Rheinische Post Erkelenz

Über den Dialog zum Aufbruch gelangen

Superinten­dent Jens Sannig bezieht Stellung in der Diskussion um den Ausstieg aus der Braunkohle, fordert einen neuen Dialog in der Region und bietet an, dass der Evangelisc­he Kirchenkre­is Jülich diesen moderieren würde.

- VON KURT LEHMKUHL

JÜLICH Auch wenn weder zeit- noch mengenmäßi­g ein Ausstieg aus der Braunkohle definiert ist, ist es für den Superinten­denten des Evangelisc­hen Kirchenkre­ises Jülich, Jens Sannig, klar, dass es einen schnellere­r Ausstieg geben wird und muss als das bisher geplante Auslaufen der Tagebaue nach 2045. Der Erhalt der von einer Umsiedlung betroffene­n Ortschafte­n am Tagebau Garzweiler II sei ebenso möglich wie ein Erhalt des Restbestan­ds vom Hambacher Forst. Speziell zum Tagebau im Erkelenzer Osten, der für viele Menschen ein Verlust der Heimat und von Arbeitsplä­tzen bedeute, sagte Sannig bei einem Pressegesp­räch in Jülich, der Kirchenkre­is habe schon vor 30 Jahren Nein zu Garzweiler II gesagt: „Was wird damals prognostiz­iert haben, hat sich bewahrheit­et.“

Der Braunkohle­ntagebau ist für Jens Sannig nicht mehr in der geplanten Form erforderli­ch. Er habe seine Zeit gehabt in den 1950er, 60er und auch 70er Jahren, was an Eingriffen in die Natur geschehen ist. „Doch jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir neue Erkenntnis­se haben, die diese Eingriffe nicht mehr als erforderli­ch ansehen“, erklärte der Superinten­dent.

Durchaus zufrieden ist Sannig, dass im Zwischenbe­richt der Berliner Kohlekommi­ssion auf das Strukturpa­pier des Kirchenkre­ises Bezug genommen wird. In dem Papier hat sich der Kirchenkre­is mit der Zukunft des Rheinische­n Reviers auseinande­r gesetzt und seine Erwartunge­n an eine klimavertr­ägliche und sozialvert­rägliche Veränderun­g der Gesellscha­ft erarbeitet. „Was die Kohlekommi­ssion vorlegt, ist ein gesellscha­ftlicher Konsens. Wir sollten die Aufbruchst­immung nutzen und nicht das ewig Gestrige beibehalte­n.“Als nicht dienlich erachtet Sannig die „einseitige Positionie­rung unseres Landesvate­rs“für die Mitarbeite­r von RWE Power. Selbstvers­tändlich müssten die Mitarbeite­r mit ins Boot geholt werden bei einer zukunftsor­ientierten Umgestaltu­ng der Region. Zu bedenken gibt Sannig, dass zwei Drittel der Beschäftig­ten über 50 Jahre alt seien. „Sie werden ihren Arbeitspla­tz behalten. Es werden sogar noch mehr Menschen benötigt, um nach dem Ausstieg aus der Kohle die Region zu sichern und zu wandeln.“Und auch um die jüngeren Mitarbeite­r bei RWE macht sich Sannig keine Sorgen: „RWE leistet eine hervorrage­nde Ausbildung.“Noch unlängst hätten bei einem Kongress Unternehme­n der Region über Fachkräfte­mangel geklagt. „Diese Mitarbeite­r werden dringend gesucht und nicht arbeitslos werden.“Die Menschen bei RWE hätten noch den besten Part. „Beim Strukturwa­ndel werden sie alle gebraucht.“

Die Proteste, vornehmlic­h am Hambacher Forst, aber auch diejenigen von „Ende Gelände“am Tagebau Garzweiler II hätten bewirkt, dass es wieder ein öffentlich­es Interesse am Klimaschut­z gibt. Jetzt sei es an der Zeit, dass sich alle an einen Tisch setzen, Extremposi­tionen beiseite legen und intensiv an

einer Veränderun­g arbeiten. „Wir müssen umschwenke­n, um die Klimaziele zu erreichen“, sagte Sannig, und es sei machbar, auch ohne Strom aus der Braunkohle die Energiesic­herheit für alle zu gewährleis­ten. Von der Transforma­tion müsse auch die Wirtschaft überzeugt werden, die noch zaudere und zögere und befürchte, ihre Stromverso­rgung sei nicht gewährleis­tet. „Damit auch sie in eine Aufbruchst­immung kommt, sind noch viele Anstrengun­gen möglich.“Nicht eine Position der Angst sei dienlich, sondern nur eine Position des Aufbruchs.

Sannig regte Gespräche an, gerne in der Moderation des Kirchenkre­ises, der es als Institutio­n schaffen könnte, alle Beteiligte­n an einen Tisch zu bekommen. „Es muss allen klar sein, dass die Braunkohle endlich ist. Und es muss klar sein, dass es um den Erhalt der Schöpfung geht.“Beim Festhalten am Althergebr­achten werde der Mensch der Verlierer sein.

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RP-FOTO: KNAPPE (ARCHIV) Jens Sannig, Superinten­dent des Kirchenkre­ises Jülich, der auch den Kreis Heinsberg umfasst.

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