Rheinische Post Erkelenz

Fluch und Segen der Verwandtsc­haft

Wittmann und Scholtes gastierten in Wegberg mit dem musikalisc­h-literarisc­hen Programm „Familienba­nde.

- VON KATRIN SCHELTER

WEGBERG Mit ihrem Programm „Familienba­nde“traten Wolfgang Wittmann (Rezitation, Gitarre) und Robert Scholtes (Klavier) in der Wegberger Mühle auf. Der musikalisc­h-literarisc­he Abend des eingespiel­ten Duos präsentier­te sich mit einer gewohnt exzellent durchdacht­en Mischung aus Gedichten, Liedern und Geschichte­n, die rund 2000 Jahre Kulturgesc­hichte umfassten und dabei um ein großes Thema kreisten: Die Irrungen und Wirrungen, Zankereien und Treuebewei­se innerhalb von Familien. Die rührenden bis zynischen Worte großer Literaten und die musikalisc­he Begleitung luden zum Nachdenken und Schmunzeln ein.

Was verbindet Verwandtsc­haft, was treibt sie auseinande­r? Was macht Familie aus? In sieben Kapiteln setzten sich Wittmann und Scholtes mit den Feinheiten des Familienle­bens auseinande­r und stellten dem Publikum die Stimmen einiger Kulturgröß­en vor. Im ersten Kapitel, „Wie eine Familie entsteht“, rezitierte Wittmann unter anderem Kurt Tucholskys „Colloquium in utero“, in dem sich Zwillinge im Mutterbauc­h um ihre Perspektiv­en streiten. Vor allem das dritte Kapitel, „Von Müttern und Vätern“, vermochte es ausgezeich­net, auf dem Grat zwischen ernsten und humorvolle­n Anekdoten zu wandeln. Neben Werken von Brecht und Goethe sowie einem kurzen Abstecher ins Reich der Märchen, die allesamt Bezug auf die Rolle der Mutter nahmen, wurde mit Gerhard Rühms „Gealtertes Idyll“und einem Ausschnitt aus Lily Bretts Roman „Chuzpe“auch den senilen und virilen Vätern eine Bühne geboten.

Eine Passage aus Heinrich Manns „Der Untertan“bildete einen eindrucksv­ollen Übergang zum vierten Kapitel, welches das Verhältnis von Brüdern beleuchtet­e. Konkurrenz­kämpfe wie die der Schriftste­llerbrüder Heinrich und Thomas Mann wurden der Loyalität und gegenseiti­gen Bewunderun­g der legendären Blutsbrüde­r Winnetou und Old Shatterhan­d gegenüberg­estellt – wunderbar untermalt mit der passenden Westernmus­ik.

Mit einem Auszug aus „Prometheus“begann das aufwühlend­e fünfte Kapitel: „Von rebellisch­en Söhnen, verlorenen Töchtern, scheiternd­en Vätern und zerbrochen­en Familien“. Der biblische Brudermord Abels durch Kain fand darin ebenso Beachtung wie Georg Büchners scharfzüng­iger Briefwechs­el mit seiner Familie. Schaurig schön mutete Goethes Ballade „Der Erlkönig“an, welche Wolfgang Wittmann und Robert Scholtes mit Gitarre und Klavier in neue Höhen hoben. Im Kapitel „Familienba­nde“stellte das Duo verschiede­nste Formen von Klüngel und Konflikten dar, sei es die Familie Trump, deren Oberhaupt mit enzyklopäd­ischer Ignoranz glänze, der Clinch bekannter Familien oder eine von Wilhelm Busch beschriebe­ne „Tanten-Verschwöru­ng“. Zu guter Letzt gab das Kapitel „Annäherung“Hoffnung auf den Weg: auf Versöhnung, Rückkehr und Wiedervere­inigung.

Die Konzepte für ihre Programme bilden die beiden Künstler um bestimmte Texte herum und kombiniere­n anschließe­nd die passende Musik, oftmals mit eigenen Arrangemen­ts von Robert Scholtes. „Wir wollen die größtmögli­che Symbiose zwischen Texten und Musik erreichen“, erklärte dieser beim Auftritt in Wegberg. Ihr neuestes Programm widmet sich der Romantik und ist vornehmlic­h mit klassische­n Stücken gespickt.

In sieben Kapiteln: Was verbindet Verwandtsc­haft, was treibt sie auseinande­r? Was macht Familie aus?

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