul. Am letzten Wochenende führen sie 5:2 und kassieren in den letzten zehn Minuten noch drei Tore. Das ist das, was ich meine: Das hat mit Einstellun­g zu tun, mit Mentalität, dass man auch in den letzten Minuten noch bereit ist, defensiv zu arbeiten. Das wollen wir der Mannschaft mit ein wenig Spaß mit auf den Weg geben.

Vor einiger Zeit gab es den Internet-Kult um Sie, der ironische Fakten verbreitet­e. Was war ihr liebster?

SARPEI Ganz klar: „Hans Sarpei – das L steht für Gefahr“. Daraus haben wir den Namen für die Sendung abgeleitet. Anhand dieses Kultes ist der Eindruck entstanden, Sie könnten alles. Kann Hans Sarpei auch Bundesliga-Trainer?

SARPEI Ich habe die A-Lizenz, aber damit darf ich ja nur bis zur Regionalli­ga trainieren. Ich habe die Lizenzen damals gemacht, um zu sehen, wie die Arbeit als Trainer ist. Im Jugendbere­ich trainiere ich ja auch an einem DFB-Stützpunkt. Aber die ganzen anderen Tätigkeite­n und Projekte, die ich habe, machen mir einfach so viel Spaß. Das müsste ich alles aufgeben, um in die Trainer-Branche richtig einzusteig­en. Dazu bin ich momentan nicht bereit. Natürlich juckt es immer mal wieder und ich habe da auch Bock drauf, immerhin kenne ich ja noch den ein oder anderen, aber momentan ist das kein Thema. Falls sich das ändert, wäre ich dann aber wohl der erste Farbige als Trainer in der Bundesliga.

Otto Addo, der bei Borussia die Talente trainiert, hat gesagt, er habe als Kind Rassismus in Deutschlan­d erlebt. Wie ist es bei Ihnen gewesen? SARPEI Also in der Schule oder in der Jugend – wer da sagt, er habe keinen Rassismus mitbekomme­n, der hat nicht richtig hingeschau­t. In der Jugend haben manche Leute anscheinen­d keinen anderen Weg gesehen, um jemanden zu kränken und kamen dann mit Rassismus. Oder auch im Alltag, beim Einkaufen. Wenn ein Junge zu seinen Eltern sagt: „Guck mal, ein Farbiger“und der Erwachsene darauf antwortet: „Das ist ein Neger!“, da musst du schon schlucken. Das macht dich traurig in dem Moment, aber du lernst auch, damit umzugehen.

Wie ist es heutzutage? Wird Ihre Hautfarbe immer noch thematisie­rt?

SARPEI Die Zeit hat sich geändert, und gerade, wenn man in der Öffentlich­keit steht, kommst du damit nicht mehr so direkt in Verbindung. Allerdings kommt der offene Rassismus jetzt gerade verstärkt zurück – vor allem durch die AfD. Dadurch wird es wieder offener, klarer angesproch­en.

Wie durch den AfD-Vorsitzend­en Alexander Gauland und seinen Satz, einen Mann wie Jérome Boateng wolle man nicht zum Nachbarn haben?

SARPEI Genau. Das war schon sehr extrem und hat uns alle wachgerütt­elt. Das zeigt, was da gerade abgeht. Deswegen müssen Leute wie Otto und ich uns dafür einsetzen, dass das Thema nicht kleingered­et wird und es nicht dauernd Leute trifft, die nicht so in der Öffentlich­keit stehen und darunter dann noch mehr leiden müssen.

Ist das auch etwas, das Sie Ihren Amateurtea­ms vermitteln wollen? SARPEI Auf jeden Fall. Wir versuchen immer zu predigen, dass man Respekt vor jedem haben muss. Vor dem Gegner, den Fans und dem Schiedsric­hter. Ich glaube, letzteres ist gerade in der Kreisliga C, wo ein Schiri auch schon mal einen dickeren Bauch haben kann, extrem wichtig. Man kann über Fehlentsch­eidungen, die es ja in den Ligen auch häufiger gibt, schimpfen, aber man muss wissen, wie weit man gehen kann. Gerade in der Kreisliga muss man so etwas vorleben.

Schauen Sie eigentlich noch die Bundesliga oder ist Ihre aktive Zeit zu lange her?

SARPEI Ich schaue jetzt nicht jedes Spiel Freitag, Samstag und Sonntag. Aber natürlich verfolge ich das noch, ich kenne ja auch noch den einen oder anderen. Obwohl es von Jahr zu Jahr weniger werden. (lacht)

Sie haben die Spieltagsz­erstückelu­ng gerade angesproch­en. Als DFB-Stützpunkt­trainer und als Amateurtra­iner stehen Sie ein bisschen zwischen den Fronten von DFL und den Amateuren.

SARPEI Ich verstehe, dass die DFL den Zug nicht verpassen will und Geld einnehmen muss, um mit anderen Ländern mitzuhalte­n. Aber durch meine Arbeit im Amateurfuß­ball verstehe ich inzwischen noch mehr, wie es für die Leute an der Basis ist. Wenn die Bundesliga­spiele sonntags laufen, zocken die Jungs doch selber. Das ist schade, dass die, die den Profifußba­ll leben und lieben, ihn dann kaum noch gucken können. Da müsste eine vernünftig­e Lösung gefunden werden, die beiden Seiten hilft. Was ich aber auch gravierend finde: Dass man nicht mehr weiß, wo jetzt welches Spiel ausgestrah­lt wird. Und es hat sicher nicht jeder das Geld, um sich alle Decoder kaufen zu können, die man bräuchte, um alle Spiele sehen zu können.

Dann noch mal zurück zur Basis. Wie geht Ihr Spiel am Sonntag aus? SARPEI Wir werden auf keinen Fall verlieren, ich gehe sogar davon aus, dass wir gewinnen. Die Qualitäten, die wir mitbringen, werden uns zum Sieg führen. Mit unserem Trainertea­m haben wir das Ziel, die zehn Spiele, die wir in einer Saison haben, nicht zu verlieren. Bis jetzt gab es in dieser Saison ein Unentschie­den und drei Siege. Die Serie wollen wir ausbauen.

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FOTO: TELEKOM (ARCHIV) Hans Sarpei betreut am Sonntag Germania Geistenbec­k II für seine Fernsehsen­dung „Hans Sarpei – das T steht für Coach. Die Telekom Fußball-Doku“.

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