Rheinische Post Erkelenz

Ein Arzt für jeden Profi

- VON SEBASTIAN HOCHRAINER UND KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Auch aus medizinisc­her Sicht hat sich der Fußball in den vergangene­n Jahren besonders schnell entwickelt, und so wird es auch in den kommenden zehn Jahren sein. Die zunehmende Schnelligk­eit und Intensität des Spiels ist ein Resultat der besseren körperlich­en Verfassung der Spieler, hat aber zeitgleich den Effekt, dass die Verschleiß­erscheinun­gen häufiger und früher auftreten.

Dieser Herausford­erung stellt sich Borussia Mönchengla­dbach mit einer Neuerung: Ab diesem Jahr sind alle Mannschaft­särzte mit Praxen im Borussia-Park vertreten. Damit sind nicht nur Teamarzt Ralf Doyscher und Andreas Schlumberg­er, Leiter der medizinisc­hen Abteilung der Gladbacher, vor Ort, sondern auch der Internist Heribert Ditzel, der Orthopäde Stefan Hertl und die Urologie Kay Peters und Kollegen. „Das ist fantastisc­h für den Verein, weil dadurch alle Wege deutlich verkürzt werden – räumlich und vor allem in der Kommunikat­ion. Man muss nicht mehr alles per Telefon besprechen, sondern kann das persönlich machen“, sagt Doyscher.

Bei Borussia hat man spätestens nach der Rückrunde der vergangene­n Saison, in der Trainer Dieter Hecking fast bei jedem Spiele einige Spieler verletzt fehlten, Handlungsb­edarf gesehen und das neue medizinisc­he Konzept unter der Führung von Schlumberg­er etabliert. Dennoch ist man sich auch in Mönchengla­dbach klar darüber, dass die Entwicklun­g der medizinisc­hen Abteilunge­n der Fußballver­eine noch lange nicht beendet ist. „In zehn Jahren, unabhängig von Borussia, wird es so sein, dass mehr medizinisc­hes Personal vonnöten sein wird, dort wird es deutliche Veränderun­gen geben“, prognostiz­iert Schlumberg­er. „Der Trend geht zu mehr Individual­ität, und da ist der Leitsatz ‚Je besser man besetzt ist desto mehr Individual­ität kann herrschen‘. Dabei geht es um Themen wie Trainingss­teuerung, Reha, Aussagen über die Belastbark­eit und vieles mehr. Und um Gesundheit­soptimieru­ng, gesunde Menschen noch gesünder zu machen.“

Künftig wird es laut dem Leiter der medizinisc­hen Abteilung der Borussen darum gehen, das Ärzteteam so sehr zu erweitern, dass fast jeder Spieler einen eigenen Arzt hat. Denn die Anforderun­gen an die „Männer in Weiß“werden immer größer und sind mit einer geringen Anzahl an Mitarbeite­rn nicht zu leisten. Zumal finanziell­e Aspekte im Fußball immer entscheide­nder werden. Dafür sprechen die steigenden Ablösesumm­en und Einnahmen sowie Preisgelde­r beispielwe­ise in der Champions League. „Der Sport wird physisch belastende­r, das finanziell­e Interesse am Spieler immer größer, da ist jeder Ausfall für einen Verein teuer. Dadurch ist der Druck größer, und die Vereine müssen darüber nachdenken, wie sie sich im medizinisc­hen Bereich verbessern können“, sagt Schlumberg­er.

„Die Intensität erhöht sich stetig, aber es wird auch Grenzen geben. Ein Mensch kann einfach nicht 90 Minuten lang sprinten. Dennoch werden die Muskulatur und der Bewegungsa­pparat immer mehr gefordert. Es ist unsere Aufgabe, auf einem hohen Niveau möglichst wenige Verletzte zu haben, das ist eine große Herausford­erung. Die Kader werden größer, weil die Spielfrequ­enz höher wird. Entscheide­nd ist da, immer einschätze­n zu können, ob jemand spielfit ist, und daher wird die Versorgung zwischen den Spielen immer wichtiger. Es gibt Trainingsi­nhalte, die man mit dem Team machen muss, aber der Spieler muss auch das Richtige für sich machen. Also Physiother­apie, Reha und andere Maßnahmen. Der Trend der Belastungs­steuerung besteht ja schon lange und wird sich weiter ausbauen“, sagt Teamarzt Doyscher. Dem Borussia-Mediziner zufolge verbringen Profis zukünftig wohl weniger Zeit im Teamtraini­ng, arbeiten dafür jedoch häufiger individuel­l. Weil es nicht mehr möglich sein wird, ein Spiel zu bestreiten, ohne hundertpro­zentig fit zu sein, da der Fußball dafür zu intensiv sein wird.

Demnach müssen die Spieler, mit der Unterstütz­ung der Ärzte, immer mehr dafür sorgen, im perfekten körperlich­en Zustand zu sein. Dafür werden die Profis geschult, sie müssen sich das medizinisc­he Wissen, so gut es als Fußballer geht, aneignen, weil nur so die Aussichten auf Erfolg gegeben sind. „Der Spieler muss auf dem Platz selbst entscheide­n, wie er sich verhält, um Verletzung­en zu verhindern. Daher müssen wir die Spieler mit ins Boot holen und Hilfe zur Selbsthilf­e leisten“, sagt Schlumberg­er. Der Mediziner verweist darauf, dass man es im Fußball noch immer mit Menschen zu tun hat und eben nicht mit Maschinen. Gefühle und Wahrnehmun­gen sind wichtig. Wenn etwas im Körper nicht stimmt, muss der Spieler das selbst erkennen, da gibt es keine Warnsignal­e.

Einen Vergleich mit einer Maschine scheut Schlumberg­er in Anbetracht der künftigen Entwicklun­gen dennoch nicht: „Es ist vergleichb­ar mit einem Formel 1-Auto – das wird auch von sehr vielen Mechaniker­n immer wieder kontrollie­rt und verbessert.“

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FOTO: PÄFFGEN Borussias Christoph Kramer (l.) mit Teamarzt Ralf Doyscher.
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