Lust auf Zukunft
Klimawandel, Ungleichheit, Krieg um Rohstoffe: Vielen Menschen ist die Zuversicht vergangen. Nachhaltig. Sie wagen nicht mehr zu träumen. Dabei wird für ein lebenswertes Morgen jede Idee gebraucht.
Es ist einfach, die Zukunft schwarzzumalen. Es genügen ein paar Bedrohungsvokabeln, um das Desasterpotenzial zu umreißen: Klimawandel, soziale Polarisierung, Kriege um Rohstoffe – natürlich wäre es fahrlässig, sich deswegen keine Sorgen zu machen.
Allerdings verstärken die negativen Aussichten ein Gefühl, mit dem sich ganz sicher keine Zukunft gewinnen lässt: Ohnmacht. Wer Dystopien beschwört, beschwört auch Seufzer wie: „Da kann man nichts machen“, „Lass die Ökos mal machen“, „Ich bin raus“. Dabei hat der Zivilisationsprozess bis heute vielen eine enorme Verbesserung des Lebensstandards beschert. Wer würde schon lieber vor 100 Jahren leben oder gar vor 400? Außerdem legen die vielfältigen Bedrohungen der Zukunft doch vor allem nahe, dass jeder gute Gedanke und jedes kleinste Engagement gebraucht werden. Wenn sich die Menschheit etwas gerade nicht erlauben kann, dann Passivität. Und doch herrscht vielerorts Verzagtheit, wagen viele keine Träume mehr.
Womöglich hat das auch damit zu tun, dass wir in einer „Diktatur der Gegenwart“leben, wie der Soziologe Harald Welzer in seinem neuen Buch „Alles könnte anders sein“schreibt. In der Konsumgesellschaft sei alles auf das Sofort ausgerichtet. Bedürfnisse müssten gleich gestillt, Bestellungen möglichst schnell geliefert werden. Dem Verbraucher verheißt das Glück, den Märkten Wachstum, das ungute Gefühl der Ressourcen wegen wird verdrängt. Dazu gaukle die Digitalwirtschaft den Menschen vor, jederzeit alles berechnen zu können – vom Konsumverhalten bis zu Wahlentscheidungen. Folglich richte sich der Konsument in der Gegenwart ein, hoffe, dass sich sein Lebensstil noch ein wenig bewahren lasse, egal, was das für den Planeten bedeute. Appelle helfen da wenig.
Eine neue Sichtweise vielleicht schon. Die Einsicht, dass die Wachstumslogik auf einem endlichen Planeten kaum in ein lebenswertes Morgen führen kann, zumindest nicht für möglichst viele Menschen, öffnet ja durchaus Gestaltungsräume. Neugierige, mutige, kreative Leute kann das locken. „Die fetten Jahre sind vorbei“könne in einer übersatten Gesellschaft ja auch als frohe Botschaft verstanden werden, schreibt Welzer, „jetzt kommen leichtere, schlankere, sportlichere Zeiten“.
Damit Menschen Lust haben, über diese leichteren Zeiten nachzudenken, muss der soziale Nahbereich in den Blick rücken. Leute denken berechtigterweise lieber über machbare Ideen nach. Also gilt wohl: Nachbarschaftsprojekte vor Menschheitsfragen, um nicht ewig in die Sackgasse der Ohnmacht zu geraten.
„Veränderung beginnt damit, dass Menschen über ihr konkretes Handeln und dessen Folgen nachdenken“, sagt Edgar Göll, Leiter der Abteilung Zukunftsforschung am Berliner Institut für Zukunftsforschung und Technologiebewertung. Dann stelle man vielleicht fest, dass der Kurztrip mit dem Flieger negative Auswirkungen hat und dass man das eigentlich nicht wolle. Im nächsten Schritt trifft man vielleicht auf andere Leute, die freiwillig auf solche Trips verzichten, ohne das als Nachteil zu empfinden. „Jeder Verzicht ist ja zugleich ein Mehr von etwas Anderem“, sagt Göll. „Wenn ich ein Riesensteak esse, verpasse ich ein tolles vegetarisches Gericht, wenn ich nach Stockholm fliege, verpasse ich die Radtour dorthin und den Genuss, mir für eine schöne Reise Zeit zu nehmen.“Entscheidend sei, dass Menschen überhaupt erkennen, dass sie ihre Denkweise verändern können. Dass sie die Profitlogik durchschauen und wissen wollen, was sie wirklich glücklich macht. Dann könne aus dem Habenwollen die Frage werden, ob wir auch tatsächlich das haben und machen, was wir wollen.
„Die fetten Jahre sind vorbei, jetzt kommen leichtere, schlankere, sportlichere Zeiten“
Harald Welzer Soziologe