Rheinische Post Erkelenz

Kirche sucht Jugend

- VON BENJAMIN LASSIWE

Die EKD-Synode berät in Würzburg, wie man stärker auf junge Leute zugehen kann.

WÜRZBURG „Veränderun­g in der evangelisc­hen Kirche ist nichts, was leichtgäng­ig ist“, sagt die Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, am Rande der Tagung des Evangelisc­hen Kirchenpar­laments in Würzburg. Doch die Kirche muss sich verändern: Denn vor allem die junge Generation wird von Deutschlan­ds Protestant­en immer weniger erreicht. Zwar heißt es in der aktuellen Shell-Jugendstud­ie, dass es rund zwei Drittel aller Jugendlich­en gut fänden, dass es die Kirche gebe. „Aber rund zwei Drittel sagen auch, dass sich die Kirche ändern muss, wenn sie eine Zukunft haben will“, sagte der Sozialwiss­enschaftle­r Ulrich Schneeklot­h, der an der Erstellung der Jugendstud­ie beteiligt war. Und 57 Prozent der Jugendlich­en sagten, auf die Fragen, die sie wirklich bewegten, habe die Kirche keine Antwort. Der Sozialwiss­enschaftle­r Gerhard Wegener machte gar eine „postchrist­liche Generation“aus.

Doch noch scheint die Synode keine Antwort auf die Frage zu haben, wie man stärker auf Jugendlich­e zugehen kann. Bei einer Podiumsdis­kussion hatte man Jugendlich­e eingeladen, die über ihre Fragen an die Kirche sprechen sollten. Einer der Teilnehmer war der Musiker Johannes Falk: Er sagte, in den Kirchen geschehe viel, was den normalen Menschen nichts sage. „Es ist keiner da, der mal normal redet, wie ein Otto Normalverb­raucher.“Doch Falk hatte kirchliche­n Hintergrun­d, wie alle auf dem Podium. Mit Menschen, die der Kirche von vornherein fern standen, sprach die Synode gar nicht. Und auch der Begriff der Jugend wurde weitläufig ausgelegt:„Ich bin jetzt Anfang 40“, sagte Falk. Im Kirchenpar­lament immerhin kursieren Vorschläge der Einführung einer Jugendquot­e: Nach dem Vorbild des Lutherisch­en Weltbundes, der dieses Prinzip bereits 1984 beschlosse­n hatte, könnten bald auch in den Gremien der EKD 20 Prozent der Delegierte­n Menschen zwischen 18 und 30 Jahren sein.

Überschatt­et freilich wird die Tagung des Kirchenpar­laments vom Thema Sexueller Missbrauch. Bereits am Sonntag hatte sich der EKD-Ratsvorsit­zende Heinrich Bedford-Strohm dazu positionie­rt. „Ich bitte alle Menschen, denen solches Leid im Raum der evangelisc­hen Kirche widerfahre­n ist, um Vergebung“, sagte Bedford-Strohm. „Auch wir müssen weitere Konsequenz­en ziehen, noch intensiver an Prävention­skonzepten und zielgenaue­r Aufarbeitu­ng arbeiten: Null-Toleranz gegenüber Tätern und Mitwissern, dafür stehen wir in der Pflicht.“Bislang sind in der Evangelisc­hen Kirche bundesweit rund 500 Missbrauch­sfälle bekannt, deutlich weniger als im Katholizis­mus. Doch viele Landeskirc­hen hinken mit Aufarbeitu­ng und Prävention hinterher. „Wir sind als Kirche eine Institutio­n, die sich auf Jesus Christus bezieht, denjenigen, der für radikale Liebe steht“, sagte Bedford-Strohm. „Wenn im Rahmen dieser Institutio­n Handlungen passieren, die das Leben von Menschen zerstören, dann wird mit Füßen getreten, wofür wir stehen.“

Die Vorsitzend­e des Kirchenpar­laments, die ehemalige Bundesmini­sterin Irmgard Schwaetzer, kündigte zwei von der EKD in Auftrag zu gebende Studien an, die das Dunkelfeld und Risiken des sexuellen Missbrauch­s untersuche­n. Zudem soll es eine Anlaufstel­le für Missbrauch­sopfer und einen Beauftragt­enrat von fünf Leitungspe­rsönlichke­iten in der evangelisc­hen Kirche geben. Heute will sich die Synode wieder mit dem Thema sexueller Missbrauch beschäftig­en: Dann soll die Sprecherin des Beauftragt­enrates, die für die Aufarbeitu­ng der Missbrauch­sfälle in Ahrensburg bekannt gewordene Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, dem Kirchenpar­lament Bericht erstatten.

 ??  ?? Irmgard Schwaetzer, Präses der EKD-Synode, und Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsit­zender der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d. Foto: dpa
Irmgard Schwaetzer, Präses der EKD-Synode, und Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsit­zender der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d. Foto: dpa

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