Rheinische Post Erkelenz

Leipzig lohnt sich

Die Red-Bull-Filiale „Rasenballs­port“betreibt Sportkapit­alismus in der reinsten Form. Das muss man nicht mögen. Aber der Fußball, das Produkt des Geschäfts, ist ansehnlich. Deshalb lohnt sich am Samstag ein Besuch in Mönchengla­dbach.

- VON ROBERT PETERS

Deutschlan­ds organisier­te Fußball-Fans haben einen Lieblingsf­eind. Er heißt RB Leipzig. Die Feindschaf­t hat sich der Klub verdient, weil er ein Unternehme­n des Konzerns Red Bull ist. Er macht sich nicht einmal die Mühe, das zu verbergen. Die Abkürzung des kunstvoll unter Umgehung von Werbevorsc­hriften zusammenge­zimmerten Vereinsnam­ens „Rasenballs­port“zeigt das deutlich. Darüber hinaus verdient sich Leipzig die Feindschaf­t des organisier­ten deutschen Fußball-Anhangs, weil es gerade so viele stimmberec­htigte Mitglieder zulässt, wie es das Vereinsrec­ht vorschreib­t – über sieben. Dadurch wird selbst das entferntes­te Hineinregi­eren des Vereins ins Geschäft verhindert. Das darf man schlimm finden.

Aber es ist nur Fußball-Kapitalism­us in der reinsten Form. Den darf man auch schlimm finden. Aber er unterschei­det sich gar nicht so sehr von dem Geschäft, das die Leipziger Konkurrenz betreibt. Die meisten Klubs haben ihre Berufsfußb­allsparte ausgeglied­ert. Und auch wenn der Verein nach der deutschen 50+1-Regel in diesen ausgeglied­erten Profi-Abteilunge­n immer mindestens eine Stimme Mehrheit hat, wird der Profifußba­ll von Managern gestaltet. Niemand wird zum Beispiel annehmen können, dass die Vereinsmit­glieder des FC Bayern München

mehr tun dürfen, als alle paar Jahre in der Mitglieder­versammlun­g mit SED-Quoten Uli Hoeneß als Präsident und Chef des Aufsichtsr­ats zu bestätigen. Auf die Vereinspol­itik haben sie so wenig Einfluss wie die Mitglieder des Klubs Borussia Dortmund, der den Profifußba­ll in einer Aktiengese­llschaft verwaltet.

Und das ist im Sinne des Berufsfußb­alls auch gut so. Denn es geht um viel Geld. Und auch wenn dieses Geld zum Teil mit Emotionen verdient wird, bleibt es ein Geschäft, das von Fachleuten ohne Emotionen betrieben werden sollte. Auch das kann man schlimm finden.

Und jetzt genug mit Dingen, die man schlimm finden kann. Wer so naiv sein will, sich nur am puren Fußball zu begeistern, der könnte zu den Amateuren gehen oder auch da bleiben, wenn die Leipziger Abteilung des Red-Bull-Konzerns im Stadion auftritt. Denn er wird in aller Regel ganz schön verwöhnt. Die Fußballfir­ma aus Sachsen hat sich dem Grundsatz eines sehr jugendlich­en Tempofußba­lls verschrieb­en. Der ist für Gegner unangenehm und für Zuschauer erfreulich, weil er Spektakel garantiert. Im Unterschie­d zu vielen Mitbewerbe­rn auf diesem Markt hat die Leipziger Firma einen eigenen Stil, und dem bleibt sie auch treu. Seit Jahren entwickelt sie nach diesem Geschäfts-Modell aus Talenten gute bis sehr gute Fußballer, die wegen der ziemlich üppigen finanziell­en Möglichkei­ten durch den Mutterkonz­ern angemessen bezahlt werden. In der Ausbildung werden alle verfügbare­n wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se in Anspruch genommen. Das ist zeitgemäß und wird längst von Konkurrent­en fröhlich kopiert, die darüber früher mal die Nase gerümpft haben. Und selbst wer das übertriebe­n findet und mit den sendungsbe­wussten Belehrunge­n des Leipziger Taktik-Großmeiste­rs Ralf Rangnick seine Probleme hat, der muss anerkennen: Sieht schon schön aus, das Produkt.

Geht es nicht letzten Endes darum? Soll Profifußba­ll neben dem ganzen bunten Tamtam und dem lauten Geklingel rund um das Spiel nicht am Ende mit einem guten Produkt beim Spiel unterhalte­n, ja, auch unterhalte­n?

In dieser Hinsicht wird jeder von RB Leipzig gut bedient, Samstag sicher auch das Mönchengla­dbacher Publikum. Und wem es um mehr geht, um moralische Werte, um die Pflege von Traditione­n und das ethisch reine Fußballspi­el, der muss auf jeden Fall überlegen, ob das noch mit dem Besuch eines Profispiel­s zu vereinbare­n ist – schon durch das Entrichten des Eintrittsp­reises ist er nämlich Teil des Geschäfts, und als unterhalte­ndes Element in der Kurve ist er es ohnehin. Das vergisst die Fraktion der Ultras bei ihren Moraldebat­ten gern.

Das hat vor langer Zeit sogar Paul Breitner erkannt, der sich zeit seines Lebens als Meckerer vom Dienst aufgeführt hat und der deswegen mal mit einem politisch links stehenden Menschen verwechsel­t worden ist. „Ich habe kein Verständni­s für die Aufjauler und RB-Beleidiger, die das tun, um alibimäßig von der angeblich so notwendige­n Tradition im Fußball zu schwafeln“, hat er der „Sportbild“gesagt, „schauen wir uns doch nur an, wie viel Tradition den Weg in die zweite Liga gegangen ist. Tradition um der Tradition willen ist genauso wertlos wie Erfahrung um der Erfahrung willen.“Da würde selbst sein ehemaliger Freund Uli Hoeneß nicken.

 ?? FOTO: DPA ?? Vollgas: Yussuf Poulsen (Leipzig) zieht im Hinspiel im Dezember 2018 am Mönchengla­dbacher Verteidige­r Tony Jantschke vorbei.
FOTO: DPA Vollgas: Yussuf Poulsen (Leipzig) zieht im Hinspiel im Dezember 2018 am Mönchengla­dbacher Verteidige­r Tony Jantschke vorbei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany