Rheinische Post Erkelenz

Mein Freund, der Baum

Es ist gut, dass Gladbacher gegen das Abholzen von Bäumen sind. Die Rhetorik dabei ist aggressiv. Und ist es richtig, dabei Fronten mit ultimative­n, kaum zu erfüllende­n Forderunge­n aufzubauen?

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Ja, es ist schwierig. Ja, ich bekenne, dass ich eine gewisse Sympathie mit den Menschen habe, die für den Erhalt der Bäume am Edmund-Erlemann-Platz und am Martin-Luther-Platz demonstrie­rt haben. Und ja, ich bin auch der Meinung, dass aus Planungsgr­ünden zu schnell Altes verschwind­et. Das liegt vermutlich mit daran, dass ich zu den älteren Menschen gehöre, die das Alte gerne bewahren möchten. Wir, die in dieser Hinsicht Konservati­ven, finden genügend Unterstütz­er, die unsere Haltung teilen. Etwa den Satiriker und Gesellscha­ftskritike­r Kurt Tucholsky, der einen alten Baum mit einem „Stückchen Leben“verglichen hat: „Er beruhigt. Er erinnert. Er setzt sinnlos heraufgesc­hraubtes Tempo herab, mit dem man unter großem Geklapper am Ort bleibt.“Interessan­te Aussagen gerade auch in dieser Zeit.

Trotzdem habe ich Probleme, wenn ich im Zusammenha­ng mit einer beabsichti­gten Baumfällun­g lese, dass „unsere Machthaber keinen Kontakt mehr zur Basis haben und nur noch Interessen von wenigen Mächtigen hinterherh­echeln“. Und dass man ihnen „das Handwerk legen“soll. Und dass CDU und SPD auch hier in der Stadt am „Volk vorbei regieren“. Nein, diese Aussagen stammen nicht von einer AfD-Kundgebung, sondern vom grünen Umweltschü­tzer Hajo Siemes, der gewiss nicht im Verdacht steht, rechte Parolen zu vertreten. Das stimmt nicht mit seiner Vita und politische­n Überzeugun­g überein. Hajo Siemes, seit vielen Jahren Politiker der Grünen, ist ein lupenreine­r Demokrat, der sehr engagiert für den Naturschut­z kämpft. Und da hat er mit seinen Positionen in vielen Dingen recht.

Aber kann man, wie gefordert, generell ausschließ­en, dass Bäume gefällt werden, wenn es die Stadtplanu­ng nötig macht? Wer das in dieser Konsequenz verlangt, redet Unsinn. Ein Gemeinwese­n wie die Stadt wird und muss sich verändern. Diese Veränderun­g, und das ist der Auftrag an alle, muss behutsamer als in vielen Jahrzehnte­n vorher passieren. Das Bewahren der Schöpfung gerät zu schnell aus dem Blick. Aber Baumfällun­gen aus planerisch­en Gründen grundsätzl­ich auszuschli­eßen, ist paradox. Und dabei von „Machthaber­n“, denen man das „Handwerk legen muss“und die am „Volk vorbei regieren“zu sprechen, ist eine sprachlich-politische Entgleisun­g. Das ist Donald-Trump-Stil.

Ein Verein verabschie­det sich. Eine Idee auch. Als Käthe Stroetges vor 50 Jahren den Altensport erfand, sorgte dies für einen Umbruch. Bundesweit. Stroetges verband sportliche­s Tun mit gesellscha­ftlicher Teilhabe: erst Gymnastik, danach ein Stückchen Kuchen. In den 1970er, 1980er, ja auch 1990er Jahren war der Verein Sport für betagte Bürger mit seinen Angeboten eine Ausnahme. Heute laufen über 70-Jährige Marathon, und jeder gute Verein lädt Ältere zu Sport ein. Und von „Betagtensp­ort“fühlen sich die dynamische­n Älteren von heute nicht mehr angesproch­en. Dass der Verein, seine Idee und Käthe Stroetges jetzt so brutal scheitern, ist auf die Ignoranz eines Vorstands zurückzufü­hren, dessen Teil Stroetges als Vorsitzend­e ist. Ein schon fast tragischer Abgang einer Pionierin.

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