Das Marathon-Team der Trainingsmuffel
Volleyball: Oberligist VC Ratheim fährt bei den Solingen Volleys II mit einer Rumpftruppe einen 3:2-Sieg ein. Dabei macht die Truppe laut ihres Trainers fehlende Kondition mit ganz viel Erfahrung wieder wett.
HÜCKELHOVEN Wer sich mal die Mühe macht, im Duden den Begriff Training nachzuschlagen, der wird folgenden Eintrag finden: Training ist die planmäßige Durchführung eines Programms von vielfältigen Übungen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit. Die Oberliga-Volleyballer des VC Ratheim scheinen allerdings ein Geheimrezept entwickelt zu haben, wie man auch ohne regelmäßiges Training erfolgreich ist. Denn obwohl sich die Ratheimer (nicht nur in dieser Spielzeit) als ausgewiesene Trainigsmuffel entpuppt haben, spielen sie in der Oberliga mit sieben Siegen und Rang vier eine gute Rolle. „Ich bin selbst überrascht, dass wir trotz unserer schlechten Trainingsbeteilligung so gut dastehen“, gesteht VC-Trainer Hans Steffens, der in der vergangenen Woche nicht zum ersten Mal eine Trainingseinheit mangels Spieler absagen musste.
Dennoch reichte es gegen Aufsteiger Solingen Volleys II für die Ratheimer zum Sieg – dem vierten 3:2-Erfolg (10:25, 25:21, 21:25, 25:13, 15:12) dieser Saison. Und da stellt sich gleich die nächste Frage: Woher nimmt der VC das Stehvermögen für diese Marathonspiele. Zum inzwischen siebten Mal mussten die Ratheimer über die volle Distanz gehen, zum vierten Mal rangen sie ihren Gegner im Tiebreak nieder. Für Steffens ist die Sache klar: „Fehlende Kondition machen wir mit ganz viel Erfahrung wett.“Und die war beim Auswärtsspiel in Solingen auch bitter nötig, denn anders als im Vorfeld erhofft, hatte sich der Kader des VC kurzfristig noch mal arg dezimiert, so dass die Gäste nur zu siebt in die Klingenstadt reisten. Für Zuspieler Marcel Steffens war ein Mitwirken aufgrund von Magenproblemen nicht möglich, so dass alle taktischen Überlegungen seines Vaters schon im Vorfeld über den Haufen geworden waren. So musste sein Bruder René in Solingen – wie schon am Anfang der Saison, als sich Ratheims etatmäßiger Zuspieler die Bänder gerissen hatte – das Zuspiel übernehmen, was zu Beginn der Partie so gar nicht klappen wollte. Mit 10:25 erlebten die Ratheimer ein Desaster und kassierten dabei die höchste Satzniederlage der bisherigen Saison. „Nach diesem katastrophalen ersten Satz habe ich ehrlich gesagt nicht mehr an uns geglaubt“, erinnert sich VC-Ersatzlibero Felix Jansen, der erneut für den verletzten Abwehrspezialisten Markus Becker einsprang, „dieser Satz hat richtig weh getan“.
Doch nachdem sich die Ratheimer in der Satzpause gegenseitig an die Ehre appelliert hatten und sie unter dem Motto „wir können jetzt eigentlich nur noch gewinnen“den nächsten Satz angingen, lief es beim VC plötzlich besser, während die Solinger etwas den Faden und zunehmend auch die Kontrolle über das Spiel verloren. Auf einmal spielte Ratheim wie ausgewechselt, holte sich den Satzausgleich und agierte auch in den folgenden Durchgängen mit Solingen auf Augenhöhe. Zwar ging der dritte Satz wieder verloren, doch davon ließ sich der
Tabellenvierte nun nicht mehr aus der Ruhe bringen: Ähnlich deutlich – mit 25:13 – wie sie den ersten Satz verloren hatten, fertigten sie nun die Solinger ab, die auch im abschließenden Tiebreak kaum noch eine Siegchance hatten. Schon beim letzten Seitenwechsel führten die Ratheimer mit zwei Punkten und gaben diese auch nicht mehr ab. „Das war echt ein Auf und Ab der Gefühle“, erinnert sich Felix Jansen an die Achterbahnfahrt während der Partie.
Ein Sieggarant war für Hans Steffens vor allem die zuletzt so oft vermisste Aufschlagstärke seiner Mannschaft: „Obwohl wir mit viel Druck aufgeschlagen haben, haben wir dieses Mal in fünf Sätzen nur zwei Aufschläge verschlagen – das ist eine unglaublich gute Quote.“Unglaublich gut bleibt weiterhin die Auswärtsquote der Ratheimer: Vier der fünf Auswärtsspiele wurden bisher gewonnen, nur die Partie beim Ligaprimus Dürener TV ging verloren. Vielleicht sollte VC-Trainer Hans Steffens seinem Team einfach noch mehr Trainingsfrei geben, damit es diese Bilanz weiter ausbauen kann.