Polit-Talent, Schwiegersohn-Typ, Opportunist
Paul Ziemiak ist ein Freund von Jens Spahn und warb für Friedrich Merz. Nun wird er als Generalsekretär enger Mitarbeiter von AKK.
HAMBURG Unmut hat er erwartet, aber die Reaktionen auf seine Nominierung zum Generalsekretär fallen dann doch heftiger aus. Dafür muss der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, nur auf die Facebook-Seite seiner Organisation schauen. „Ich schäme mich“, schreibt ein Nutzer. „Diese Wahl ist der Preis dafür, dass AKK Vorsitzende wurde. Schade, dass sich gerade die Junge Union gegen die Zukunft entschieden hat“, kommentiert einer. Wenn man „Merz in den Rücken fällt, wird man Generalsekretär“, lästert ein anderer. Das Wort „Judas“fällt.
Das Ergebnis für den neuen Generalsekretär auf dem Bundesparteitag ist bescheiden. Nur 62 Prozent der Delegierten stimmen für Paul Ziemiak. Was ist los? Ziemiak gilt vielen als Wendehals, als Opportunist, weil er als Vertreter des konservativen Lagers ins AKK-Lager gewechselt ist. Delegierte unterstellen ihm, dass er alles genau so geplant hatte und sich deswegen öffentlich mit einer Empfehlung zurückgehalten hat. Annegret Kramp-Karrenbauer räumte ein, dass sie Ziemiak vor Wochen ein Angebot gemacht habe. Aber erst am Samstagabend, am Rande des Delegiertentreffens, habe Ziemiak zugesagt.
Bei der Vorbesprechung der JU hatte der 33-Jährige noch betont, er wolle die Kandidaten aus seinem Landesverband, Jens Spahn und Friedrich Merz, unterstützen. Spahn im ersten, Merz im zweiten Wahlgang. So hatten es alle verstanden. Ziemiak kommt aus Iserlohn. Sauerland. Merz-Land. Auch inhaltlich steht der verheiratete Vater Merz nahe, mit Spahn ist er befreundet.
Ziemiak profilierte sich lange als Merkel-Kritiker, er forderte nach der Bundestagswahl eine Erneuerung der Partei, machte mit anderen im Frühjahr öffentlichen Druck, damit sein Kumpel Jens Spahn ins Kabinett kommt. Jetzt wird Paul Ziemiak wichtigster Zuarbeiter der neuen CDU-Chefin. „Es geht jetzt nicht um gestern oder um einzelne Personen, es geht um die Partei“, verteidigte er sich.
Ziemiak wird rasch zeigen müssen, dass er kein Anhängsel Kramp-Karrenbauers ist. Dass man ihn nicht unterschätzen sollte, zeigt seine Vita. 1985 als Pawel Ziemiak im polnischen Stettin geboren, gehören die Ziemiaks drei Jahre später zu den 140.000 Polen, die sich nach Deutschland aufmachen, um ein besseres Leben zu führen. Ziemiak kennt Notunterkünfte aus eigener Erfahrung. Im Kindergarten spricht der kleine Paul kein Wort Deutsch. Die Eltern, beide Ärzte, arbeiten sich hoch. Fleißig, ehrgeizig, man will dazugehören. Für den Jungen ist das konservative Internat in Iserlohn das Vehikel. Und die CDU.
Ziemiak interessieren die Abende mit Bier und Diskussionen. Nach der Abwahl Helmut Kohls 1998 tritt Ziemiak in die Junge Union ein. Die Karriere nimmt Fahrt auf. Der Aussiedler-Junge ist ein hervorragender Redner. Kinder- und Jugendparlament, mit 21 Jahren JU-Landesvorstand, mit 26 Jahren Chef des größten Landesverbands. 2014 der Schritt auf die große Bühne.
Er kandidiert für den Bundesvorsitz der Jungen Union, obwohl sein Gegner, Benedict Pöttering, der Favorit des langjährigen Vorsitzenden Philipp Mißfelder ist. Er gewinnt das Rennen, auch weil sich die Delegierten von ihrem scheidenden Vorsitzenden nicht den Nachfolger aufzwingen lassen wollen. Dass der Schwiegersohn-Typ eine harte Haltung in der Integrationspolitik an den Tag legt, erleichtert manchem die Wahl. Ziemiak ist nun oben.
2017 schafft er den Einzug in den Bundestag. Jens Spahn wird sein Verbündeter. Anderes bleibt liegen. Das abgebrochene Jura-Studium holt er nicht nach. Auch sein zweites Kommunikationsstudium beendet Ziemiak nicht. Manch ein Kritiker sieht darin das Merkmal eines Polit-Zöglings, der die harte Arbeit meidet. In seinem Umfeld wird darauf verwiesen, dass der frühe Tod von Paul Ziemiaks Mutter, um die er sich bis zuletzt kümmerte, ein Grund für das Abschneiden am Prüfungstag war.
Die Episode zeigt: Bis heute begegnen ihm viele in der CDU argwöhnisch. Ziemiak fordert Klartext und Profilierung, aber er selbst geht in seiner Kritik an der Kanzlerin nur so weit, wie sie es zulässt. Die Karriere will er sich nicht verbauen. Dazu gehört das gute Verhältnis zu Kramp-Karrenbauer. Dass sie im Frühjahr als Generalsekretärin nominiert wurde, nannte Ziemiak eine „kluge Entscheidung“. Das Verhältnis zu seinem Heimatverband ist
ambivalent. Einerseits ist der neue Generalsekretär eng mit dem Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei befreundet, Nathanael Liminski. Auch Armin Laschet hält viel von Ziemiak.
Andere NRW-CDU-Politiker sind weniger gut auf Ziemiak zu sprechen. „Opportunist“, sagte kürzlich ein Regierungsmitglied. Angeblich hatte der Chef der Jungen Union sich wenige Tage zuvor öffentlich mit einer markigen Position im Richtungsstreit positioniert, um das danach in Vier-Augen-Gesprächen wieder einzusammeln. Ziemiak gilt als konfliktscheu. „Harte Schale, ganz weicher Kern“, heißt es. Oder etwas wohlwollender: „Er ist diplomatisch.“Beide Eigenschaften passen nicht unbedingt zum üblichen Anforderungsprofil für Generalsekretäre. Paul Ziemiak wird unter Beobachtung stehen.