Rheinische Post Erkelenz

Ein Quartett aus nur drei Musikern

Die Jazzcombo Accordion Affairs begeistert beim Auftritt in Eicken. Das Trio ist dabei quasi ein Quartett, denn der im Alter von zwei Jahren erblindete Frontmann Jörg Siebenhaar spielt neben Akkordeon gleichzeit­ig auch Klavier.

- VON DIRK RICHERDT

Zum „Bergfest“des Festivals „Jazz in der Kirche“holte der veranstalt­ende Jazz-Club Mönchengla­dbach drei alte Bekannte in die Stadt. Alle sind in verschiede­nen Jazzformat­ionen aktiv, hier präsentier­ten sich der Akkordeons­pieler und Pianist Jörg Siebenhaar, der Kontrabass­ist Konstantin Wienstroer und der Drummer Peter Baumgärtne­r mit ihrem Projekt „Accordion Affairs“. Beim Auftritt in der Friedenski­rche an der Margarethe­nstraße genossen die etwa 100 Besucher nicht allein

„Das ist so hochemotio­nal, dass wir lieber ein paar Emotionen herausnehm­en sollten“

Jörg Siebenhaar Akkordeons­pieler und Pianist

die famose Akustik des Kirchenbau­s, sondern konnten sich 80 Minuten live an den perfekt abgestimmt­en Lounge-Jazz-Klängen dieses einzigarti­gen Trios erfreuen.

Einzigarti­g sind Accordion Affairs schon deswegen, weil die drei Musiker eigentlich ein Quartett bilden. Wie das? Der blinde Akkordeon-Virtuose Jörg Siebenhaar (48) aus Krefeld spielt nämlich oft gleichzeit­ig auch Klavier. In der Eickener Kirche stand ihm ein Blüthner-Flügel zur Verfügung, auf dem er mit der linken Hand „coole“Begleitfig­uren versah, während die rechte in flirrenden, blitzschne­ll ausgeführt­en Passagen oder bei getragenen, melancholi­schen Themen die melodische­n Klangmögli­chkeiten des Balginstru­ments ausbreitet­e. Das war so gekonnt, dass es einem den Atem verschlage­n könnte, lüden die emotional aufgeladen­en Tango-, Milongaund Musette-Weisen nicht eher dazu ein, sich dieser Musik traumverzü­ckt einfach hinzugeben.

Folk-Anspielung­en charakteri­sieren die im Vorjahr herausgege­bene CD „Elle“des Trios, das die Titel seines Silberling­s live in diesem Konzert wiedergab. Dabei erklangen nicht nur Eigenkompo­sitionen, wie zum Beispiel „Crusade“von Siebenhaar oder „C“von Peter Baumgärtne­r, sondern auch Titel berühmter Kollegen wie Richard Galliano („Laurita“), Charles Fambrough oder Miles Davis, dessen „Teo“aus dem Jahr 1961 das Gastspiel beschloss.

Auf Begeisteru­ng trafen auch ein türkisches Traditiona­l und das Stück „Sister Cheryl“des Schlagzeug­ers Tony Williams sowie das argentinis­che Liebeslied „Nada“. „Das ist so hochemotio­nal, dass wir lieber ein paar Emotionen herausnehm­en sollten“, sagte Jörg Siebenhaar vorher und schmunzelt­e. Der im Alter von zwei Jahren erblindete Musiker ist unbestreit­bar der Frontmann des Trios, aber auch Konstantin Wienstroer am Kontrabass und der 60-jährige Duisburger Peter Baumgärtne­r am Schlagzeug legten sich mit nicht nachlassen­der Energie ins Zeug. Drei tolle Jazzmusike­r musizierte­n da auf Augenhöhe. Für 80 wonnige Hör-Minuten.

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FOTO: JÜRGEN KÖRTING Jörg Siebenhaar (Akkordeon/Piano), Konstantin Wienstroer (Kontrabass) und Peter Baumgärtne­r (Schlagzeug) spielten ihr Konzert in der Friedenski­rche.

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