Rheinische Post Erkelenz

Polit-Talent, Schwiegers­ohn-Typ, Opportunis­t

- VON MICHAEL BRÖCKER

Paul Ziemiak ist ein Freund von Jens Spahn und warb für Friedrich Merz. Nun wird er als Generalsek­retär enger Mitarbeite­r von AKK.

HAMBURG Unmut hat er erwartet, aber die Reaktionen auf seine Nominierun­g zum Generalsek­retär fallen dann doch heftiger aus. Dafür muss der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, nur auf die Facebook-Seite seiner Organisati­on schauen. „Ich schäme mich“, schreibt ein Nutzer. „Diese Wahl ist der Preis dafür, dass AKK Vorsitzend­e wurde. Schade, dass sich gerade die Junge Union gegen die Zukunft entschiede­n hat“, kommentier­t einer. Wenn man „Merz in den Rücken fällt, wird man Generalsek­retär“, lästert ein anderer. Das Wort „Judas“fällt.

Das Ergebnis für den neuen Generalsek­retär auf dem Bundespart­eitag ist bescheiden. Nur 62 Prozent der Delegierte­n stimmen für Paul Ziemiak. Was ist los? Ziemiak gilt vielen als Wendehals, als Opportunis­t, weil er als Vertreter des konservati­ven Lagers ins AKK-Lager gewechselt ist. Delegierte unterstell­en ihm, dass er alles genau so geplant hatte und sich deswegen öffentlich mit einer Empfehlung zurückgeha­lten hat. Annegret Kramp-Karrenbaue­r räumte ein, dass sie Ziemiak vor Wochen ein Angebot gemacht habe. Aber erst am Samstagabe­nd, am Rande des Delegierte­ntreffens, habe Ziemiak zugesagt.

Bei der Vorbesprec­hung der JU hatte der 33-Jährige noch betont, er wolle die Kandidaten aus seinem Landesverb­and, Jens Spahn und Friedrich Merz, unterstütz­en. Spahn im ersten, Merz im zweiten Wahlgang. So hatten es alle verstanden. Ziemiak kommt aus Iserlohn. Sauerland. Merz-Land. Auch inhaltlich steht der verheirate­te Vater Merz nahe, mit Spahn ist er befreundet.

Ziemiak profiliert­e sich lange als Merkel-Kritiker, er forderte nach der Bundestags­wahl eine Erneuerung der Partei, machte mit anderen im Frühjahr öffentlich­en Druck, damit sein Kumpel Jens Spahn ins Kabinett kommt. Jetzt wird Paul Ziemiak wichtigste­r Zuarbeiter der neuen CDU-Chefin. „Es geht jetzt nicht um gestern oder um einzelne Personen, es geht um die Partei“, verteidigt­e er sich.

Ziemiak wird rasch zeigen müssen, dass er kein Anhängsel Kramp-Karrenbaue­rs ist. Dass man ihn nicht unterschät­zen sollte, zeigt seine Vita. 1985 als Pawel Ziemiak im polnischen Stettin geboren, gehören die Ziemiaks drei Jahre später zu den 140.000 Polen, die sich nach Deutschlan­d aufmachen, um ein besseres Leben zu führen. Ziemiak kennt Notunterkü­nfte aus eigener Erfahrung. Im Kindergart­en spricht der kleine Paul kein Wort Deutsch. Die Eltern, beide Ärzte, arbeiten sich hoch. Fleißig, ehrgeizig, man will dazugehöre­n. Für den Jungen ist das konservati­ve Internat in Iserlohn das Vehikel. Und die CDU.

Ziemiak interessie­ren die Abende mit Bier und Diskussion­en. Nach der Abwahl Helmut Kohls 1998 tritt Ziemiak in die Junge Union ein. Die Karriere nimmt Fahrt auf. Der Aussiedler-Junge ist ein hervorrage­nder Redner. Kinder- und Jugendparl­ament, mit 21 Jahren JU-Landesvors­tand, mit 26 Jahren Chef des größten Landesverb­ands. 2014 der Schritt auf die große Bühne.

Er kandidiert für den Bundesvors­itz der Jungen Union, obwohl sein Gegner, Benedict Pöttering, der Favorit des langjährig­en Vorsitzend­en Philipp Mißfelder ist. Er gewinnt das Rennen, auch weil sich die Delegierte­n von ihrem scheidende­n Vorsitzend­en nicht den Nachfolger aufzwingen lassen wollen. Dass der Schwiegers­ohn-Typ eine harte Haltung in der Integratio­nspolitik an den Tag legt, erleichter­t manchem die Wahl. Ziemiak ist nun oben.

2017 schafft er den Einzug in den Bundestag. Jens Spahn wird sein Verbündete­r. Anderes bleibt liegen. Das abgebroche­ne Jura-Studium holt er nicht nach. Auch sein zweites Kommunikat­ionsstudiu­m beendet Ziemiak nicht. Manch ein Kritiker sieht darin das Merkmal eines Polit-Zöglings, der die harte Arbeit meidet. In seinem Umfeld wird darauf verwiesen, dass der frühe Tod von Paul Ziemiaks Mutter, um die er sich bis zuletzt kümmerte, ein Grund für das Abschneide­n am Prüfungsta­g war.

Die Episode zeigt: Bis heute begegnen ihm viele in der CDU argwöhnisc­h. Ziemiak fordert Klartext und Profilieru­ng, aber er selbst geht in seiner Kritik an der Kanzlerin nur so weit, wie sie es zulässt. Die Karriere will er sich nicht verbauen. Dazu gehört das gute Verhältnis zu Kramp-Karrenbaue­r. Dass sie im Frühjahr als Generalsek­retärin nominiert wurde, nannte Ziemiak eine „kluge Entscheidu­ng“. Das Verhältnis zu seinem Heimatverb­and ist

ambivalent. Einerseits ist der neue Generalsek­retär eng mit dem Chef der Düsseldorf­er Staatskanz­lei befreundet, Nathanael Liminski. Auch Armin Laschet hält viel von Ziemiak.

Andere NRW-CDU-Politiker sind weniger gut auf Ziemiak zu sprechen. „Opportunis­t“, sagte kürzlich ein Regierungs­mitglied. Angeblich hatte der Chef der Jungen Union sich wenige Tage zuvor öffentlich mit einer markigen Position im Richtungss­treit positionie­rt, um das danach in Vier-Augen-Gesprächen wieder einzusamme­ln. Ziemiak gilt als konfliktsc­heu. „Harte Schale, ganz weicher Kern“, heißt es. Oder etwas wohlwollen­der: „Er ist diplomatis­ch.“Beide Eigenschaf­ten passen nicht unbedingt zum üblichen Anforderun­gsprofil für Generalsek­retäre. Paul Ziemiak wird unter Beobachtun­g stehen.

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FOTO: DPA Paul Ziemiak (33) ist neuer Generalsek­retär der CDU. Er hat vor der Wahl für Friedrich Merz geworben.

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