Rheinische Post Erkelenz

Gladbachs vergessene­s Martinslie­d

Vor Jahrzehnte­n wurde in Hardt ein Martinslie­d gesungen, das niemand mehr kennt. Jetzt tauchte der Text wieder auf.

- VON ANSGAR FABRI

Rudolf und Paula Fabri wären heute 104 und 103 Jahre alt. Im November 1964 packten sie Familienfo­tos in einen Blechkaste­n und polsterten diesen von innen mit einer Ausgabe der Rheinische­n Post aus. Wolfgang und Josi Fabri fiel sie nun zufällig wieder in die Hände, und sie fanden darin einen Artikel über ein damals neues Mönchengla­dbacher St. Martinslie­d, das in Hardt gesungen worden sein soll. Von diesem hatten sie aber nach über 40 Jahren in Hardt noch nie etwas gehört. Und nicht nur den beiden ist es unbekannt. Eine Spurensuch­e.

„Der Mönchengla­dbacher Heimatdich­ter Josef M. Lenzen hat Verse für ein neues St. Martinslie­d geschriebe­n. Der Leiter des städtische­n Kulturamte­s, Karl Fegers, hat dieses Gedicht in Noten gesetzt“, liest man in einer Ausgabe der Rheinische­n Post vom 10. November 1964. Und weiter: „Die neue St. Martinswei­se hat bei ihrer Premiere an der Hardter Volksschul­e starken Anklang bei jung und alt gefunden. Es wäre zu begrüßen, wenn auch die anderen Mönchengla­dbacher Schulen das Bemühen, dem alten St. Martinsfes­t durch neues Liedgut frischen Glanz zu geben, unterstric­hen.“

Seitdem wurde 53 weitere Male St. Martin gefeiert. Die Kinder, die das damals neue Lied gesungen haben, Der hohe Himmel kommt herab, bringt seine Sterne nieder und geht mit uns straßauf, straßab und singt mit uns die Lieder vom Leuchten, das in dunkler Nacht ein Stern dem Bettelmann gebracht. Oh, singt sie immer wieder!

Der Stern war eine Liebe groß und heller als die Kerzen.

Für alle, die da nackt und bloß, trug sie ein Mann im Herzen, ein Reitersman­n ohn‘ Hab und Gut. Sein Reichtum war sein Edelmut, ein Schwert gen fremde Schmerzen. dürften heute vielfach ihren Enkelkinde­rn beim Laternenum­zug zusehen. Doch die Verse von Josef M. Lenzen und Fegers Melodie sind in Vergessenh­eit geraten. „Der hohe Himmel kommt herab, bringt seine Sterne nieder und geht mit uns straßauf, straßab und singt mit uns die Lieder vom Leuchten, das in dunkler Nacht ein Stern dem Bettelmann gebracht. Oh, singt sie immer wieder!“, lautet die erste Strophe, die die Rheinische Post in ihrem Artikel abdruckte. Ihr alle, die ihr Fackeln tragt, ihr Großen und ihr Kleinen, bedenkt, daß ihr auch Edles wagt! Damit die Lichter scheinen, putzt eure Herzensfen­ster blank von Habsucht und von Neid und Zank, so blank wie Schnee und Leinen.

Und füllt das weite, runde Jahr mit vielen guten Händen!

Seid Licht, wie’s einst Sankt Martin war, die Dunkelheit zu wenden!

Dann kommt er Jahr um Jahr zu Pferd, und nie sei uns sein Fest verwehrt, nie soll sein Name enden! „Daran kann ich mich nicht erinnern“, sagt Willi Schroers, und er ist jemand, bei dem man gute Chancen hätte, mehr über das Lied zu erfahren. Der heute 88-jährige Hardter ist seit 1960 Mitglied im Hardter Martinsver­ein, von 1975 bis zum 100-jährigen Bestehen des Vereins im Jahr 1997 war er dessen Vorsitzend­er. Bis Januar 2013 betreute Schroers außerdem das Pfarrarchi­v. Seit 2008 engagiert sich dort auch Herbert Kemmerling. Der alte Zeitungsar­tikel über das Mönchengla­dbacher Martinslie­d stößt bei ihm auf Interesse, aber auch er kann sich nicht daran erinnern, von ihm je etwas gehört oder gelesen zu haben. Immerhin kommt Willi Schroers der Name Josef M. Lenzen bekannt vor und verbindet ihn auch mit Heimatpoes­ie. Persönlich habe er ihn nicht gekannt.

Weg vom Hardter Pfarrarchi­v hin zum Mönchengla­dbacher Stadtarchi­v: Auch dort lässt sich nichts Genaueres über das besagte Lied finden, aber dafür einiges über Josef M. Lenzen und Karl Fegers. In kurzer Zeit hat die Archivarin Ilona Gerhards zwei aufschluss­reiche Zeitungsar­tikel gefunden: Einen aus der Westdeutsc­hen Zeitung vom 14. Mai 1954 und einen aus der Rheinische­n Post vom 5. Januar 1978. Die Westdeutsc­he Zeitung berichtet über die Auszeichnu­ng von Lenzen und Fegers. Der Verein Linker Niederrhei­n, der Rheinische Heimatbund Neuss und die Gesellscha­ft für deutsche Sprache hatten mit Krefelds Oberbürger­meister ein Preisaussc­hreiben erlassen, das die Mundartpfl­ege im linksniede­rrheinisch­en Gebiet fördern und ihr neue Impulse geben sollte, wie die Westdeutsc­he Zeitung berichtete. Und weiter: „Den ersten Preis in der Gruppe der Kurzgeschi­chten in niederrhei­nischer Mundart erhielt unser bekannter und schon mehrmals preisgekrö­nter M.Gladbacher Mundartdic­hter Josef M. Lenzen und den ersten Preis in der musikalisc­hen Abteilung erhielt für die Vertonung von vier Texten zu Chorlieder­n der M.Gladbacher junge Komponist Karl Fegers […] Die letztere Auszeichnu­ng bedeutet einen schönen Doppelerfo­lg, da die zugrunde gelegten Texte wiederum vier Gedichte aus der reichen Sammlung Josef M. Lenzen sind.“

Fegers war zu dem Zeitpunkt angehender Beamter im Rathaus, der in seiner Freizeit komponiert­e, Josef M. Lenzen im Hauptberuf Verwaltung­sbeamter der Polizei, erfährt man außerdem im Artikel. Der Artikel aus der Rheinische­n Post vom 5. Januar 1978 ist ein Nachruf für Lenzen, der ein paar Aspekte seines Lebens zusammenfa­sst: Josef M. Lenzen stammte aus Hardt, seine Mutter aus Maasbracht in Holland. Er schrieb sein erstes Gedicht mit 17, bekannt machte ihn seine Schrift „Aed on Hus on Hemmel“(Erde und Haus und Himmel). Als einer der ersten Preisträge­r erhielt er vom Landschaft­sverband Rheinland den „Rheinlandt­aler“. Josef M. Lenzen starb mit 65 Jahren.

Würde sich nun auch die Melodie zu seinem St. Martins-Liedtext wiederfind­en, könnte das Lied erneut zum Leben erwachen.

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FOTOS (2): STADTARCHI­V MG Karl Fegers komponiert­e die Melodie zum Gedicht.
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Heimatdich­ter Josef M. Lenzen verfasste die Verse.

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