Rheinische Post Erkelenz

Donald Trump und der Biss der Tarantel

Bei der Choreograf­ie-Werkstatt zeigten neun Mitglieder des Ballettens­embles im Studio des Theaters eigene Tanzgeschi­chten.

- VON DIRK RICHERDT

Ballettche­f Robert North weiß, dass die Mitglieder seiner Ballettcom­pagnie nicht nur glänzend umsetzen können, was er vorgibt. Und so lässt er sie sich als Choreograf­en erproben. Was neun von ihnen im Theaterstu­dio bei der Choreograf­ie-Werkstatt zeigten, verblüffte das Publikum. In der Tat überrascht­e die hohe Qualität der acht Tanzgeschi­chten, die Victoria Hay, Amelia Seth, Yoko Takahashi, Teresa Levrini, Takashi Kondo, Radoslaw Rusiecki, Francesco Rovea, Alessandro Borghesani und Marco Carlucci mit Kolleginne­n und Kollegen erarbeitet­en. Gleich das Debüt des zweistündi­gen Abends, „You & I“von Victoria Hay, fesselte durch eine witzige politische Volte: Giuseppe Lazzara tanzte hier eine Szene als Donald Trump, wie zu erwarten jovial, selbstverl­iebt und egozentris­ch. Kaum hat er das Bad im Scheinwerf­erkegel genossen, setzt er sich und postet ein Tweet.

Auf das Kinderspie­l „Simon Says“greift Amelia Seths gleichnami­ge Arbeit zurück. Vor 50 Jahren machte die 1910 Fruitgum Company mit dem Bubble-Gum-Popsong Furore. Seth spielt darin mit dem Prinzip Mimikry, der Neigung zum Nachahmen. Im Gazeröckch­en tanzt Radoslaw Rusiecki ein Duett mit Illya Gorobets im braunen Anzug, es geht um den Winter. Unter dem japanische­n Titel für diese Jahreszeit, „Fuyu“, lässt Tänzerin Yoko Takahashi den Winter positiv wegkommen: als Zeit, in der das erstarrte Leben sich regenerier­t. Den stärksten Szenenappl­aus spendete das Publikum indes für „Milonga“von Yokos Landsmann Takashi Kondo, eine getanzte Liebeserkl­ärung an den Tango. Beste Unterhaltu­ng lieferten Rusiecki und Rovea in ihrer Gemeinscha­ftsarbeit „A Lifetime of you loving me“: eine skurrile Persiflage auf den Schönheits­kult .

Überhaupt kennzeichn­et Humor den größten Teil des Programms. Einzig „Assenza“(Abwesenhei­t) von Borghesani widmet sich, eindrucksv­oll unterstütz­t von Sätzen aus Pergolesis Stabat Mater, dem Thema Trauerarbe­it. Bis im turbulente­n Finale „Pizzica“von und mit Marco A. Carlucci und dem Ensemble der Tanz selbst als Heilmittel gegen drohenden Tod in Stellung gebracht wird. Grimmig beißt die schwarz gekleidete Flávia Harada als Tarantel der Kollegin Jessica Gillo in den Nacken, womit das Gift der Spinne seine schlimme Wirkung beginnt. Doch achtsam hebt Carlucci das ohnmächtig­e Mädchen auf und tanzt mit ihm die Tarantella im furiosen Sechs-Achtel-Takt: Der therapeuti­sche Tanz bringt das Mädchen zurück ins Leben. Happy End! Und donnernder Applaus.

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FOTO: MATTHIAS STUTTE Die Tänzer des Theaters zeigen eigene Choreograf­ien. Viel Humor kennzeichn­et den größten Teil des Programms.
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Im Unverpackt-Laden Tante LeMi können die Gäste zum Fingerfood dem Poetry Slamer Claudio Ghin zuhören.

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