„Es trifft wie immer die Falschen“
Hunderttausende Pendler saßen wegen des Warnstreiks an den Bahnhöfen fest. Die meisten Wartenden hatten kein Verständnis für die Verzögerungen. Auch nach dem Streik kam es auf vielen Strecken zu erheblichen Verspätungen.
BOCHUM Anastasia Gamm ist ziemlich genervt. Sie steht am Bochumer Hauptbahnhof und wartet auf ihren Zug. „Es trifft wie immer die Falschen“, sagt sie. „Ich muss zur Arbeit nach Düsseldorf und habe nicht die Möglichkeit, auf ein Auto umzusteigen.“Sie wird deshalb viel zu spät kommen, vielleicht schafft sie es auch gar nicht. „Ich habe aber Glück, dass mein Arbeitgeber Verständnis hat.“
Wie Gamm sitzen am Montagmorgen Hunderttausende Pendler an den Bahnhöfen in NRW fest. Nach gescheiterten Tarifverhandlungen hat die Bahngewerkschaft EVG zu bundesweiten Streiks am Montagmorgen zwischen 5 und 9 Uhr aufgerufen. Während dieser Zeit und kurz danach geht nichts mehr im Regional- und Fernverkehr. „Die Lage ist nicht schlimmer als gedacht“, sagt ein Mitarbeiter des Bahnhofsmanagements in Köln. „Sie ist aber genauso schlimm wie erwartet.“
Auch am Essener Hauptbahnhof stranden viele Reisende. Wer keinen der raren Sitze ergattern konnte, steht dort vor dem Drogeriemarkt, an der Bäckerei, vor dem Blumengeschäft. „Aufgrund von Warnstreiks der Gewerkschaft EVG wird der Zugverkehr bis voraussichtlich 9 Uhr bundesweit eingestellt“, hallt es durch das Gebäude. Die Reisenden beachten es kaum. Viele spielen auf ihren Handys, schreiben Nachrichten, durchforsten die Bahn-App nach Informationen. Freundlich beantwortet eine Bahn-Mitarbeiterin die Fragen der Pendler. Wann geht es wieder los? Fährt denn wirklich gar nichts? Was ist mit dem ICE nach Düsseldorf?
Eine 52-jährige Frau aus Essen zuckt resigniert mit den Schultern. Um 6.52 Uhr sollte ihr Zug sie eigentlich nach Dortmund bringen. „Ich finde es nicht sehr angenehm, aber was soll man machen? Die Leute haben ja das Recht zu streiken.“Die Pendlerin beklagt, dass es auch sonst häufig Probleme gebe – etwa wegen Bauarbeiten. „Man muss einfach oft viel zu lange warten.“Und was hat sie die ganze Zeit gemacht? „Ich bin rumgelaufen, um mich warmzuhalten.“
Frank K. aus Düsseldorf muss eigentlich in 20 Minuten bei der Arbeit in Langenfeld sein. Er ist mächtig sauer „auf die Bahn, die Gewerkschaft und wer sonst noch mit dem Streik zu tun hat“. Informationen sind an diesem Morgen Mangelware. In langen Schlangen stehen Reisende an der Information in Düsseldorf und Köln an. Ersatzverkehr gibt es in den meisten Fällen nicht. Zwischen Solingen und Wuppertal werden zwar Busse eingesetzt, doch die Reisenden am Hauptbahnhof werden darüber nicht informiert, können ihn also nicht nutzen. Umsteigen aufs Auto? Nicht wirklich hilfreich an einem Tag wie diesem. Denn auch auf den Autobahnen herrscht Schrittgeschwindigkeit. Fast 440 Kilometer lang steht die Blechlawine am Morgen in NRW.
Um 9 Uhr endlich Entwarnung: „Der Streik ist beendet“, schreibt die Deutsche Bahn auf Twitter, weist aber darauf hin, dass über den gesamten Tag mit Einschränkungen gerechnet werden müsse. Entsprechend sehen die Anzeigetafeln in Düsseldorf und Köln aus: Bis zu 180 Minuten Verspätung werden dort angezeigt. „Wir haben extra einen ICE nach 9 Uhr gebucht, um den Streik zu umgehen“, erzählt Martina E., die mit ihrem Mann von Köln nach Hamburg reisen will. „Jetzt hat der Zug aber trotzdem mehr als eine Stunde Verspätung.“Wie viele andere Reisende steht sie nun am Hauptbahnhof. „Bis alles reibungslos läuft, wird es noch dauern“, erklärt ein DB-Mitarbeiter.
Ob und wann Reisende wieder mit einem Streik rechnen müssen, ist bislang unklar. Angekündigt hat die Gewerkschaft allerdings weitere Streiks, sollte es in den nächsten Tagen zu keiner Einigung bei den Gehaltsgesprächen kommen. Die Verhandlungen sollen ab Dienstag fortgesetzt werden. (mit dpa)