DGB-Chefin kritisiert Arbeitszeit-Initiative des Landes
Die Gewerkschaft wirft der Landesregierung vor, sich zum „willfährigen Erfüllungsgehilfen der Unternehmer“zu machen.
DÜSSELDORF Am Mittwoch wird die NRW-Landesregierung im Bundesrat einen Entschließungsantrag einbringen, in dem sie ein flexibleres Arbeitszeitrecht fordert. Tarifpartnern soll es ermöglicht werden, anstelle einer täglichen Arbeitszeit eine wöchentliche Höchstarbeitszeit zu vereinbaren. Zudem will NRW eine Verkürzung der vorgeschriebenen Ruhezeit von elf Stunden durchsetzen.
Die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in NRW, Anja Weber, hält nichts von diesen Plänen. „Die heutigen Arbeitszeitmodelle sind doch schon unglaublich flexibel“, sagte sie unserer Redaktion. Auch das Arbeitszeitgesetz lasse ganz vieles zu. „Ich kann bis zu zehn Stunden täglich arbeiten, wenn ich einen entsprechenden Ausgleich schaffe. Tariflich können Ruhezeiten reduziert werden. Deshalb ist das Gejammer des Arbeitgeberlagers völlig überzogen.“Es sei niemandem geholfen, wenn die Menschen noch mehr unter Druck gerieten, warnte sie. „Wenn Beschäftigte länger als acht Stunden arbeiten, steigt die Unfallhäufigkeit. Auch werden sie unproduktiver.“
Die Landesregierung müsse sich entscheiden, auf welcher Seite sie stehe. „Will sie nur willfähriger Erfüllungsgehilfe der Unternehmer sein oder hat sie den Mut, sich für die Belange der Wähler einzusetzen.“Die Mehrheit der Menschen habe das Problem, dass sie sich nicht gegen Entgrenzung der Arbeit wehren kann. Psychische Krankheiten nehmen zu. „43 Prozent der Erwerbsminderungsrenten werden mit ihnen begründet. Das sind alles Krankheitskosten, die die Gesellschaft schultern muss.“Die Initiative mache sie wirklich wütend, sie müsse so schnell wie möglich vom Tisch. „Das Gesetz träfe am Ende die falschen. Zudem habe ich große Zweifel, dass das, was die Landesregierung vorgelegt hat, mit EU-Grundsätzen vereinbar ist.“
Weber machte auch einen Gegenvorschlag: „Wir brauchen eine Anti-Stressverordnung. Wir schieben in Deutschland zwei Milliarden Überstunden vor uns her, eine Milliarde davon unbezahlt. Das ist ein Problem.“Weber warnte davor, die Landesregierung sorge für gesellschaftlichen Sprengstoff: „Ich nenne Ihnen zwei Beispiele: Wegen der Alterung der Gesellschaft sind immer mehr Menschen auf familiäre Pflege angewiesen. Wenn wir aber die Möglichkeiten schaffen, Arbeitszeiten noch mehr auszuweiten, wird das irgendwann nicht mehr möglich sein.“Gleiches gelte für das Ehrenamt. „Kaum jemand hat heute noch die nötige Zeit für ein freiwilliges Engagement. Dabei wäre das wichtiger denn je.“
Zudem verlangte die DGB-Chefin von NRW eine Stärkung der Tarifbindung. „Arbeitgeber können in den Tarifausschüssen mit ihren Stimmen immer noch Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen verhindern. Das könnte man umkehren, wenn zur Ablehnung eine Mehrheit notwendig wäre. Dann könnte die Regierung Regelungen treffen, dass Tarifverträge bei Unternehmensaufspaltungen fortgelten.“Man sollte Unternehmen, die nach Tarif zahlen, steuerlich bevorzugen. „Und es wäre wünschenswert, wenn die Landesregierung öffentliche Vergaben wieder an die Bedingung knüpft, dass die Auftragnehmer auch tarifgebunden sind“, sagte Weber.