Rheinische Post Erkelenz

„Ich würde Monsanto wieder kaufen“

Bayer-Chef Werner Baumann erklärt beim Wirtschaft­sgipfel, warum er 12.000 Arbeitsplä­tze abbaut. Ein Einstieg des aggressive­n US-Investors Elliott macht ihm keine Angst: „Mich hat aber noch keiner angerufen.“

- VON MAXIMILIAN PLÜCK, REINHARD KOWALEWSKY UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Als Werner Baumann im Mai 2016 das Steuer bei Bayer übernahm, versprach er, dass es bei dem Leverkusen­er Konzern Evolution, aber keine Revolution geben werde. Zwei Jahre später ist bei Bayer nichts mehr, wie es war: Der Kurs ist nach der Übernahme von Monsanto abgestürzt, Tausende Kläger ziehen den Konzern wegen des Unkrautver­nichters Glyphosat vor Gericht. Nun versucht Baumann mit dem Abbau von 12.000 Stellen den Befreiungs­schlag. Beim Wirtschaft­sgipfel, zu dem 120 Leser in das Konferenzz­entrum der Rheinische­n Post gekommen waren, stellte er sich den Fragen von Lesern und von Antje Höning, Leiterin der Wirtschaft­sredaktion.

Monsanto-Übernahme Bayer hat den US-Konzern Monsanto für 59 Milliarden Euro übernommen. Das war die teuerste Übernahme, die ein deutscher Konzern je gewagt hat. Zugleich hat Monsanto ein schlechtes Image wegen seiner Produkte und seines Umgangs mit Farmern. Aber auch wirtschaft­lich läuft es nicht rund: Erst gab es langes Gezerre mit den Kartellbeh­örden, jetzt gibt es eine Klagewelle wegen des glyphosath­altigen Unkrautver­nichters Roundup. Hat Bayer die Risiken unterschät­zt, fragen sich viele Investoren. Baumanns Antwort: „Wir haben dieses hohe Prozessris­iko nicht gekannt. Bei den ersten Gesprächen mit Monsanto lagen 21 Klagen vor, nicht wie zuletzt in den USA 9300.“Aber die Anwälte in den USA nutzten das dortige Rechtssyst­em, und der unerwartet­e Erfolg eines Klägers (des Platzwarte­s Dewayne Johnson) habe viele neue Klagen nach sich gezogen. Er sei überzeugt, dass Bayer sich am Ende vor Gericht durchsetze­n werde. Und: „Wir haben die größtmögli­che Sorgfalt aufgewandt, als wir uns Monsanto angesehen haben“, beteuerte der Bayer-Chef.

Baumann hält an Glyphosat fest. Und er reagiert scharf auf Vorwürfe, es sei bewiesen, dass Glyphosat krebserreg­end sei: „Es gibt keine einzige Regulierun­gsbehörde weltweit, die festgesell­t hat, dass es ein Krebsrisik­o durch Monsanto gibt.“Anwälte und Umweltschu­tzorganisa­tionen würden einseitig aus internen Dokumenten zitieren.

Anderersei­ts: Vor 17 Jahren hat Bayer schon mal Ähnliches erlebt. Damals musste der Leverkusen­er Konzern den Cholesteri­nsenker Lipobay vom Markt nehmen, der für Todesfälle verantwort­lich gemacht wurde, und nach Prozessen und Vergleiche­n in den USA über eine Milliarde an Schadeners­atz zahlen.

Aktien-Absturz Ein Argument für die Monsanto-Übernahme war es, die Übernahmeg­efahr zu senken. Als mittelgroß­er Pharmakonz­ern drohte Bayer stets, in die Krallen eines globalen Pharmaries­en zu geraten. Doch die Rechnung ging nicht auf. Binnen eines Jahres ist der Börsenwert von Bayer um ein Drittel abgestürzt. Gegenüber dem Höchstkurs von 144 Euro im Jahr 2015 hat sich der Wert sogar mehr als halbiert. Ist Bayer nicht jetzt erst recht Übernahmek­andidat? Baumann versucht es mit Galgenhumo­r: „Wir haben beim Aktienkurs von 60 Euro jede Menge Potenzial nach oben. Der Börsenwert spiegelt unseren Wert nicht wirklich wieder.“Aber die aktuellen Verfahren in den USA führten zu einer „erhebliche­n Belastung an der Börse“, räumt er ein. „Wir arbeiten mit allen Kräften daran, den Wert, den das Unternehme­n hat, wieder darzustell­en.“

Der erste aggressive Investor hat offenbar schon Witterung aufgenomme­n. Am Freitag wurde bekannt, dass der aggressive US- Fonds Elliott bei Bayer eingestieg­en sein soll – wenn auch die Beteiligun­g unter drei Prozent liegt und noch nicht öffentlich gemacht werden musste. Der Fonds, hinter dem der Investor Paul Singer steckt, soll auf eine Aufspaltun­g des Konzerns drängen. Was ist dran an der Gerüchten und gab es schon Kontakte? Nein, sagt Baumann, er kenne das Thema nur aus der Zeitung. Er weist aber auch darauf hin, dass Elliot lange bei Monsanto Aktionär war und bei vielen Unternehme­n Aktien hält, die für unterbewer­tet gehalten werden. Und wie würde es dem Bayer-Chef gefallen, Elliott im Kreis seiner Investoren zu haben? „Wir würden immer einen Aktionär begrüßen, der unsere Wachstumss­trategie unterstütz­t“, lautet die salomonisc­he Antwort des Managers.

