Fluch und Segen der Verwandtschaft
Wittmann und Scholtes gastierten in Wegberg mit dem musikalisch-literarischen Programm „Familienbande.
WEGBERG Mit ihrem Programm „Familienbande“traten Wolfgang Wittmann (Rezitation, Gitarre) und Robert Scholtes (Klavier) in der Wegberger Mühle auf. Der musikalisch-literarische Abend des eingespielten Duos präsentierte sich mit einer gewohnt exzellent durchdachten Mischung aus Gedichten, Liedern und Geschichten, die rund 2000 Jahre Kulturgeschichte umfassten und dabei um ein großes Thema kreisten: Die Irrungen und Wirrungen, Zankereien und Treuebeweise innerhalb von Familien. Die rührenden bis zynischen Worte großer Literaten und die musikalische Begleitung luden zum Nachdenken und Schmunzeln ein.
Was verbindet Verwandtschaft, was treibt sie auseinander? Was macht Familie aus? In sieben Kapiteln setzten sich Wittmann und Scholtes mit den Feinheiten des Familienlebens auseinander und stellten dem Publikum die Stimmen einiger Kulturgrößen vor. Im ersten Kapitel, „Wie eine Familie entsteht“, rezitierte Wittmann unter anderem Kurt Tucholskys „Colloquium in utero“, in dem sich Zwillinge im Mutterbauch um ihre Perspektiven streiten. Vor allem das dritte Kapitel, „Von Müttern und Vätern“, vermochte es ausgezeichnet, auf dem Grat zwischen ernsten und humorvollen Anekdoten zu wandeln. Neben Werken von Brecht und Goethe sowie einem kurzen Abstecher ins Reich der Märchen, die allesamt Bezug auf die Rolle der Mutter nahmen, wurde mit Gerhard Rühms „Gealtertes Idyll“und einem Ausschnitt aus Lily Bretts Roman „Chuzpe“auch den senilen und virilen Vätern eine Bühne geboten.
Eine Passage aus Heinrich Manns „Der Untertan“bildete einen eindrucksvollen Übergang zum vierten Kapitel, welches das Verhältnis von Brüdern beleuchtete. Konkurrenzkämpfe wie die der Schriftstellerbrüder Heinrich und Thomas Mann wurden der Loyalität und gegenseitigen Bewunderung der legendären Blutsbrüder Winnetou und Old Shatterhand gegenübergestellt – wunderbar untermalt mit der passenden Westernmusik.
Mit einem Auszug aus „Prometheus“begann das aufwühlende fünfte Kapitel: „Von rebellischen Söhnen, verlorenen Töchtern, scheiternden Vätern und zerbrochenen Familien“. Der biblische Brudermord Abels durch Kain fand darin ebenso Beachtung wie Georg Büchners scharfzüngiger Briefwechsel mit seiner Familie. Schaurig schön mutete Goethes Ballade „Der Erlkönig“an, welche Wolfgang Wittmann und Robert Scholtes mit Gitarre und Klavier in neue Höhen hoben. Im Kapitel „Familienbande“stellte das Duo verschiedenste Formen von Klüngel und Konflikten dar, sei es die Familie Trump, deren Oberhaupt mit enzyklopädischer Ignoranz glänze, der Clinch bekannter Familien oder eine von Wilhelm Busch beschriebene „Tanten-Verschwörung“. Zu guter Letzt gab das Kapitel „Annäherung“Hoffnung auf den Weg: auf Versöhnung, Rückkehr und Wiedervereinigung.
Die Konzepte für ihre Programme bilden die beiden Künstler um bestimmte Texte herum und kombinieren anschließend die passende Musik, oftmals mit eigenen Arrangements von Robert Scholtes. „Wir wollen die größtmögliche Symbiose zwischen Texten und Musik erreichen“, erklärte dieser beim Auftritt in Wegberg. Ihr neuestes Programm widmet sich der Romantik und ist vornehmlich mit klassischen Stücken gespickt.
In sieben Kapiteln: Was verbindet Verwandtschaft, was treibt sie auseinander? Was macht Familie aus?