Wie eine Kellnerin den Brexit verhindert
Das Publikum sitzt im britischen Parlament und erlebt ein wahnwitzigabsurdes Stück über zwei Minister, die eine Verschwörung planen. Die Uraufführung im Theater wurde begeistert gefeiert.
RHEYDT Debra Hays ist Theresa May. Sie ist aber auch Ms. Cripps. Im Wechsel zwischen den beiden Rollen – als britische Premierministerin und als Bedienung im schmierigen Londoner Pub „The Hot Plot“– kann die großartige Sopranistin ihre unfassbare Wandlungsfähigkeit zeigen. Mit unbändiger Leidenschaft und offensichtlicher Freude an der abstrusen Handlung spielt und singt sie die bärbeißige, miesgelaunte Premierministerin, die am Vorabend der finalen Abstimmung über den Brexit in einer flammenden Rede Englands alte Größe beschwört. Immerhin seien es die Briten gewesen, die den Fünf-Uhr-Tee, Miss Marpel und Hercule Poirot, den Minirock und den Nebel erfunden hätten. Der Refrain „Die Briten warn’s, die Briten warn’s“hat das Zeug zum Gassenhauer. Diesen lässt sie (saukomisch) von ihren beiden Torie-Ministern Henry Crowfield (Markus Heinrich) und Matthew Plainbrooke (Matthias Wippich) sowie ihrer Assitentin und Schuh-Beauftragten Mabel (Gabriela Kuhn) schmettern.
Die heiter-satirische Musikrevue „Let’s Stop Brexit – Keep Calm and Drink Tea“von Ulrich Proschka hat auf der Großen Bühne des Theaters ihre Uraufführung erlebt. Die 120 Zuschauer, die das Glück hatten, eine der Premierenkarten zu ergattern, waren Teil der Vorstellung. In der Revue sitzen die Gäste nicht wie gewohnt im Zuschauerraum, sondern links und rechts auf der Bühne, werden so zu „Parlamentariern“
des britischen Unterhauses. Die Nähe zu den Sängern und dem Ensemble der Niederrheinischen Sinfonikern, das temperamentvoll von Yorgos Ziavras dirigiert wird, macht die Vorstellung zu einem ganz besonderen Erlebnis.
Zumal die Geschichte, die sich vor den Augen der Theaterbesucher abspielt, von der ersten bis zur letzten Minute absolut unterhaltsam, witzig und schräg ist. Crowfield und Plainbrooke wollen den Austritt Großbritanniens aus der EU verhindern. Crowfield hat im Wettbüro eine Riesensumme auf den Brexit-Stop gesetzt, Plainbrooke schwärmt für Mays Assistentin Mabel, hat aber nie den Mut gefasst, ihr seine Liebe zu gestehen. Mabel, herrlich mädchenhaft-naiv verkörpert von Gabriela Kuhn, lässt sich von den beiden überzeugen, sie wird die dritte im Bunde der Verschwörer gegen ihre Chefin, und Plainbrooke schließt sie endlich in seine Arme. Ms. Cripps sieht Theresa May – bis auf die über und über tätowierten Arme und die Vokuhila-Frisur – zum Verwechseln ähnlich. Entsprechend eingekleidet und nach Glättung ihres vulgären Tons und Auftretens sowie einer angemessenen Bezahlung kann sie die Rolle der Premierministerin übernehmen.
Operndirektor Andreas Wendholz, bekennender England-Reisender und Fan der komischen Opern von Gilbert und Sullivan, hatte Ende 2017 die Idee zu der verrückten Revue. Aus den 14 Opern des britischen Duos mussten entsprechende Nummern herausgesucht und von Ulrich Proschka – immer mit Blick auf die aktuelle britische Tagespolitik – vertextet werden. Der Kölner Komponist Martin Brenne arrangierte die Musikstücke. Wendholz’ Hoffnung: Die Brexit-Entscheidung verschiebt sich bis Ende des Jahres, dann kann die Revue unverändert auch noch in Krefeld gezeigt werden.
Vorerst darf sich aber das Mönchengladbacher Publikum über den Esprit und den Witz des Stückes freuen, in dem die vier Opernsänger neben ihren bekannten sängerischen Qualitäten ihre schauspielerischen und komödiantischen Talente unter Beweis stellen. Es macht unglaublich viel Spaß, Debra Hays, Gabriela Kuhn, Markus Heinrich und Matthias Wippich zuzusehen und zuzuhören. Gern auch ein zweites Mal.