Rheinische Post Erkelenz

Frankfurt feiert einfach weiter

Nach einem 2:0-Erfolg über Benfica Lissabon steht die Eintracht im Halbfinale der Europa League.

- VON ROBERT PETERS

FRANKFURT/M Adi Hütter stieß die Fäuste in den Abendhimme­l und drückte anschließe­nd jeden an die Trainerbru­st, der nicht schnell genug aus dem Weg kam. Auf dem Rasen tanzten die Spieler ein wildes Freuden-Ballett, und viele Fans der Eintracht drängten sich gefährlich nah am Spielfeldr­and. Frankfurt feierte den nächsten erstaunlic­hen Kraftakt bei der Tour durch Europa. Mit einem 2:0-Erfolg im Viertelfin­al-Rückspiel (Hinspiel 2:4) gegen Benfica Lissabon stößt die Eintracht zum ersten Mal seit 1980 in ein Halbfinale im europäisch­en Wettbewerb vor. Gegner in der Vorschluss­runde ist der FC Chelsea.

Vor 39 Jahren gewann Frankfurt sogar den Uefa-Cup, und im Team, das in den beiden Finalspiel­en Borussia Mönchengla­dbach bezwang, lebte noch ein bisschen vom Glanz der Weltmeiste­rschaft 1974. Bernd Hölzenbein präsentier­te den Pokal, und der Fußball der Eintracht lebte von spielerisc­hen Feingeiste­rn.

Das ist heute anders. Die Mannschaft, die so unaufhalts­am durch Europa marschiert, schaltet ihre Gegner mit Wucht, fasziniere­nder Lauf- und Kampfstärk­e, mit Mannschaft­sgeist aus. Die Flügelspie­ler Filip Kostic und Danny da Costa ackern im Sprint über die Außenbahn wie nimmermüde Duracell-Häschen. Torwart Kevin Trapp schlägt den Ball beim Abstoß gern wie früher die Briten 60, 70 Meter nach vorn. Dort werfen sich Athleten wie Luka Jovic und Ante Rebic in die Zweikämpfe. Und es macht den Gegnern garantiert keinen Spaß, in diese Zweikämpfe gehen zu müssen.

Dem Publikum schon. „Es war eine unglaublic­he Stimmung“, sagte Mittelfeld­spieler Sebastian Rode, der den entscheide­nden Treffer erzielt hatte. Auch er ist einer der Dauerläufe­r, die Adi Hütters System zum Tragen bringen. Weil Leidenscha­ft ein wesentlich­es Stilmittel dieser Mannschaft ist, versetzt sie nicht nur den eigenen Anhang in Begeisteru­ng. Sie bringt ganz Fußball-Deutschlan­d hinter sich. Zu einem ganz kleinen Teil liegt das auch daran, dass außer der Eintracht kein deutscher Verein mehr mitspielen darf. „Es macht uns stolz, dass wir Deutschlan­d als einziges Team vertreten dürfen“, erklärte Sportvorst­and Fredi Bobic.

Er darf sich zu seiner Politik beglückwün­schen. Als er vor drei Jahren antrat, da hatte der Klub in den Relegation­sspielen gegen den 1. FC Nürnberg so eben die Klasse gehalten und zählte zu den ganz armen Bundesligi­sten. Mit einem anfangs milde belächelte­m Leasingmod­ell baute Bobic eine Mannschaft aus Leihspiele­rn auf. Unter ihnen waren viele, die anderswo nicht so richtig klar kamen. Es wuchs ein Team aus vielen Nationen, das Trainer Niko Kovac in die Spur setzte. Der Einzug ins Pokalfinal­e 2017 und der Sieg im Endspiel 2018 schufen neue wirtschaft­liche Möglichkei­ten. So mancher ehemalige Leihspiele­r konnte fest verpflicht­et werden – Rebic und Jovic zum Beispiel. Niemand lächelte mehr milde.

Adi Hütter hat diese Mannschaft weiter entwickelt. In ihrem Zusammenha­lt überschrei­tet sie Grenzen, die unüberwind­lich scheinen. Deshalb hat sie sich in dieser Spielzeit gegen viel größere Gegner durchgeset­zt. Die Liste der Opfer ist lang: Olympique Marseille, Lazio Rom, Schachtar Donezk, Inter Mailand, Benfica Lissabon. Und jetzt kommt Chelsea. „Es geht nicht härter“, stellte Rode fest. Er sah nicht so aus, als würde ihm das Angst machen.

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FOTO: REUTERS Party auf dem Spielfeld: Eintracht Frankfurts Spieler nach dem 2:0 gegen Benfica Lissabon.

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