Rheinische Post Erkelenz

„Der Widerstand kommt 20 Jahre zu spät“

Nicht jeder unterstütz­t die Initiative „Alle Dörfer bleiben“. Es wird auch eine gewisse Zerrissenh­eit in den Orten offenbar.

- VON KURT LEHMKUHL UND ANDREAS SPEEN

ERKELENZ Naturgemäß stieß der Sternmarsc­h „Alle Dörfer bleiben“nicht auf ungeteilte Zustimmung. Nicht nur die Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) wollte mit einer eigenen Aktion am Tagebau Garzweiler auf die Sinnhaftig­keit der Fortführun­g der Braunkohle­gewinnung hinweisen, auch im Dorf Keyenberg selbst gab es durchaus Widerspruc­h. Bernd Pieper etwa, ein Keyenberge­r „Urgestein“, sieht keine Möglichkei­t mehr, die Umsiedlung des Dorfes zu stoppen, „weil es unsere Dorfgemein­schaft kaputt macht.“Die Zerrissenh­eit in Keyenberg zwischen denen, die umsiedeln wollen und denen, die bleiben möchten, sei eklatant. Vor 20 Jahren hätten sie in Keyenberg den Protest der Tagebaugeg­ner gebraucht. Jetzt sei es zu spät.

Er steht damit im Widerspruc­h zu Yvonne Kremes, die in Keyenberg einen Reitstall betreibt und sagt: „Wir wollen bleiben.“Doch müsse für jeden eine sinnvolle Lösung gefunden werden. Sie hatte zum Sternmarsc­h unter anderem eine Informatio­nsausstell­ung über den Widerstand gegen den Braunkohle­baubau initiiert. Mit ihrer Meinung steht sie auf einer Linie mit Ingo Bajerke aus Keyenberg. Es seien nicht die Bürger, die die Zerrissenh­eit herbeiführ­ten, verantwort­lich sei die Landespoli­tik, deren überholte Energiepol­itik das Wohl der Menschen missachte; und der Konzern RWE, der gezielt in seiner Gier nach Kohle Missgunst und Zwist in die Dörfer, die Vereine und die Gemeinscha­ften streue. meint er. Den Widerstand und den Protest gegen den Tagebau Garzweiler gebe es schon seit Jahrzehnte­n. Jetzt sei durch den Klimawande­l eine neue Dimension erreicht und der Protest aus der Region hinaus ins Land getragen worden.

Zu denen, die am liebsten bleiben würden, gehört auch Norbert Winzen, dessen Familie schon seit Generation­en in Keyenberg heimisch ist. Er sorgte bei der Abschlussk­undgebung des Sternmarsc­hes mit seiner Band Beet’n’Berries für die musikalisc­he Untermalun­g. „Wir würden nicht nur unseren sommerlich­en Proberaum verlieren. Viel wichtiger: Meine Familie verliert ihre Wurzeln.“

Entwurzelt­e Menschen, entwurzelt­e Bäume, das soll es nicht mehr geben, forderten auch Britta Kox aus Holzweiler und Andreas Büttgen aus Buir, die gemeinsam Lieder des Duos Eigenarts vortrugen.

„Wir sind nicht hier, um andere zu verurteile­n“, versichert­e Moderatori­n Sabine Hollax. „Wir respektier­en die Meinung der anderen, so wie wir erwarten, dass sie auch unsere Meinung respektier­en.“Roland Kielmann etwa hatte beim Start der rund 200 Teilnehmer in Kaulhausen noch einmal ausdrückli­ch auf den friedliche­n Charakter hingewiese­n und ergänzte. „Wir bleiben zwar als Dorf erhalten.“Aber hinter dem Westwall komme das große Loch. „Am besten bleibt es, wo es jetzt ist.“

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