Rheinische Post Erkelenz

„Von mir aus bald eine neue Regierung“

Der FDP-Chef über den Wechsel an der CDU-Spitze, Wechselabs­ichten enttäuscht­er Christdemo­kraten – und seine Lust auf eine neue Regierung.

- MICHAEL BRÖCKER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Lindner, AKK ist CDU-Vorsitzend­e. Aufbruch oder Weiter so? LINDNER Unser Land braucht einen neuen Aufbruch. Die Abkühlung der Wirtschaft ist ein Warnsignal. Die von Friedrich Merz geforderte „Agenda für die Fleißigen“hätte ich daher für richtig gehalten. Jetzt sehe ich noch nicht, woher ein Aufbruch kommen sollte. Denn das dafür wichtige Amt ist das der Bundeskanz­lerin. Und auch der Koalitions­vertrag von Union und SPD gilt ja weiter. Die Position von Frau Kramp-Karrenbaue­r ist daher unkomforta­bel, Paul Ziemiak könnte sich im kommenden Jahr sogar in der Rolle des Kugelfänge­rs wiederfind­en.

Sie verspricht der CDU die Rückkehr zu 40 Prozent. Schafft sie das? LINDNER Vieles ist in Bewegung. Gegen eine stabile Union hätte ich nichts. Innere Sicherheit und Vertrauen in den Rechtsstaa­t bei der Migration, Konzentrat­ion auf das Erwirtscha­ften des Wohlstands statt auf Verteilung sowie eine rationale Politik bei Diesel, Klima und Energie scheinen mir dafür wichtig. Da bin ich gespannt, ob eine solche Wende kommt.

Rechnen Sie damit, dass die Koalition nun stabil bis 2021 arbeitet? LINDNER Ich hoffe es, aber erwarte es nicht. Frau Kramp-Karrenbaue­r hat angekündig­t, sich auch gegen Frau Merkel zu profiliere­n. Die SPD ist von innerer Unruhe ergriffen. Wenn es nach mir geht, wird bald eine neue Regierung gebildet – vor oder nach einer neuen Wahl.

Als saarländis­che Ministerpr­äsidentin hat AKK einst die FDP aus der Regierung geworfen. Hat die FDP noch Vorbehalte?

LINDNER Frau Kramp-Karrenbaue­r hat damals Grüne und FDP aus der Regierung rausgeschm­issen und die SPD an Bord geholt. Sie hat Nein zu Jamaika gesagt. Das kommt in den besten Parteien einmal vor. Wir sind quitt. Das ist für mich keine Belastung für die Zukunft.

Gibt es Überläufer zur FDP aus dem frustriert­en Merz-Flügel? LINDNER Ja, es haben sich bereits einige Persönlich­keiten bei uns gemeldet. Viele sind noch auf dem Sprung, wie mir scheint. Eine große Enttäuschu­ng ist mit Händen zu greifen. Dass Vertreter des Wirtschaft­sflügels innerhalb der eigenen Partei als alte, weiße Männer von gestern diffamiert wurden, hat offenbar viele verletzt.

An welchen Stellen könnte sich die FDP Kooperatio­nen mit der CDU vorstellen?

LINDNER Bei der Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s bis 2021. Das war ja genau unsere Forderung im vergangene­n Jahr. Dafür wurden wir von Frau Merkel, Herrn Altmaier und Herrn Kauder verhöhnt. Schwamm drüber, wir würden das sofort ins Gesetzblat­t bringen. Aber 2017 wollte die Union das mit uns in Jamaika nicht umsetzen, jetzt ist sie in einer großen Koalition gefangen, die das nicht machen wird.

Was erwarten Sie von AKK im Streit um den Digitalpak­t für die Schulen?

LINDNER Das ist jetzt eine Sache des Vermittlun­gsausschus­ses. Da richten sich jetzt alle Augen auf Armin Laschet. Er erzählt wider besseres Wissen etwas von Einheitssc­hulpolitik aus Berlin. In Wahrheit geht es lediglich um Qualitätss­tandards. Kritisch aus Ländersich­t sind insbesonde­re die Finanzieru­ngsbedingu­ngen. Die waren ein Anliegen der Unionsfrak­tion im Bundestag. Da ist die FDP flexibel. Wenn aber an den Qualitätsv­orgaben im Interesse der Schülerinn­en und Schülern gefummelt wird, würden wir im Deutschen Bundestag nicht zustimmen. Dann müsste Armin Laschet erklären, dass er auf Geld aus Berlin verzichtet hat. Lutz Lienenkämp­er müsste dann schauen, wie NRW das aus eigenen Mitteln realisiert.

 ?? FOTO: DPA ?? Christian Lindner (39) ist Partei- und Fraktionsc­hef der FDP.
FOTO: DPA Christian Lindner (39) ist Partei- und Fraktionsc­hef der FDP.

Newspapers in German

Newspapers from Germany