NS-Vergangenheit über den Fußball erzählen
Fans des VfL Bochum arbeiten die Geschichte ihres Vereins auf. Dessen Gründung erfolgt 1938 im Zuge der Gleichschaltung.
BOCHUM „Unsre Heimat, unsre Liebe, in den Farben Blau und Weiß. 1848, nur damit es jeder weiß“– So hallt es beim VfL Bochum durch die Ostkurve an der Castroper Straße. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn den VfL gibt es erst seit 80 Jahren, seit 1938. Mitarbeiter des Fanprojekts Bochum haben sich in der „Arbeitsgruppe Erinnerungsorte“mit Bochumer Fans zusammen den Anfängen des Klubs gewidmet und mussten sich daher mit den dunkelsten Jahren deutscher Geschichte auseinandersetzen. Für das Resultat ihrer Arbeit, eine 48-seitige Broschüre, werden sie nun am 18. November vom DFB mit dem dritten Platz des Julius-Hirsch-Preises ausgezeichnet.
Hirsch war in den 1910er Jahren einer der talentiertesten Stürmer des Landes. Der deutsche Nationalspieler jüdischen Glaubens feierte mit dem Karlsruher FV und der Spielvereinigung Fürth deutsche Meisterschaften. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann für Hirsch, wie für Millionen weitere Juden, ein Leidensweg, an dessen Ende er von den Nazis im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet wurde. Seit 2005 wird der Preis vom DFB und der Familie Hirsch verliehen.
Die Arbeitsgruppe Erinnerungsorte stützte sich auf die Recherche von Historikern, stellte die Informationen zusammen und schaffte einen Zugang für Fußballfans. Florian Kovatsch vom Fanprojekt Bochum und Sozialarbeiter hat die AG mitkoordiniert. „Der Verein war eigentlich ein klassischer Nazi-Verein“, sagt Kovatsch. Denn im April 1938 wurden drei Bochumer Vereine, TuS Bochum, Germania 06 und der Turnverein Bochum 48, zusammengeschlossen, und ein neuer Verein entstand: Der Verein für Leibesübungen Bochum. Zu dieser Zeit wurden im Zuge der Gleichschaltungspolitik viele kleinere Vereine zu einem größeren zusammengelegt.
Sportliche Erfolge gab es auch im Jahr 1938 in der Ruhrgebietsstadt – wenn auch nicht vom VfL. Denn zwei Monate nach dessen Gründung gewann der TuS Hakoah die Reichsmeisterschaft des Sportbundes Schild, einen von zwei jüdischen Fußballwettbewerben. Von den regulären Meisterschaftsbetrieben waren jüdische Sportler da schon längst ausgeschlossen.
Auch wenn der Fußball von den Machern der Broschüre als Aufhänger und Ausgangspunkt gewählt wurde, so nimmt er doch keine dominierende Stellung innerhalb des Projektes ein. „Wenn wir mit der Geschichte des VfL werben, erreichen wir mehr Adressaten, als wenn wir den Fokus auf den Nationalsozialismus im Allgemeinen legen“, erklärt Kovatsch. Das Heft informiert aber auch über das jüdische Leben in Bochum, über den Widerstand und darüber, welche Orte im Bochumer Stadtgebiet mit Zwangsarbeit, Krieg und Vernichtung unmittelbar verbunden sind.
Die Auflage von 1.500 Exemplaren ist inzwischen fast komplett unter die Leute gebracht worden. Da kommt das Preisgeld von 7.000 Euro gerade recht, um die Broschüre in einer weiteren Auflage fortzuführen.