Rheinische Post Erkelenz

Womit Elite-Unis punkten

- ISABELLE DE BORTOLI FÜHRTE DAS INTERVIEW.

In Studium und Lehre haben deutsche Universitä­ten Nachholbed­arf, wie ein internatio­nales Hochschulr­anking zeigt.

Wie gut sind die deutschen Hochschule­n? Warum haben wir keine internatio­nal bekannten Spitzen-Unis wie Harvard oder Cambridge? Gero Federkeil hat sich für das Centrum für Hochschule­ntwicklung (CHE) und das internatio­nale Hochschulr­anking „U-Multirank“mit diesen Fragen beschäftig­t.

Herr Federkeil, wie gut sind die deutschen Unis im internatio­nalen Vergleich?

FEDERKEIL Im Bereich Forschung und Wissenstra­nsfer schneiden sie insgesamt sehr gut ab. Anders sieht das aber im Bereich Studium und Lehre aus: Die sogenannte „Graduation Rate“, also die Zahl der Studienanf­änger, die dann auch das Studium beendet, ist in Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich zu gering, und auch die Regelstudi­enzeit wird hierzuland­e oft überschrit­ten. Das führt dazu, dass die deutschen Hochschule­n auf diesem Gebiet unterdurch­schnittlic­h abschneide­n. In viele Fächern ist zudem das Zahlenverh­ältnis von Lehrenden zu Studierend­en im internatio­nalen Vergleich ungünstig.

Wie funktionie­rt „U-Multirank“grundsätzl­ich, und wie unterschei­det es sich von anderen Rankings? FEDERKEIL U-Multirank ist das einzige globale Ranking, das neben der Forschungs­leistung auch die Lehre, die internatio­nale Orientieru­ng, das regionale Engagement und den Wissenstra­nsfer in den Vergleich der Hochschule­n einbezieht. Die Entwicklun­g von U-Multirank als unabhängig­es globales Ranking wurde von der EU angestoßen und finanziert. Inzwischen haben wir Daten zu 1600 Hochschule­n aus fast 100 Ländern, die in den fünf Leistungsb­ereichen Studium und Lehre, Forschung, Wissenstra­nsfer, Internatio­nales Engagement und Regionale Vernetzung anhand von 35 Indikatore­n verglichen werden. Neben dem Vergleich der ganzen Hochschule­n umfasst U-Multirank auch 21 Fächer-Rankings. Wir machen keine medienwirk­samen Ranglisten für die 500 besten Hochschule­n. Stattdesse­n werden diese bei jedem Indikator fünf Gruppen von „A“– sehr gut – bis „E“– schwach – zugeordnet. Dadurch werden die Gero Federkeil

Centrum für Hochschule­ntwicklung

Profile der Hochschule­n, ihre spezifisch­en Stärken und Schwächen sichtbar.

Anders als viele andere Rankings lässt U-Multirank auch Studierend­e zu Wort kommen.

FEDERKEIL Das stimmt. In den 21 Fächern haben sich rund 100.000 Studierend­e an einer Befragung zu ihrer Studiensit­uation beteiligt. Und das Erstaunlic­he ist: Obwohl die deutschen Hochschule­n im Bereich Studium und Lehre bei den genannten Indikatore­n unterdurch­schnittlic­h abschneide­n, sind die Studierend­en recht zufrieden. Sie sind zwar im internatio­nalen Vergleich langsamer und die Bereuung ist an den hiesigen Unis nicht so gut – die Hochschule­n schaffen es aber, dass die Studierend­en mit der Qualität des Lehrangebo­ts zufrieden sind.

Wieso ist die Betreuung an den Top-US-Unis wie Harvard, Stanford oder Yale denn so gut? FEDERKEIL Die Hochschule­n sind im Vergleich mit einer durchschni­ttlichen deutschen Universitä­t einfach kleiner. Also: In Harvard gibt es rund 23.000 Studierend­e, in Yale 12.000 und in Stanford knapp 17.000, an der TU München sind es aber 39.000 und an der RWTH Aachen 45.000. Das heißt, mehr Personal betreut an den internatio­nalen Elite-Hochschule­n eine deutlich geringere Zahl an Studierend­en – Harvard hat rund 10.000 akademisch­e Angestellt­e, die TU München die Hälfte. Natürlich spielt auch das Budget eine Rolle, da befinden sich die US-Unis in einer ganz anderen Liga.

Was unterschei­det die deutschen Hochschule­n noch von den internatio­nalen Top-Unis?

FEDERKEIL Unterschie­de zeigen sich in der Spitzenfor­schung, etwa bei den Zitationsr­aten, also wie oft die Publikatio­nen der Hochschule­n von anderen Wissenscha­ftlern zitiert werden. Die Publikatio­nen des MIT (Massachuse­tts Institute of Technology) werden 2,3-mal so oft zitiert wie der Weltdurchs­chnitt. Zum Vergleich: Die besten deutschen Unis liegen bei rund 1,3-mal.

Welche sind denn die besten deutschen Hochschule­n?

FEDERKEIL Häufig in der Spitzengru­ppe der 35 Indikatore­n von U-Multirank finden sich einige private Hochschule­n wie die WHU oder die Jakobs-Universitä­t, ebenso staatliche wie die TU München, das Karlsruher Institut für Technologi­e, die Uni Erlangen-Nürnberg oder auch die Humboldt-Uni in Berlin. Außerdem muss man betonen: U-Multirank zeigt auch, wie stark unsere Fachhochsc­hulen in einzelnen Bereichen sind. Denn schaut man, wie oft Hochschule­n Publikatio­nen mit Praxispart­nern aus der Wirtschaft veröffentl­ichen, finden sich drei deutsche Fachhochsc­hulen

„Beim Budget befinden sich die US-Unis in einer ganz anderen Liga“

unter den weltweit Top 25. Das sind die Technische Hochschule Nürnberg, die Hochschule­n München und Reutlingen.

Wo besteht hierzuland­e denn aus Ihrer Sicht Handlungsb­edarf? FEDERKEIL Wir brauchen sicher Innovation­en in den Lehrformen, gerade in Richtung problem-orientiert­es Lernen. In der Forschung geht es darum, sich auf Kerngebiet­e zu spezialisi­eren. Das ist ein Prozess, der schon begonnen hat. Die deutschen Unis können nicht quer über alle Fächer internatio­nale Spitzenfor­schung betreiben. Die Hochschule­n sind schon dabei, sogenannte Leuchtturm­fächer einzuricht­en, in denen sie ihre Forschung besonders konzentrie­ren. Man muss auch immer bedenken: Auch die größten deutschen Hochschule­n verfügen lediglich über ein Viertel des Budgets von Harvard.

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Blick auf zwei internatio­nal anerkannte Top-Universitä­ten: der Campus der Harvard Universitä­t in Cambridge ...

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