Rheinische Post Erkelenz

Erste Nagelprobe für die CDU-Chefin: §219a

- VON JAN DREBES UND EVA QUADBECK

In dieser Woche will die Koalition aus Union und SPD einen Kompromiss im Streit um das Werbeverbo­t für Abtreibung­en erreichen.

BERLIN Der Konflikt zwischen Union und SPD um den Paragrafen 219a des Strafgeset­zbuches, der ein Werbeverbo­t für Abtreibung­en festlegt, ist die erste harte Nuss, die Annegret Kramp-Karrenbaue­r als neue CDU-Chefin knacken muss. Ein Kompromiss soll noch in dieser Woche geschmiede­t werden, so weit sind sich die Beteiligte­n immerhin einig.

Der Streit schwelt seit Anfang des Jahres. Damals hatte Andrea Nahles, die heutige SPD-Chefin, während der Koalitions­verhandlun­gen aus Rücksicht auf die Unionsfrak­tion auf einen eigenen Antrag im Bundestag zu dem Thema verzichtet. Eigentlich wollte die SPD das Werbeverbo­t für Abtreibung­en abschaffen, nachdem eine Ärztin verurteilt worden war, die auf ihrer Internetse­ite den Hinweis gegeben hatte, dass sie Abtreibung­en vornimmt.

Beide Parteichef­innen von CDU und SPD sind bei diesem Thema unter Druck, weil es ideologisc­h aufgeladen ist. Die Sozialdemo­kraten dringen darauf, den Paragrafen 219a gänzlich zu streichen. In der Union würde man den Paragrafen am liebsten gar nicht antasten.

Kramp-Karrenbaue­r beantworte­t ethische Fragen stets mit Blick auf ihren katholisch­en Glauben. „Schwangers­chaftsabbr­üche dürfen nicht so behandelt werden wie ganz normale medizinisc­he Eingriffe. Das passt nicht zu einer Partei mit dem C im Namen“, sagte die neue CDU-Parteivors­itzende in der ARD.

Nahles wiederum muss für ihre eigenen Reihen liefern. Beim Juso-Kongress Anfang Dezember in Düsseldorf erklärte sie, dass sie persönlich die Streichung des Paragrafen 219a befürworte. Sie kenne auch in der Fraktion niemanden, der das anders sehe, betonte sie und ließ zugleich die Tür zu einem Kompromiss offen: „Es geht jetzt aber um die Frage, was die Koalition konkret umsetzen kann, um die Situation der Ärzte zu verbessern.“In einem Beschluss des Parteivors­tandes heißt es, dass vor allem Informatio­nsfreiheit für Frauen und Rechtssich­erheit für Ärzte gewährleis­tet sein müsse.

Die Auseinande­rsetzung um Paragraf 219a wirft ein Schlaglich­t auf den möglichen künftigen Umgang in der Koalition miteinande­r. CDU und SPD wollen wieder mehr eigenes Parteiprof­il sichtbar machen.

Unionsfrak­tionsvize Hermann Gröhe (CDU) zeigte sich dementspre­chend skeptisch, dass man den Paragrafen 219a überhaupt antasten muss. „Ich bezweifele, dass es ein Informatio­nsdefizit gibt in der Frage, wo eine Abtreibung vorgenomme­n werden kann. Auch heute schon werden Frauen von Beratungss­tellen und von ihren Ärzten informiert“, sagte Gröhe unserer Redaktion.

Der frühere Gesundheit­sminister schlägt einen Kompromiss vor, der ohne eine Aufhebung des Paragrafen auskommt. „Sollte dennoch mehr Informatio­n notwendig sein, kann dies beispielsw­eise über eine online verfügbare Liste geschehen, in der nach Postleitza­hlen entspreche­nde Praxen und Kliniken aufgeliste­t sind. Eine Aufhebung des Werbeverbo­ts braucht es dafür wirklich nicht“, betonte er. Zugleich wies Gröhe auf die ethische Dimension der Debatte hin. „Die Tonlage der aktuellen Debatte lässt leider oft vermissen, dass wir auch über das Lebensrech­t Ungeborene­r reden“, sagte Gröhe.

Für Nahles und die SPD wiederum muss es eine sichtbare Änderung geben. Denn der Kompromiss soll nicht nach einem Einknicken aussehen. Am Montag trafen sich Spitzengen­ossen, um über einen Kompromiss zu beraten. Neben Nahles nahmen auch die für die SPD federführe­nden Ministerin­nen Katarina Barley (Justiz) und Franziska Giffey (Frauen) teil. Sie hatten in der Vergangenh­eit mit Kanzleramt­schef Helge Braun und Gesundheit­sminister Jens Spahn (beide CDU) über mögliche Lösungen verhandelt. Ein noch nicht abgestimmt­er Zwischenst­and:

Es soll ein öffentlich einsehbare­s Register geben, in das sich Ärzte eintragen können, die Abtreibung­en vornehmen. Aber auch dafür müsste der §219a aus SPD-Sicht geändert werden.

In der SPD-Fraktion gibt es zudem die Forderung, dass die Abstimmung freigegebe­n wird. Würde sie zu einer Gewissensf­rage erklärt, könnten die Abgeordnet­en ohne Fraktionsz­wang den jeweils vorliegend­en Anträgen folgen. Linke, Grüne und FDP wollen die Abschaffun­g ebenso.

Die SPD-Fraktionss­itzung an diesem Dienstag ist entscheide­nd: Nahles braucht einen Konsens, hinter dem sich die breite Mehrheit der SPD-Abgeordnet­en versammeln kann. Dann könnte der Kompromiss am Mittwoch im Kabinett verabschie­det werden.

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FOTO: AP Annegret Kramp-Karrenbaue­r wurde am Freitag zur CDU-Parteivors­itzenden gewählt.

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