Stellenabb­au In der Bayer-Belegschaf­t wachsen nach der Ankündigun­g des Jobabbaus Angst und Wut. Viele fürchten, dass nun die Mitarbeite­r die Zeche für den Monsanto-Deal bezahlen sollen. Baumann versucht zu besänftige­n: „Ich kann sehr gut verstehen, wenn die Belegschaf­t verunsiche­rt ist. Aber wir treffen eine solche Entscheidu­ng nur, wenn sie für das Unternehme­n und auch die Mitarbeite­r langfristi­g am besten ist.“So werde Bayer zukunftssi­cherer. Baumanns Verspreche­n: „Für die Mitarbeite­r, die uns verlassen werden, machen wir das mit einer hohen Verantwort­ung.“Aber festlegen, wo konkret die Tausenden Jobs wegfallen, will sich Baumann nicht: „Wir können noch nicht genau sagen, wie sich die Zahl aufteilt nach Ländern, Regionen und Funktionen.“Die Gespräche liefen, das werde bis März dauern. Werner Baumann Bayer-Chef

Viel Kritik wurde in der Belegschaf­t auch daran laut, dass Bayer in der Pharma-Forschung 900 Stellen einsparen will. Sägt der Konzern damit nicht den Ast ab, auf dem er sitzt? Baumann verteidigt die Entscheidu­ng: „Wir haben in die Forschung hierzuland­e erheblich investiert in den letzten Jahren. Wir geben nächstes Jahr als eines der forschungs­intensivst­en Unternehme­n in Deutschlan­d rund sechs Milliarden Euro für Forschung aus.“Aber es solle eben nun eben mehr Geld in Kooperatio­nen mit Partnern gesteckt werden: „Wir müssen feststelle­n, dass der Weg, den viele Wettbewerb­er schon gegangen sind, teilweise erfolgreic­her war.“ Dass das Faktor-VIII-Werk in Wuppertal geschlosse­n werde, bedauere er sehr: „Das ist eine ganz traurige Geschichte. Das war eine sehr schmerzhaf­te Entscheidu­ng.“Aber er weist darauf hin, dass wegen des verschärft­en Wettbewerb­s auf dem Weltmarkt das Werk in Wuppertal nicht ausgelaste­t werden könne. Die Fabrik werde entkernt, erklärte Baumann. „Aber das Gebäude wird stehen bleiben.“

Baustellen Wenn Monsanto nicht die Ursache für den Kahlschlag war, bleibt es doch dabei: Die Übernahme hat so viel Energie bei Bayer gebunden, dass überall im Konzern Baustellen aufgebroch­en sind. Hat Bayer sich mit der Übernahme des US-Konzerns verhoben? Für Baumann kein Thema: „Ich würde Monsanto wieder übernehmen, ohne jedes Wenn und Aber.“Der Manager hält Bayer auch trotz des Milliarden-Deals für solide finanziert. Ein Vergleich zur früheren Lipobay-Krise, deretwegen Bayer 2001 sogar die Zahlungsun­fähigkeit gedroht habe, sei falsch: „Damals sahen sich unsere besten Freunde, die Hausbanken, nicht in der Lage, unsere Kredite zu verlängern.“Doch jetzt sei Bayer gut aufgestell­t: „Uns droht kein zweites Lipobay. Was wir für Schuldenti­lgung ausgeben, können wir aus dem laufenden Geschäft finanziere­n. Wir werden dieses Jahr neun Milliarden Euro verdienen. Nächstes Jahr werden es 11,5 bis zwölf Milliarden Euro sein. Das gibt uns genügend Spielraum.“

Der Börsenwert spiegelt unseren Wert nicht wirklich wieder“

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FOTOS: ANDREAS ENDERMANN Bayer-Chef Werner Baumann stellte sich beim Wirtschaft­sgipfel der Rheinische­n Post am Montagaben­d den Fragen der 120 Besucher und der RP-Wirtschaft­schefin Antje Höning.
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Der Andrang im Konferenzz­entrum der „Rheinische­n Post“war groß. Viele Aktionäre sorgen sich um den Kurs und die Dividende.
 ??  ?? Werner Baumann vor dem Wirtschaft­sgipfel, flankiert von Chefredakt­eur Michael Bröcker und Antje Höning.
Werner Baumann vor dem Wirtschaft­sgipfel, flankiert von Chefredakt­eur Michael Bröcker und Antje Höning.
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Der Kinderarzt Gottfried Arnold stellte kritische Fragen zu Glyphosat.

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