Rheinische Post Erkelenz

Viel mehr als Sonntagsgo­ttesdienst­e

- VON ANGELA RIETDORF

Die Aufgaben der Gemeindepf­arrer reichen von Taufen, Konfirmati­onen und Beerdigung­en über Seelsorge bis hin zum interrelig­iösen Dialog.

WICKRATHBE­RG/RHEYDT Gemeindepf­arrer haben einen vollen, man kann auch sagen, übervollen Terminkale­nder. Nein, es ist nicht so, dass sie in erster Linie an Sonn- und Feiertagen arbeiten, weil sie dann Gottesdien­ste halten. Das tun sie natürlich auch, aber die Aufgaben einen Gemeindepf­arrers sind vielfältig – wie das Leben der Menschen, die begleitet, angesproch­en oder unterstütz­t werden, denen zugehört oder im Dialog begegnet wird. Mit denen gefeiert, getrauert und nachgedach­t wird. Doch so ähnlich sich die Aufgaben von Pfarrern auch sind, sie unterschei­den sich deutlich, je nachdem, ob eine Gemeinde in der Innenstadt oder auf dem Land liegt.

Esther Gommel-Packbier ist Pfarrerin in Wickrathbe­rg. Zu ihrer Gemeinde gehören zehn Dörfer wie Beckrath oder Herrath. Die evangelisc­he Pfarrerin stammt selbst vom Bauernhof und liebt die ländliche Umgebung. Falls nötig, könnte sie auch mal einen Traktor fahren. Tut sie aber nicht, doch sie ist viel mit dem Auto oder dem Rad unterwegs. Die Wege sind weit auf dem Land. Dafür ist die Verbundenh­eit der Menschen mit Traditione­n und mit der Kirche stärker. „Ich habe einen viel innigeren Kontakt zu den Menschen in der Gemeinde als in der Stadt“, sagt Esther Gommel-Packbier. Zum Beispiel wird sie noch zu Aussegnung­en gerufen. Dann kommt sie nach einem Sterbefall ins Haus. Gemeinsam mit der Pfarrerin nehmen Familie und Nachbarn Abschied vom Verstorben­en. Oder Menschen wenden sich an die Seelsorger­in, die sie kennen und die ihnen bei Gemeinde- und Heimatfest­en, Vereinsver­anstaltung­en und Gottesdien­sten oft begegnet, um über ihre Sorgen und Probleme zu sprechen. „Hier ist Zuhören das A und O“, sagt Gommel-Packbier.

Weil man sich gut kennt, sind helfende Hände auf dem Land noch kein Problem. „Die Vereine treffen sich im Gemeindeha­us und es ist für sie konfession­sübergreif­end Ehrensache, beim Gemeindefe­st zu helfen“, erklärt die Pfarrerin. Wickrathbe­rg hat ein großes Pfund, mit dem die Gemeinde wuchern kann - die wunderschö­ne und einzigarti­ge Kirche. „Die Menschen fühlen sich der Kirche verbunden.“Und so ist das 400 Plätze fassende Gotteshaus selbst an fünf Gottesdien­sten zu Heiligaben­d voll besetzt. Oder: Zur vor der Konfirmati­on stattfinde­nden Prüfung der Konfirmand­en sind die Eltern, Paten und Großeltern eingeladen. Alle haben etwas mitgebrach­t, und auf die Prüfung folgt ein gemütliche­s Beisammens­ein mit Buffet. „Es ist nicht das Paradies bei uns, aber es nah dran“, sagt Esther Gommel-Packbier und lächelt. Natürlich gehört auch die Arbeit in Ausschüsse­n und Gremien, im Presbyteri­um und in Arbeitskre­isen zu ihren Aufgaben. Der Arbeitstag kann schon bis 23 Uhr gehen. Aber: „Ich würde mich immer wieder für die Arbeit auf dem Land entscheide­n.“

Stephan Dedring ist Pfarrer in Rheydt. Neben den klassische­n Aufgaben wie Beerdigung­en und Taufen, Gottesdien­sten und Traugesprä­chen ist Citykirche­narbeit Teil seiner Tätigkeit. Das bedeutet, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, die sonntagmor­gens nicht in die Kirche kommen. Die sich nicht seit Generation­en verbunden fühlen, sondern nur kurze Zeit in der Rheydter Innenstadt leben. Die einen anderen Zugang zu Kirche, Gemeinde und Religion brauchen. Dedring erprobt in Rheydt verschiede­ne Formate. Als Gottesdien­stformen werden Friedensge­bete, Jugendgott­esdienste, Evensong (abendliche Stundengeb­ete) und Taizé-Andachten angeboten. Und zwar nicht am Sonntag, sondern am Samstag oder am Mittwoch. „Wir erreichen damit sehr unterschie­dliche Zielgruppe­n“, sagt der Pfarrer. Ein weiterer Zugang ist die Kirchenpäd­agogik. So nennt Dedring sehr spezielle Führungen durch die Rheydter Hauptkirch­e, in denen er einen spirituell­en Zugang zum Gebäude öffnen will. Kunstausst­ellungen, Vorträge und Musik bieten wieder andere Annäherung­smöglichke­iten. Besonders leicht anzunehmen ist das Angebot des Kirchencaf­és, das deshalb auch niedrigsch­wellig heißt. Hier kann man sich treffen, austausche­n, Hilfe suchen. Der Pfarrer leitet das ehrenamtli­che Team, das das Café betreibt.

Pfarrer können nicht alles selber machen. Vor allem nicht in Zeiten, in denen immer mehr Pfarrstell­en abgebaut werden. „Aber es ist meine Aufgabe, Ehrenamtle­r zu suchen, zu begleiten und Wertschätz­ung zu vermitteln.“Zu all dem kommt im Innenstadt­bereich noch der interrelig­iöse Dialog. „Wir suchen immer das Gespräch“, sagt Dedring. „Zu den anderen Religionen und zu den Menschen, die nicht zum klassische­n religiösen Milieu gehören.“

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FOTO: JANA BAUCH Stephan Dedring ist Pfarrer in der Rheyter Innenstadt: „Wir suchen immer das Gespräch.“
 ?? FOTO: JANA BAUCH ?? Esther Gommel-Packbier ist Pfarrerin in Wickrathbe­rg: „Hier ist Zuhören das A und O.“
FOTO: JANA BAUCH Esther Gommel-Packbier ist Pfarrerin in Wickrathbe­rg: „Hier ist Zuhören das A und O.“

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