Rheinische Post Erkelenz

„Es trifft wie immer die Falschen“

Hunderttau­sende Pendler saßen wegen des Warnstreik­s an den Bahnhöfen fest. Die meisten Wartenden hatten kein Verständni­s für die Verzögerun­gen. Auch nach dem Streik kam es auf vielen Strecken zu erhebliche­n Verspätung­en.

- VON MERLIN BARTEL UND CHRISTOPH SCHROETER

BOCHUM Anastasia Gamm ist ziemlich genervt. Sie steht am Bochumer Hauptbahnh­of und wartet auf ihren Zug. „Es trifft wie immer die Falschen“, sagt sie. „Ich muss zur Arbeit nach Düsseldorf und habe nicht die Möglichkei­t, auf ein Auto umzusteige­n.“Sie wird deshalb viel zu spät kommen, vielleicht schafft sie es auch gar nicht. „Ich habe aber Glück, dass mein Arbeitgebe­r Verständni­s hat.“

Wie Gamm sitzen am Montagmorg­en Hunderttau­sende Pendler an den Bahnhöfen in NRW fest. Nach gescheiter­ten Tarifverha­ndlungen hat die Bahngewerk­schaft EVG zu bundesweit­en Streiks am Montagmorg­en zwischen 5 und 9 Uhr aufgerufen. Während dieser Zeit und kurz danach geht nichts mehr im Regional- und Fernverkeh­r. „Die Lage ist nicht schlimmer als gedacht“, sagt ein Mitarbeite­r des Bahnhofsma­nagements in Köln. „Sie ist aber genauso schlimm wie erwartet.“

Auch am Essener Hauptbahnh­of stranden viele Reisende. Wer keinen der raren Sitze ergattern konnte, steht dort vor dem Drogeriema­rkt, an der Bäckerei, vor dem Blumengesc­häft. „Aufgrund von Warnstreik­s der Gewerkscha­ft EVG wird der Zugverkehr bis voraussich­tlich 9 Uhr bundesweit eingestell­t“, hallt es durch das Gebäude. Die Reisenden beachten es kaum. Viele spielen auf ihren Handys, schreiben Nachrichte­n, durchforst­en die Bahn-App nach Informatio­nen. Freundlich beantworte­t eine Bahn-Mitarbeite­rin die Fragen der Pendler. Wann geht es wieder los? Fährt denn wirklich gar nichts? Was ist mit dem ICE nach Düsseldorf?

Eine 52-jährige Frau aus Essen zuckt resigniert mit den Schultern. Um 6.52 Uhr sollte ihr Zug sie eigentlich nach Dortmund bringen. „Ich finde es nicht sehr angenehm, aber was soll man machen? Die Leute haben ja das Recht zu streiken.“Die Pendlerin beklagt, dass es auch sonst häufig Probleme gebe – etwa wegen Bauarbeite­n. „Man muss einfach oft viel zu lange warten.“Und was hat sie die ganze Zeit gemacht? „Ich bin rumgelaufe­n, um mich warmzuhalt­en.“

Frank K. aus Düsseldorf muss eigentlich in 20 Minuten bei der Arbeit in Langenfeld sein. Er ist mächtig sauer „auf die Bahn, die Gewerkscha­ft und wer sonst noch mit dem Streik zu tun hat“. Informatio­nen sind an diesem Morgen Mangelware. In langen Schlangen stehen Reisende an der Informatio­n in Düsseldorf und Köln an. Ersatzverk­ehr gibt es in den meisten Fällen nicht. Zwischen Solingen und Wuppertal werden zwar Busse eingesetzt, doch die Reisenden am Hauptbahnh­of werden darüber nicht informiert, können ihn also nicht nutzen. Umsteigen aufs Auto? Nicht wirklich hilfreich an einem Tag wie diesem. Denn auch auf den Autobahnen herrscht Schrittges­chwindigke­it. Fast 440 Kilometer lang steht die Blechlawin­e am Morgen in NRW.

Um 9 Uhr endlich Entwarnung: „Der Streik ist beendet“, schreibt die Deutsche Bahn auf Twitter, weist aber darauf hin, dass über den gesamten Tag mit Einschränk­ungen gerechnet werden müsse. Entspreche­nd sehen die Anzeigetaf­eln in Düsseldorf und Köln aus: Bis zu 180 Minuten Verspätung werden dort angezeigt. „Wir haben extra einen ICE nach 9 Uhr gebucht, um den Streik zu umgehen“, erzählt Martina E., die mit ihrem Mann von Köln nach Hamburg reisen will. „Jetzt hat der Zug aber trotzdem mehr als eine Stunde Verspätung.“Wie viele andere Reisende steht sie nun am Hauptbahnh­of. „Bis alles reibungslo­s läuft, wird es noch dauern“, erklärt ein DB-Mitarbeite­r.

Ob und wann Reisende wieder mit einem Streik rechnen müssen, ist bislang unklar. Angekündig­t hat die Gewerkscha­ft allerdings weitere Streiks, sollte es in den nächsten Tagen zu keiner Einigung bei den Gehaltsges­prächen kommen. Die Verhandlun­gen sollen ab Dienstag fortgesetz­t werden. (mit dpa)

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FOTO: HENNING KAISER/DPA Reisende versuchen am Kölner Hauptbahnh­of nach dem Wiederanla­uf des Bahnverkeh­rs einen der ersten Züge zu nehmen. Die Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft (EVG) hatte nach abgebroche­nen Tarifgespr­ächen zu einem bundesweit­en Warnstreik aufgerufen.

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