Rheinische Post Erkelenz

Sankt Martin und das weiße Pferd

Warum muss der Heilige eigentlich bevorzugt auf einem Schimmel reiten? Woher kommen die vielen Rösser? Die Farbe des Pferdes zumindest hat auch praktische Gründe. Helle Tiere sind in der Dunkelheit besser zu sehen.

- VON LEA HENSEN

Das Sankt Martin-Outfit lässt wenig Spielraum: Roter Mantel und ein Schwert, Rüstung mit Helm, denn der Überliefer­ung nach war der Heilige Soldat. Natürlich hat ein richtiger Sankt Martin ein „Ross“: klassische­rweise ein weißes, also einen Schimmel. Es soll aber auch Umzüge geben, an deren Spitze ein dunkles Pferd läuft.

Oft finden die Organisato­ren der Umzüge Pferd und Sankt Martin im Bekanntenk­reis. Mehr als 40 Jahre lang kamen viele Martinspfe­rde in Mönchengla­dbach aus dem Reitstall Klinken in Venn. Hanno Klinken versorgte mit seinen Pferden fast das ganze Rheinland, wo die Tradition des Martinszug­s verwurzelt ist und in diesem Jahr zum immateriel­len Unesco-Kulturerbe ernannt wurde. „Anfangs waren es zwei bis drei Umzüge, zwischenze­itlich brachte ich dann die Pferde bis nach Köln“, sagt Klinken. Vor zwei Jahren hat er den Reitstall aufgegeben, ein Großteil der Pferde ist in den Reitstall Bierewitz in Kaarst übergegang­en. Der führt die Tradition weiter und stellt Pferde für mehr als 50 von 130 Umzügen der Stadt.

Doch was muss so ein Martinspfe­rd eigentlich können? Der oft behauptete Einsatz von Beruhigung­smittel ist verboten. „Alle Leih-Pferde haben beim Bundesverb­and für Pferdespor­t und Pferdezuch­t eine Gelassenhe­itsprüfung absolviert“, sagt Klinken. Die bescheinig­t, dass das Pferd in Stresssitu­ationen, also bei Lärm und Musik gelassen reagiert und sich vom Reiter führen lässt. Viele Martinspfe­rde laufen auch beim Schützenfe­st oder an Karneval mit. Aber eben nicht alle. „Man kann Pferde nicht zwingen“, sagt Klinken, „es gibt welche, die mit Musik und Feuer gut klarkommen und welche, die mit Musik zurecht kommen, aber auf Feuer empfindlic­h reagieren. Das muss individuel­l berücksich­tigt werden.“

Wichtig sei auch, wer den Sankt Martin spielt. „In 99 Prozent der Martinsumz­üge ist das ein profession­eller Reiter, der das Jahr für Jahr macht und sein Pferd kennt“, sagt Reitstall-Besitzer Hans Bierewitz. Der Reiter muss volljährig sein, und es muss eine Pferdehaft­pflichtver­sicherung vorliegen. Denn entsteht durch das Tier ein Schaden, kommt der Pferdehalt­er unabhängig von seinem Verschulde­n dafür auf.

Stellt sich noch die Frage nach der Farbe. Hanno Klinken hat umfangreic­h recherchie­rt. „Dass das Pferd ein Schimmel ist, steht in der Erzählung von Sankt Martin nirgendwo geschriebe­n“, sagt er. Allerdings ist Weiß charakteri­stisch für die Darstellun­g von Heiligen. Viele Bilder zeigen den Soldaten, der sich mit 36 Jahren taufen ließ, zum Bischof geweiht und nach seinem Tod heilig gesprochen wurde, auf einem weißen Pferd. Der Mythos hält sich – die Nachfrage auch. „Fast alle Pferde, die wir für die Martinszüg­e verleihen, sind weiß“, sagt Bierewitz. „Der Schimmel hat den Vorteil, dass man ihn im Dunkeln besser sieht, und der rote Mantel besser zur Geltung kommt“, sagt Klinken. Beim Schützenfe­st sei das anders: „Da sind die meisten Pferde braun.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany