Publikumsliebling übernimmt bei Bayer
Simon Rolfes, Ehrenspielführer der Werkself, löst überraschend Jonas Boldt als Sportdirektor in Leverkusen ab.
LEVERKUSEN Eigentlich hätte die Lage unter dem Bayer-Kreuz nach dem 2:0-Sieg gegen den VfB Stuttgart am Freitagabend wieder etwas entspannter sein können. Kevin Volland verschaffte der kriselnden Werkself mit seinem Doppelpack ein Erfolgserlebnis, das Schwung für die kommenden Wochen geben könnte. Doch dann sorgte Sportdirektor Jonas Boldt mit seiner Ankündigung, den Verein zum Saisonende zu verlassen, für einen Paukenschlag.
Der 36-Jährige, der vor etwa 15 Jahren als Praktikant bei Bayer 04 begann und sich vom Scout zum Kaderplaner sowie Manager hocharbeitete, hatte erst im Sommer seinen neuen Posten angetreten. Es war für ihn der nächste Schritt auf seiner Karriereleiter, die nur eine Richtung zu kennen scheint: nach oben. Umso überraschender kommt nun die Meldung seines vorzeitigen Rückzugs.
Boldts Ehrgeiz und Zielstrebigkeit sind über jeden Zweifel erhaben. Möglich, dass er hinter den Kulissen bereits ein Engagement bei einem Klub mit wesentlich größerer Strahlkraft angebahnt hat. Die Fähigkeit, frühzeitig Chancen zu erkennen und Nägel mit Köpfen zu machen, hat ihn unter anderem schon bei den vielgelobten Transfers von Arturo Vidal, Dani Carvajal oder Leon Bailey ausgezeichnet. Mit Verhandlungsgeschick, Fachwissen und gutem Gespür hat er sich einen exzellenten Ruf in der Branche erarbeitet.
Boldt begründet den Schritt mit einer „Weiterentwicklung durch Veränderung“und verspricht vollen Einsatz bis zum Saisonende. Dabei will er auch seinen designierten Nachfolger Simon Rolfes einarbeiten, der seit Sommer als Leiter für Jugend und Entwicklung im Verein tätig war und als Ehrenspielführer für 110 Prozent Bayer 04 steht.
Sportgeschäftsführer Rudi Völler und Werner Wenning, Vorsitzender des Gesellschafterausschusses beim Werksklub, finden nur lobende Worte für Boldt. Doch die herzlichen Töne täuschen nicht darüber hinweg, dass es angesichts der aktuell schwierigen sportlichen Lage intern knirschen dürfte. Leverkusen ist dabei, sein wichtigstes Saisonziel zu verpassen: einen Tabellenplatz zu erreichen, der zur Teilnahme an Champions- oder Europa League berechtigt.
Völler spannte in den vergangenen Wochen dennoch einen rhetorischen Schutzschirm über Trainer Heiko Herrlich. Als die Ergebnisse ausblieben, war es stets der 58-Jährige, der sich kritischen Fragen stellte und Jobgarantien ausstellte. Er ist nach wie vor Gesicht und Stimme des Klubs. Uneinigkeit bei der sportlichen Zukunft des Vereins könnte einer der Gründe für die vorzeitige Trennung sein. Vom 36-jährigen Boldt war seit Wochen keine Silbe zu dem Thema zu hören. Auch sonst machte er sich auffallend rar – trotz seiner Ankündigung, im neuen Amt auch mehr in die Öffentlichkeit gehen zu wollen.
Ab dem 1. Dezember soll also der Vize-Europameister von 2008 Simon Rolfes die sportlichen Geschicke des Vereins leiten. Er ist nicht nur auf den ersten Blick eine gute Wahl. Der 36-Jährige hat seine Karriere nach der Karriere in den vergangenen Jahren intensiv angekurbelt, war unter anderem TV-Experte und hat mit einem Geschäftspartner den Tortechnikdienstleister „Goal Control“übernommen.
Neben seinen Erfahrungen als Profi qualifiziert den gebürtigen Westfalen vor allem sein fast zweijähriges Sportmanagement-Studium bei der Uefa. Dort hat sich Rolfes gemeinsam mit anderen ehemaligen Nationalspielern wie Sebastian Kehl, inzwischen Leiter der Lizenzspielerabteilung bei Borussia Dortmund, auf eine Karriere als Fußball-Funktionär vorbereitet.
Nun will der ehemalige Fanliebling, der in Geschäftsführer Fernando Carro einen wichtigen Fürsprecher hinter sich weiß, Leverkusen „langfristig dort positionieren, wo nicht nur wir selbst uns sehen: In der Spitzengruppe des deutschen Fußballs, als Stammgast auf europäischer Bühne.“