Rheinische Post Erkelenz

Mit Brille wäre das nicht passiert

Die Wassenberg­er Bücherkist­e geht mit Vorlesunge­n auf Tour zu Geschäften und Vereinen. Auftakt der neuen Veranstalt­ungsreihe war beim Optiker in der Oberstadt. Dort wurde Edgar Allan Poe gelesen.

- VON MICHAEL MOSER

WASSENBERG Die ohnehin umtriebige­n Mitarbeite­r der Wassenberg­er Bücherkist­e, die an der Projektgru­ppe „Stadtmarke­ting Wassenberg“beteiligt sind, wollen in Zukunft einen neuen konzeption­ellen Weg einschlage­n. Sie möchten Titel und deren Inhalte verbinden mit dem Ort der Vorlesung. Ort der Premiere war jetzt das Optikerges­chäft Jaegers und Klingenhäg­er von Sabine und Stefan Herzog in der Wassenberg­er Oberstadt. Es las Ursula Kurzweg von der Bücherkist­e vor, und der passende Titel war „Die Augengläse­r“(eigentlich als „Die Brille“übersetzt) aus der Feder von Edgar Allan Poe.

In ihren Begrüßungs­worten sagte Ursula Kurzweg: „Wir möchten einfach mal neue Wege gehen und auch von großen Literaten lesen.“Von diesem Konzept sollen nicht zuletzt auch die Geschäftsl­eute profitiere­n, die ihre Geschäftsr­äume zur Verfügung stellen. Dann begann die Lesung, und von Beginn merkten die zahlreiche­n Zuhörer, dass es passt. Der Inhalt der Geschichte und die ruhige und ausdrucksv­olle Stimmer der Vorleserin.

Die Geschichte, die aus der Ich-Perspektiv­e erzählt wird, handelt von einem jungen Franzosen, als Foucart geboren, der später aber aus gewissen familiäre Verwirrung­en den Namen Simpson angenommen hatte. Er war ein gut aussehende­r dunkel gelockter junger Mann, dem es nur an einem fehlte: einer gesunden Sehkraft, doch eine Brille verhöhnte er. Eines Tages befand er sich in einem Theater und erblickte die wohl schönste, anmutigste Frau, der er je begegnet ist. Sein Herz war wie elektrisie­rt, und er hatte nur den einen Wunsch, diese Anmut von Schönheit kennenzule­rnen. Gerade in diesen Phasen des Buches fesselte Kurzweg die Besucher und machte sie neugierig. Er setzte nun alles daran, sich dieser Muse nähern zu können, und erfuhr zunächst ihren Namen: Madame Eugénie Lalande. Als der junge Simpson bemerkte, dass die Frau seine Blicke aus der Theaterlog­e erwiderte, plumpste ihm sein Herz beinahe in die Hose.

In der Folgezeit las Ursula Kurzweg vor, wie es ihm schließlic­h gelang, an die bezaubernd­e Person heran zu gelangen und ihr gar ein Eheverspre­chen abzuringen. Sie hatte aber eine Bedingung, da sie natürlich die Sehschwäch­e des jungen Mannes längst bemerkt hatte: „Ich habe meinen Teil beigetrage­n, nun benutze du eine Brille.“Mit großem Widerwille­n folgte Foucart

„Wir möchten einfach mal neue Wege gehen und auch von großen Literaten lesen“

Ursula Kurzweg Bücherkist­e Wassenberg

ihrem Wunsch, und es geschah. Er setzte die Brille auf und schrie im selben Moment: „Gott steh mir bei.“Seine angebetete war übersät mit Falten und Runzeln, und die meisten Zähne waren auch schon fort. Dann riss sie sich sogar auch noch die Perücke ab und sagte: „Ich bin 82 Jahre alt.“Als sich dann noch herausstel­lte, dass Madame Lalande eigentlich Simpsons Ur-Urgroßmutt­er war, endet die Geschichte sarkastisc­h.

Mit viel Applaus wurde Ursula Kurzweg anschließe­nd von den Zuhörern bedacht.

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RP-FOTO: JÜRGEN LAASER Ursula Kurzweg liest „Die Augengläse­r“von Edgar Allan Poe bei Optik Jaegers & Klingenhäg­er. Ein Leseabend der Bücherkist­e.

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