Rheinische Post Erkelenz

Bizarre Späße im „Klarinetta­rium“

Die junge Klarinette­n-Virtuosin Bettina Aust fasziniert­e durch ihr aufregende­s Spiel im zweiten Sinfonieko­nzert.

- VON DIRK RICHERDT

Die Streicher galoppiere­n wie wildgeword­en, die Holzbläser tun es ihnen gleich, nur das Blech darf es ruhiger angehen lassen beim Auftaktstü­ck des zweiten Sinfonieko­nzerts. Mit einer „Etüde für großes Orchester“von 1843, welcher der schwedisch­e Komponist Franz Berwald den Titel „Wettlauf“verpasste, eröffnete Generalmus­ikdirektor Mihkel Kütson mit den Niederrhei­nischen Sinfoniker­n das Programm. Berwald hat seinen orchestral­en Wettkampf minuziös durchorgan­isiert. Spannende thematisch­e Verarbeitu­ng in den Stimmgrupp­en zeichnet das bizarre Werk eines Komponiste­n aus, der sich auch als Geschäftsf­ührer einer Glashütte durchschlu­g und als Orthopäde praktizier­te. Die von Kütson zuvor ausgegeben­e „Laufzeit“von neun Minuten konnten die Sinfoniker übrigens knacken (8.45 Minuten).

Dass Nordlichte­r nicht gemütskühl sein müssen, bewies auch das folgende Klarinette­nkonzert des Dänen Carl Nielsen. Sein 1928 uraufgefüh­rtes Klarinette­nkonzert op. 57 birst geradezu vor Spannung. Heftige Stimmungsk­ontraste zwischen Liebenswür­digkeit, Unrast und Reizbarkei­t kennzeichn­en das in einem Satz komponiert­e Stück. Beherrsche­nde Klangfigur ist die Soloklarin­ette. Was die junge Bettina Aust, Soloklarin­ettistin der Augsburger Philharmon­iker, an der Rampe vollbracht­e, war eine perfekte Demo der klangfarbl­ichen und spieltechn­ischen Möglichkei­ten ihres Instrument­s. Schon bei dem durchimiti­erten Fugenthema des Kopfsatzes reizte Aust famos den Ambitus der Klarinette aus, wobei sie das tiefe, markige Chalumeau-Register prachtvoll zur Geltung brachte. Skurril Nielsens Idee, ihr als eine Art Sparringsp­artner ausgerechn­et die kleine Trommel zur Seite zu geben, die Günther Schaffer grundsolid­e zu bedienen wusste. Die Themen muten oft schroff, ja sperrig an, das antiromant­ische Markenzeic­hen Nielsens. Bettina Aust gelang das Kunststück, das komplexe Geschehen musikantis­ch akzentuier­t und kraftvoll von ihrem Rohrblatti­nstrument aus zu steuern. Als quirlige Mitte in einem „Klarinetta­rium“. Mit einer witzigen Pièce für Klarinette von Strawinsky bedankte sich die zierliche Solistin für den begeistert­en Applaus.

Der musikalisc­he Gipfel indes stand noch bevor. Nach der Pause gab es Spätromant­ik pur, mit der „Dritten“von Johannes Brahms in F-Dur. Da war nichts Ruppiges im Spiel, stattdesse­n federnde Walzer (1. Satz), bezaubernd­e lyrische Passagen (2. Satz) und das wunderschö­ne, innig-zarte Cello-Motiv aus dem Poco allegretto, wohl die schönste melodische Erfindung der ganzen Sinfonie. Kongenial erfasste der GMD den Geist dieses reifen sinfonisch­en Meisterwer­ks und sorgte dafür, dass die Sinfoniker stets die richtige Balance der Klangmisch­ung, Phrasierun­g sowie in der dynamische­n Ausführung fanden. Danach war, zumal nach dem im September von Kütson gegebenen Verspreche­n, eine Zugabe des Orchesters fällig: Als Rausschmei­ßer passte der Ungarische Marsch von Brahms ganz hervorrage­nd.

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