„Der Widerstand kommt 20 Jahre zu spät“
Nicht jeder unterstützt die Initiative „Alle Dörfer bleiben“. Es wird auch eine gewisse Zerrissenheit in den Orten offenbar.
ERKELENZ Naturgemäß stieß der Sternmarsch „Alle Dörfer bleiben“nicht auf ungeteilte Zustimmung. Nicht nur die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) wollte mit einer eigenen Aktion am Tagebau Garzweiler auf die Sinnhaftigkeit der Fortführung der Braunkohlegewinnung hinweisen, auch im Dorf Keyenberg selbst gab es durchaus Widerspruch. Bernd Pieper etwa, ein Keyenberger „Urgestein“, sieht keine Möglichkeit mehr, die Umsiedlung des Dorfes zu stoppen, „weil es unsere Dorfgemeinschaft kaputt macht.“Die Zerrissenheit in Keyenberg zwischen denen, die umsiedeln wollen und denen, die bleiben möchten, sei eklatant. Vor 20 Jahren hätten sie in Keyenberg den Protest der Tagebaugegner gebraucht. Jetzt sei es zu spät.
Er steht damit im Widerspruch zu Yvonne Kremes, die in Keyenberg einen Reitstall betreibt und sagt: „Wir wollen bleiben.“Doch müsse für jeden eine sinnvolle Lösung gefunden werden. Sie hatte zum Sternmarsch unter anderem eine Informationsausstellung über den Widerstand gegen den Braunkohlebaubau initiiert. Mit ihrer Meinung steht sie auf einer Linie mit Ingo Bajerke aus Keyenberg. Es seien nicht die Bürger, die die Zerrissenheit herbeiführten, verantwortlich sei die Landespolitik, deren überholte Energiepolitik das Wohl der Menschen missachte; und der Konzern RWE, der gezielt in seiner Gier nach Kohle Missgunst und Zwist in die Dörfer, die Vereine und die Gemeinschaften streue. meint er. Den Widerstand und den Protest gegen den Tagebau Garzweiler gebe es schon seit Jahrzehnten. Jetzt sei durch den Klimawandel eine neue Dimension erreicht und der Protest aus der Region hinaus ins Land getragen worden.
Zu denen, die am liebsten bleiben würden, gehört auch Norbert Winzen, dessen Familie schon seit Generationen in Keyenberg heimisch ist. Er sorgte bei der Abschlusskundgebung des Sternmarsches mit seiner Band Beet’n’Berries für die musikalische Untermalung. „Wir würden nicht nur unseren sommerlichen Proberaum verlieren. Viel wichtiger: Meine Familie verliert ihre Wurzeln.“
Entwurzelte Menschen, entwurzelte Bäume, das soll es nicht mehr geben, forderten auch Britta Kox aus Holzweiler und Andreas Büttgen aus Buir, die gemeinsam Lieder des Duos Eigenarts vortrugen.
„Wir sind nicht hier, um andere zu verurteilen“, versicherte Moderatorin Sabine Hollax. „Wir respektieren die Meinung der anderen, so wie wir erwarten, dass sie auch unsere Meinung respektieren.“Roland Kielmann etwa hatte beim Start der rund 200 Teilnehmer in Kaulhausen noch einmal ausdrücklich auf den friedlichen Charakter hingewiesen und ergänzte. „Wir bleiben zwar als Dorf erhalten.“Aber hinter dem Westwall komme das große Loch. „Am besten bleibt es, wo es jetzt ist.“