Stotternder Neustart
Das deutsche Fußball-Nationalteam kommt mit einer stark verjüngten Startelf gegen Serbien nicht über ein 1:1 hinaus.
WOLFSBURG Leipzig ist offenbar in der Mitte der deutschen Nationalmannschaft angekommen. Zum ersten Länderspiel des Jahres stellte Bundestrainer Joachim Löw gleich drei Spieler aus dem sächsischen Fußballprojekt in seine Startelf. Neben Mittelstürmer Timo Werner, den die meisten in Wolfsburg gegen Serbien erwartet hatten, durfte sich auch das Außenverteidiger-Paar Lukas Klostermann/Marcel Halstenberg versuchen. Es war Teil einer bemerkenswerten jungen Startformation. 24,18 Jahre im Schnitt war die Elf, die in der VW-Arena beginnen durfte, und Torwart Manuel Neuer schraubte die Zahl durch seine 32 Lenze noch kräftig nach oben.
Wunderdinge sind von so viel Nachwuchs nicht zu erwarten. Gegen klug verteidigende und manchmal sehr ansehnlich konternde Serben gab es ein 1:1 (0:1).
Neben Verjüngung hatte Löw Tempofußball beim angestrebten Rückweg an die erweiterte Weltspitze versprochen. Der Ansatz war früh zu erkennen. Die drei Spitzen Werner, Leroy Sané und Julian Brandt sollten durch Positionswechsel und Tempoläufe Löcher in die serbische Abwehr reißen, und der Ball sollte möglichst schnell nach vorn. Es blieb aber zunächst bei Ansätzen, weil das Kurzpass-Spiel durchs Mittelfeld oft ohne Effekt blieb, da entweder der berühmte letzte Pass schlecht gespielt wurde oder weil die Zielstrebigkeit im ebenso berühmten letzten Drittel fehlte. Als sich die DFB-Elf dann mal mit einer schnellen Kombination durch den Strafraum durchgespielt hatte, scheiterte Werner an einer sehenswerten Parade des serbischen Torwarts Marko Dmitrovic.
Die Gäste machten ihren Gastgebern früh vor, wie Chancen entschlossen in Ergebnisse verwandelt werden können. Nach einem Eckstoß verlor Klostermann ein Kopfballduell. Das brachte die deutsche Deckung völlig aus der Ordnung, und Luka Jovic machte, was er als Stürmer von Eintracht Frankfurt gern und oft macht: Er köpfte zum 1:0 ein.
Bis zur Pause durften sich die Deutschen durchaus glücklich schätzen, dass mehrere Konter über ihre linke Abwehrseite nicht zu mehr Toren führten. Halstenberg hatte dort viel Mühe, weil ihm die Unterstützung von den mehr an Offensive interessierten Mittelfeldspielern fehlte.
Trotzdem wechselte Löw in der Abteilung Angriff. Kai Havertz, der hinter den Spitzen keinen großen Eindruck hinterlassen hatte, wurde durch Marco Reus ersetzt, der mit einem Ballverlust gleich den nächsten Konter einleitete. Aber Marc-André ter Stegen, der nach dem Wechsel für Neuer das Tor hütete, musste nicht eingreifen.
Reus blieb natürlich nicht nur für das eigene Tor gefährlich. Er brachte viel von seiner überragenden Dortmunder Form auf den Rasen. Mit seinem ersten Schuss nach einem kleinen Tänzchen im Strafraum scheiterte allerdings auch er an Dmitrovic.
Durch Reus und den wenig später eingewechselten Leon Goretzka gewann das deutsche Angriffsspiel an Struktur, es hatte jedoch weiter einen verhängnisvollen Hang zum viel zu verschnörkelten Abschluss. Bestes Beispiel: Nach einer Hacke-Spitze-eins-zwei-drei-Kombination Deutschland - Serbien durch den serbischen Strafraum umspielte Ilkay Gündogan auch noch den Torwart, ehe sein Flachschuss aus spitzem Winkel von einem Abwehrspieler von der Linie geholt wurde. Das war dann ein bisschen zu viel von der Spielkultur, die Löw in Aussicht gestellt hatte. Goretzka hatte davon offenbar auch genug gesehen, auf Vorarbeit von Reus traf er mit aller Entschlossenheit zum Ausgleich. Das war nach den Spielanteilen längst überfällig. Die deutsche Elf hatte es sich durch ihre vielen Kreisel, zu denen sie selbst zehn Meter vor dem Tor noch ansetzte, selbst schwer gemacht.
Im zweiten Durchgang von Wolfsburg fand Löws Team jedoch zu einer deutlich besseren Balance von Spielfreude und Lust auf einen konkreten Abschluss. Reus und Sané hätten das mit Treffern ausdrücken können, aber Dmitrovic im serbischen Tor hatte etwas dagegen.
So stark der serbische Torhüter war, so schwach war die Aktion von Milan Pavkov, der Leroy Sané übel aufs Sprunggelenk trat und völlig zurecht die Rote Karte sah. Der deutsche Angreifer verletzte sich allem Anschein nach nicht schwerer – ein kleines Wunder, wenn man die TV-Bilder betrachtet.