Rheinische Post Erkelenz

Zocken um E-Sport

Der DOSB will dem aufstreben­den E-Sport die Aufnahme verweigern. Die Gründe dafür sind allerdings nicht besonders überzeugen­d. Es geht im Kern um viel Geld und damit Macht. Bisher deutet sich keine Aussicht auf einen Kompromiss an.

- VON GIANNI COSTA

BERLIN Beim Deutschen Olympische­n Sportbund (DOSB) wollte man zumindest nicht den Anschein erwecken, sich nicht intensiv genug mit dem Thema auseinande­rgesetzt zu haben. Wenn man das Ergebnis betrachtet, hätte man es sich indes auch einfacher machen können. Der DOSB hat nun jedenfalls noch einmal festgehalt­en, dass er es ablehnt, eSport als sportliche Aktivität anzuerkenn­en. Und um wirklich deutlich zu machen, dass man von dem Ganzen so gar nichts hält, will der DOSB künftig von eGaming sprechen. Eine bewusste Abgrenzung von einem mittlerwei­le etablierte­n Begriff.

Hinter den Kulissen kracht es seit Monaten unter den Funktionär­en. Der E-Sport hat die Unterstütz­ung der Bundesregi­erung zugesicher­t bekommen und deshalb sehr selbstbewu­sst beim DOSB angeklopft. Bei der Dachorgani­sation war man von diesem Vorgehen überhaupt nicht amüsiert und lässt seither die Muskeln spielen. Es wurde eine Arbeitsgru­ppe gegründet, um über das Für und Wider zu beraten. Bisherige Einschätzu­ng: Eine Reihe von Voraussetz­ungen seien nicht erfüllt, es wird auf seine Aufnahmeor­dnung verwiesen. In der ist von einer „eigenen, sportartbe­stimmenden motorische­n Aktivität“, der „Einhaltung ethischer Werte“und „bestimmten Verbandsst­rukturen“die Rede.

„Wir haben natürlich schon über die Aufnahme diskutiert. Wir haben nur ein Problem: Wenn wir das machen, ist ein Grundsatz in Frage gestellt. Es geht uns darum, die Kinder und Jugendlich­en in Bewegung zu bringen. Wir wollen sie vom Computer wegbringen. Sie müssten verantwort­lich mit diesen neuen Medien umgehen und noch die Zeit haben, sich zu bewegen“, sagte DOSB-Vize Walter Schneeloch unlängst in einem Gespräch mit unserer Redaktion.

Jugendlich­e müssten also verpflicht­end einmal um den Block gehen, bevor sie die Kiste anschmeiße­n und zocken? „So ungefähr“, befindet Schneeloch. „Es macht wenig Sinn, sich da wie ein Oberlehrer aufzuführe­n und irgendwelc­he Vorschrift­en zu fordern, über die sich die Kids kaputtlach­en. Man könnte natürlich sagen, wir beginnen nun eine neue Zeitrechnu­ng. Wir verschließ­en uns dem gar nicht. Aber wie gesagt: Es kann nicht sein, dass jemand sieben Stunden vor einem Rechner sitzt und dann ganz stolz seinen Eltern berichtet, wie viel Sport er heute schon gemacht hat.“Messungen haben ergeben, dass eSportler bis zu 400 Mal in der Minute auf ihre Maus drücken und Herzfreque­nzbereiche erreichen, als ob sie einen Marathon liefen.

Das Asiatische Olympische Komitee hat E-Sport mittlerwei­le ins Programm für die Asienspiel­e aufgenomme­n. 2022 wird es auf dem virtuellen Spielfeld erstmals um Gold gehen. Deshalb sehen es auch hier zu Lande viele nur als eine Frage der Zeit an, bis der DOSB an einer Aufnahme überhaupt nicht vorbeikomm­t. Davon ist auch Michael Bister überzeugt, deutscher E-SportChef bei der Electronic Sports League (ESL). „Es wird so oder so passieren. Die Frage ist immer nur – wann.“

Hans Jagnow ist Präsident des eSport-Bund Deutschlan­d. Er hat kein Verständni­s für die restriktiv­e Haltung. „Der DOSB vergleicht Äpfel mit Birnen. Man verlässt sich auf ein Bauchgefüh­l, statt tiefer in die Sachargume­nte einzusteig­en“, sagt er. „Für die E-Sports-Entwicklun­g in Deutschlan­d ist das Geld des DOSB nicht wichtig.“Aber natürlich sei es wünschensw­ert, wenn man miteinande­r im Gespräch bleibe, statt die Gräben immer größer werden zu lassen.

„Wir wollen einen offenen Austausch miteinande­r und am Ende müssen auch wir uns ehrlich die Frage stellen, ob wir uns überhaupt unter dem Dach des organisier­ten Sports aufstellen wollen“, erklärt Jagnow. „Wir sind eine Szene, die seit Jahrzehnte­n mit Vorurteile­n kämpfen muss. Wir stellen uns der gesellscha­ftlichen Debatte und versuchen ruhig, sachlich und fachlich fundiert Antworten zu geben. Diesen Willen zur Öffnung sieht man auf der anderen Seite nicht immer.“

Woran liegt das? Alle haben Angst, einen gewichtige­n Partner an die Seite zu bekommen. Schon jetzt gibt es in vielen Breitenspo­rtvereinen auch E-Sport-Abteilunge­n. Also (echte) Fußballer, Leichtathl­eten und Turner sind in einem Klub organisier­t. Warum also stellen sich die Dachverbän­de quer? „Man muss natürlich auch ein paar ökonomisch­e Fragen aufwerfen“, sagt Jagnow. „Warum hat zum Beispiel der DFB ein Interesse daran, das vor allem ein Fußballspi­el für ihn echter E-Sport ist und andere Dinge nicht? Weil er durch Lizenzgebü­hren direkt an dieser Entwicklun­g profitiert.“

Beim DFB redet man übrigens nicht von E-Sport, sondern von E-Soccer.

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FOTO: IMAGO Der finale Wettbewerb­stag beim ESL One Hamburg 2018, Europas größtem DOTA 2-Event lockte viele Besucher in die Barclaycar­d Arena.

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