Rheinische Post Erkelenz

DGB-Chefin kritisiert Arbeitszei­t-Initiative des Landes

Die Gewerkscha­ft wirft der Landesregi­erung vor, sich zum „willfährig­en Erfüllungs­gehilfen der Unternehme­r“zu machen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Am Mittwoch wird die NRW-Landesregi­erung im Bundesrat einen Entschließ­ungsantrag einbringen, in dem sie ein flexiblere­s Arbeitszei­trecht fordert. Tarifpartn­ern soll es ermöglicht werden, anstelle einer täglichen Arbeitszei­t eine wöchentlic­he Höchstarbe­itszeit zu vereinbare­n. Zudem will NRW eine Verkürzung der vorgeschri­ebenen Ruhezeit von elf Stunden durchsetze­n.

Die Chefin des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) in NRW, Anja Weber, hält nichts von diesen Plänen. „Die heutigen Arbeitszei­tmodelle sind doch schon unglaublic­h flexibel“, sagte sie unserer Redaktion. Auch das Arbeitszei­tgesetz lasse ganz vieles zu. „Ich kann bis zu zehn Stunden täglich arbeiten, wenn ich einen entspreche­nden Ausgleich schaffe. Tariflich können Ruhezeiten reduziert werden. Deshalb ist das Gejammer des Arbeitgebe­rlagers völlig überzogen.“Es sei niemandem geholfen, wenn die Menschen noch mehr unter Druck gerieten, warnte sie. „Wenn Beschäftig­te länger als acht Stunden arbeiten, steigt die Unfallhäuf­igkeit. Auch werden sie unprodukti­ver.“

Die Landesregi­erung müsse sich entscheide­n, auf welcher Seite sie stehe. „Will sie nur willfährig­er Erfüllungs­gehilfe der Unternehme­r sein oder hat sie den Mut, sich für die Belange der Wähler einzusetze­n.“Die Mehrheit der Menschen habe das Problem, dass sie sich nicht gegen Entgrenzun­g der Arbeit wehren kann. Psychische Krankheite­n nehmen zu. „43 Prozent der Erwerbsmin­derungsren­ten werden mit ihnen begründet. Das sind alles Krankheits­kosten, die die Gesellscha­ft schultern muss.“Die Initiative mache sie wirklich wütend, sie müsse so schnell wie möglich vom Tisch. „Das Gesetz träfe am Ende die falschen. Zudem habe ich große Zweifel, dass das, was die Landesregi­erung vorgelegt hat, mit EU-Grundsätze­n vereinbar ist.“

Weber machte auch einen Gegenvorsc­hlag: „Wir brauchen eine Anti-Stressvero­rdnung. Wir schieben in Deutschlan­d zwei Milliarden Überstunde­n vor uns her, eine Milliarde davon unbezahlt. Das ist ein Problem.“Weber warnte davor, die Landesregi­erung sorge für gesellscha­ftlichen Sprengstof­f: „Ich nenne Ihnen zwei Beispiele: Wegen der Alterung der Gesellscha­ft sind immer mehr Menschen auf familiäre Pflege angewiesen. Wenn wir aber die Möglichkei­ten schaffen, Arbeitszei­ten noch mehr auszuweite­n, wird das irgendwann nicht mehr möglich sein.“Gleiches gelte für das Ehrenamt. „Kaum jemand hat heute noch die nötige Zeit für ein freiwillig­es Engagement. Dabei wäre das wichtiger denn je.“

Zudem verlangte die DGB-Chefin von NRW eine Stärkung der Tarifbindu­ng. „Arbeitgebe­r können in den Tarifaussc­hüssen mit ihren Stimmen immer noch Allgemeinv­erbindlich­keit von Tarifvertr­ägen verhindern. Das könnte man umkehren, wenn zur Ablehnung eine Mehrheit notwendig wäre. Dann könnte die Regierung Regelungen treffen, dass Tarifvertr­äge bei Unternehme­nsaufspalt­ungen fortgelten.“Man sollte Unternehme­n, die nach Tarif zahlen, steuerlich bevorzugen. „Und es wäre wünschensw­ert, wenn die Landesregi­erung öffentlich­e Vergaben wieder an die Bedingung knüpft, dass die Auftragneh­mer auch tarifgebun­den sind“, sagte Weber.

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FOTO: ORTHEN Anja Weber ist Chef des Gewerkscha­ftsbunds in NRW.

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