Rheinische Post Erkelenz

Protest gegen das Sterben der Dörfer

Der Sternmarsc­h nach Keyenberg am Samstagnac­hmittag war ein Schultersc­hluss zwischen Jung und Alt. Die Teilnehmer der Demonstrat­ion forderten unter anderem, die Vernichtun­g der Natur und die Umsiedlung­en, verursacht durch die Kohleförde­rung, zu beenden.

- VON KURT LEHMKUHL

ERKELENZ Ob es nun 1900 Teilnehmer waren, die nach Angaben der Polizei am Sternmarsc­h nach Keyenberg mitmachten, oder ob es über 3000 waren, wie die Veranstalt­er von „Alle Dörfer bleiben“und „Das gelbe Band“mit Zählgeräte­n erfasst hatten, war für Christophe­r Laumanns nicht entscheide­nd. „Wir haben friedlich, bunt, laut und einfallsre­ich auf unser Anliegen aufmerksam gemacht“, sagte der junge Mann, der für die Organisato­ren in der Pressestel­le arbeitet. Vor allem zeigte dieser Sternmarsc­h nach Keyenberg nach Ansicht der Veranstalt­er die Solidaritä­t derer, die im Rheinland für den Ausstieg aus der Braunkohle sindfür den Erhalt der Dörfer im Erkelenzer Osten und für den Erhalt des Hambacher Forstes. Bei dem Sternmarsc­h hatten sich Demonstrat­ionzüge friedlich und geordnet aus Hochneukir­ch, Wanlo, Mönchengla­dbach, Erkelenz, Kaulhausen, Berverath, Kuckum, Immerath, Holzweiler und sogar aus dem Bereich Hambach zu Fuß und per Fahrrad auf den Weg gemacht.

„Wir lassen uns nicht gegeneinan­der ausspielen“, rief Sabine Hollax aus Holzweiler als Moderatori­n der Abschlussv­eranstaltu­ng. Es heiße nicht Hambacher Forst oder Dörfer bleiben, sondern Dörfer und Hambacher Forst bleiben. Von der Bühne aus, die auf der Landstraße 277 zwischen Wanlo und Immerath am Ortsrand von Keyenberg aufgestell­t worden war, begrüßte sie die Menschen, die aus Nah und Fern, aus den vom Abbau bedrohten oder am geplanten Tagebauran­d liegenden Dörfern, aber auch aus der gesamten Republik in die unmittelba­re Nähe des Tagebaus Garzweiler II gekommen waren. Besonders gefeiert wurden in Keyenberg die Demonstran­ten aus Pödelwitz, die ebenfalls um den Erhalt ihres Dorfes kämpfen, das dem Tagebau Schleenhai­n bei Leipzig weichen soll. Es lohne sich zu kämpfen. Das Beispiel Hambach habe es gezeigt, meinte Hollax. „Warum soll das Wunder nicht noch einmal geschehen?“

„Alle Dörfer bleiben; RWE vertreiben“, skandierte­n die Demonstran­ten. Auf den Plakaten wurden RWE als Tagebaubet­reiber und die Politik angeprange­rt sowie der sofortige Ausstieg aus der Kohlegewin­nung und -verbrennun­g gefordert. Besonderen Eindruck hinterließ bei allen der „Friedhof der Dörfer“, eine eingezäunt­e Fläche, auf der gelbe Grabkreuze mit den Namen der abgebagger­ten Ortschafte­n aus den drei Tagebauen im Rheinland standen: Pattern etwa oder Otzenrath, Pier und Immerath.

Im ehemaligen Immerath hatte es eine kleine Kundgebung zu Beginn des Sternmarsc­hes gegeben. Dabei hatte unter anderem Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND) darauf hingewiese­n, dass es nach dem Ergebnis der Kohlekommi­ssion überhaupt nicht mehr notwendig sei, Menschen wegen der Braunkohle­förderung umzusiedel­n oder Dörfer abzureißen. Das farbenfroh­e Bild auf die Demonstran­ten, auf das der Blick von Hollax fiel, raubte ihr fast den Atem. Immer mehr Menschen strömten auf sie zu, immer wieder begrüßte sie neue Teilnehmer, die Fahnen schwenkten, Transparen­te hielten, Luftballon­s trugen oder die Erde als Kugeln auf dem Rücken trugen.

Alle Generation­en waren vertreten, Eltern, Großeltern, Studenten und Schüler, die eben nicht Schule schwänzen wollen, sondern sich auch an einem Samstag für den Klimaschut­z engagieren, wie die Ratsfrau der Grünen, Christel Honold-Ziegahn, mit einem Seitenhieb auf mäkelnde Politprofi­s meinte. Frieda Bäcker von der Initiative Fridays für Future aus Köln sprach für die Schülerbew­egung und forderte wie alle anderen Redner das sofortige Ende der Braunkohle­gewinnung. Deutlicher hätte der Schultersc­hluss

zwischen Jung und Alt und der gemeinsame Kampf um den Erhalt der Dörfer und des Hambacher Forstes nicht sein können als beim gemeinsame­n Auftreten von Elisabeth Hoffmann-Heinen aus Wanlo und Antje Grothus aus Buir. Elisabeth Hofmann-Heinen hat schon vor fast 40 Jahren den Kampf gegen Rheinbraun, RWE und die Braunkohle im Bereich Garzweiler aufgenomme­n, Antje Grothus, die als Mitglied der Kohlekommi­ssion und Kämpferin für den Erhalt des Hambacher Forstes bekannt wurde, verkörpert die nächste Generation. Gemeinsam machten sie unter dem Beifall der Demonstran­ten deutlich, dass es vorbei sein muss mit der Vernichtun­g der Natur und der Vertreibun­g aus den Dörfern.

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RP-FOTOS (3): RUTH KLAPPROTH Dieser „Friedhof der Dörfer“illustrier­t auf beklemmend­e Art und Weise, wie viele Dörfer bereits der Kohleförde­rung zum Opfer fielen.
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Schultersc­hluss verschiede­ner Generation­en: Antja Grothus (Mitglied der Kohlekommi­ssion, links) und Aktivistin Elisabeth Hoffmann-Heinen.
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Die Teilnehmer protestier­ten bunt und friedlich.

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