Das unglückliche Liebesleben der Droste-Hülshoff
Strickstrumpf, Gebetbuch und Bescheidenheit – das sind für eine Frau Anfang des 19. Jahrhunderts die unabdingbaren Voraussetzungen, um einen Mann an sich zu binden. Annette von Droste-Hülshoff macht also alles falsch. Sie strickt wie ein Kleinkind, schreibt Gedichte und mit ihrer vorlauten Art, sich in die Gespräche der Männer einzumischen, eckt sie überall an. Trotzdem umschwirren die Herren sie.
Dabei hat Nette ihren Herzbuben schon gefunden. Heinrich Straube, heißt er und ist der Freund ihres Onkels August. Die beiden studieren zusammen. Straube schon so lang, dass er die Geschichte der Göttinger Uni schreiben könnte – aus eigener Anschauung. Als Annette ihm 1818 auf dem Bökerhof vorgestellt wird, tut sie sich noch schwer. Straube ist hässlich und klein. Müffelt wie ein nasser Hund. Nachdem er aber ihre Gedichte gelesen und ihr Talent attestiert hat („Sie schreiben wie ein Mann“), ist sie ihm so dankbar, dass sie sich verliebt.
Was tatsächlich auf dem Bökerhof vorgefallen sei, schickt Karen Duve ihrem Roman „Fräulein Nettes kurzer Sommer“voraus, liege im Dunkeln. Um sich den historischen Ereignissen anzunähern, habe sie den Figuren Meinungen in den Mund gelegt, die diese in Tagebüchern und Briefen äußerten.
Wie gut die 1961 in Hamburg geborene Duve, die in der Märkischen Schweiz in Ost-Brandenburg lebt, recherchiert hat, belegt das Literaturverzeichnis am Ende ihres Buches. Es lässt so manchen Germanistikstudenten erblassen. Ihrem Roman aber merkt man diese Mühe nicht an. In einem launigen Tonfall erzählt Karen Duve von den unglücklichen Liebschaften der Droste-Hülshoff.
Immer schon hatten Männer in Karen Duves Büchern einen schweren Stand. Das war im „Regenroman“(1999) so und auch zuletzt in „Macht“(2016). Auch im neuen Roman führen sie deutschtümelnde Reden, Saufen und verkennen die Realität ein ums andere Mal. Die muntere Ironie, mit der das alles beschrieben wird allerdings, hat nichts Verbittertes, sondern lässt den Leser schmunzeln.
Karen Duve Fräulein Nettes kurzer Sommer Galiani, 592 Seiten, 25 Euro